Abkommen
zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf der Territorium der Deutschen Demokratischen Republik zusammenhängen

vom 12. März 1957

aufgehoben durch
...

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

stellen fest, daß, ungeachtet der Bemühungen der Deutschen Demokratischen Republik, der Sowjetunion und anderer friedliebender Staaten, bis jetzt noch keine friedensvertragliche Regelung mit Deutschland und keine vereinbarte Regelung erzielt wurden, die den europäischen Staaten ausreichende Friedens- und Sicherheitsgarantien bieten,

sind unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auf dem Gebiet der Deutschen Bundesrepublik ausländische Truppen stationiert und Militärstützpunkte der Teilnehmerstaaten des aggressiven Nordatlantikblocks errichtet sind,

sind unter Berücksichtigung der Tatsache, daß mit der Wiedergeburt des deutschen Militarismus in Westdeutschland dem Frieden Gefahren drohen, übereingekommen, daß die mit den internationalen Verträgen und Abkommen im Einklang stehende zeitweilige Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik notwendig ist und den Interessen der Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit des deutschen und des sowjetischen Volkes wie auch der anderen Völker Europas entspricht,

und haben in Übereinstimmung mit dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 20. September 1955 und der am 7. Januar 1957 in Moskau unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung beschlossen, dieses Abkommen abzuschließen und haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik -
    Dr. Lothar Bolz, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Minister für Auswärtige Angelegenheiten,
    Willi Stoph, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Minister für Nationale Verteidigung,

Die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken -
    A. A. Gromyko, Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
    G. K. Shukow, Minister für Verteidigung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,

die nach Austausch ihrer in guter Ordnung und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart haben.

Artikel 1. Die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik wird durch die zeitweilige Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf ihrem Territorium nicht beeinträchtigt; die sowjetischen Streitkräfte werden sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik und in das gesellschaftliche Leben des Landes einmischen.

Artikel 2. 1. Die Fragen der Veränderung der Stärke und der Standortverteilung der sowjetischen Streitkräfte, die zeitweilig auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationiert sind, werden Gegenstand von Konsultationen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sein.

2. Manövergebiete, die die sowjetischen Streitkräfte außerhalb ihrer Standorte benutzen, sind mit den zuständigen staatlichen Organen der Deutschen Demokratischen Republik zu vereinbaren.

Artikel 3. Die auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationierten Streitkräfte, die ihnen angehörenden Personen und deren Familienangehörige sind verpflichtet, das in der Deutschen Demokratischen Republik geltende Recht zu achten und einzuhalten.

Artikel 4. 1. Die den sowjetischen Streitkräften angehörenden Personen, die sich auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik befinden, tragen die für sie bestimmten Uniformen, besitzen und tragen Waffen gemäß den in der Sowjetarmee geltenden Vorschriften.

2. Fahrzeuge sowjetischer Streitkräfte müssen mit einem deutlichen Kennzeichen versehen sein. Die Kennzeichen werden vom Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte festgesetzt und ihre Muster den zuständigen deutschen Organen mitgeteilt.

3. Die deutschen Organe erkennen die Fahrerlaubnisse, die von den zuständigen sowjetischen Organen an Personen ausgegeben werden, die zu den auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Streitkräften gehören, ohne Eignungsprüfung und Bezahlung als gültig an.

4. Die Organe der sowjetischen Streitkräfte überwachen die Verkehrssicherheit der von ihnen zugelassenen Fahrzeuge.

5. Fahrzeuge der sowjetischen Streitkräfte beachten die in der Deutschen Demokratischen Republik gültigen Verkehrsregeln.

Artikel 5. Bei strafbaren Handlungen, die von Personen, die den sowjetischen Streitkräften angehören, oder von deren Familienangehörigen auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik begangen werden, wird grundsätzlich das deutsche Recht von den Organen der Deutschen Demokratischen Republik angewandt.

Artikel 6. Die Bestimmung des Artikels 5 dieses Abkommens findet keine Anwendung:
a) wenn Personen, die den sowjetischen Streitkräften angehören oder deren Familienangehörige strafbare Handlungen gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, gegen Personen, die den sowjetischen Streitkräften angehören oder deren Familienangehörige begehen;
b) wenn Personen, die den sowjetischen Streitkräften angehören, strafbare Handlungen bei der Ausübung dienstlicher Obliegenheiten begehen.

Für die unter Punkt a) und b) genannten Fälle wird das sowjetische Recht von den Organen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken angewandt.

Artikel 7. Die zuständigen deutschen und sowjetischen Organe können gegenseitig beantragen, die Rechtsprechung hinsichtlich einzelner Fälle, die in den Artikeln 5 und 6 vorgesehen sind, zu übergeben oder zu übernehmen. Derartige Anträge werden wohlwollend geprüft.

Artikel 8. Bei strafbaren Handlungen gegen die sowjetischen Streitkräfte, die auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationiert sind sowie gegen Personen, die ihnen angehören, werden die Schuldigen die gleiche Verantwortung vor den Gerichten und den anderen zuständigen Organen der Deutschen Demokratischen Republik tragen, wie für strafbare Handlungen gegen die Streitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik und gegen Personen, die ihnen angehören.

Artikel 9. 1. Die zuständigen deutschen und sowjetischen Organe werden einander jegliche Unterstützung einschließlich Rechtshilfe bei der Verfolgung von strafbaren Handlungen, die in den Artikeln 5, 6 und 8 dieses Abkommens genannt sind, gewähren.

2. Die Grundsätze und das Verfahren der Unterstützung, von der in Punkt 1 dieses Artikels die Rede ist, wie auch die Hilfe in Zivilsachen, die im Zusammenhang mit dem Aufenthalt sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik entstehen, werden durch Vereinbarung zwischen den zuständigen Organen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken festgelegt.

Artikel 10. Auf Ersuchen der zuständigen staatlichen Organe der Deutschen Demokratischen Republik wird eine den sowjetischen Streitkräften angehörende Person, die sich einer Verletzung des deutschen Rechts schuldig gemacht hat, vom Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik abberufen.

Artikel 11. Die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken erklärt sich bereit, der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik den materiellen Schaden, der Institutionen und Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik oder auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik befindlichen Bürgern dritter Staaten durch Handlungen oder Unterlassungen sowjetischer Truppeneinheiten oder der ihnen angehörenden Personen sowie deren Familienangehörigen zugefügt werden sollte, zu ersetzen. Die Festlegung des Umfangs des Schadens, über den keine Einigung zwischen den interessierten Seiten erzielt wird, erfolgt:
a) wenn dieser Schaden durch Handlungen oder Unterlassungen sowjetischer Truppeneinheiten oder ihnen angehörender Personen bei der Ausübung dienstlicher Obliegenheiten zugefügt wurde - durch Vertreter einer Gemischten Kommission auf der Grundlage der erhobenen Ansprüche und unter Berücksichtigung des deutschen Rechts;
b) wenn dieser Schaden im Ergebnis von Handlungen oder Unterlassungen von den sowjetischen Streitkräften angehörenden Personen nicht bei der Ausübung dienstlicher Obliegenheiten sowie infolge von Handlungen oder Unterlassungen von Familienangehörigen dieser Personen zugefügt wurde - durch Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der erhobenen Ansprüche und des deutschen Rechts.

Artikel 12. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik erklärt sich bereit, der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken den materiellen Schaden, der den sowjetischen Streitkräften, die sich auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik befinden und dem sowjetischen Streitkräften angehörenden Personen oder ihren Familienangehörigen durch Handlungen oder Unterlassungen der Institutionen oder der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zugefügt werden sollte, zu ersetzen. Der Umfang des Schadens, über den keine Einigung zwischen der beiden interessierten Seiten erzielt wird, wird nach dem gleichen Verfahren bestimmt, das im Artikel 11 dieses Abkommens festgelegt ist.

Artikel 13. Die Abkommenspartner leisten den in den Artikeln 11 und 12 geregelten Schadensersatz innerhalb von drei Monaten nach einer entsprechenden Entscheidung dar Gemischten Kommission oder einem rechtskräftigen Urteil der zuständigen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik.

Artikel 14. Die Bestimmungen der Artikel 11, 12 und 13 werden auch in bezug auf die Schadensersatzansprüche angewendet, die nach dem Inkrafttreten des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 20. September 1955 entstanden und bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens nicht befriedigt worden sind.

Artikel 15. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gewährt den sowjetischen Streitkräften weiterhin das Recht der Benutzung für Kasernenkomplexe, Flugplätze, Übungsgelände, Truppenübungsplätze mit Ausstattung und Anlagen, Wahn- und andere Bauten und Einrichtungen, Geländeabschnitte, Eisenbahn-Zufahrtsstrecken, Verkehrsmittel, Post-, Fernmelde- und Funkanlagen sowie die Inanspruchnahme von elektrischem Strom, kommunalen Dienstleistungen, Handelsleistungen, Bauleistungen und sonstigen Sach- und Werkleistungen, die die sowjetischen Streitkräfte zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens in Anspruch nehmen. Die Ordnung und die Bedingungen für die Inanspruchnahme der obengenannten Objekte und Mittel sowie von Leistungen aller Art durch die sowjetischen Streitkräfte werden durch Sonderabkommen der zuständigen Organe der Abkommenspartner festgelegt.

Artikel 16. Für den Bau von Gebäuden, Flugplätzen, Straßen, Brücken und ständigen Fernmelde- und Funkanlagen für die Bedürfnisse der sowjetischen Streitkräfte ist die Zustimmung der zuständigen staatlichen Organe der Deutschen Demokratischen Republik erforderlich.

Artikel 17. 1. Die von den sowjetischen Streitkräften benutzten Objekte und Mittel, die in Artikel 15 dieses Abkommens erwähnt sind, werden, wenn kein Bedarf mehr vorliegt, der Deutschen Demokratischen Republik ohne jegliche Entschädigung der Aufwendungen, die der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durch die Einrichtung, Renovierung. oder den Umbau solcher Objekte und Mittel entstanden sind, übergeben,

2. Die Regelung der Fragen, die in Zusammenhang mit der Übergabe der in Artikel 16 dieses Abkommens genannten Objekte und Mittel stehen, wird auf der Grundlage von besonderen Vereinbarungen erfolgen.

Artikel 18. Im Falle der Bedrohung der Sicherheit der sowjetischen Streitkräfte, die auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationiert sind, kann das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in der Deutschen Demokratischen Republik bei entsprechender Konsultation der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und unter Berücksichtigung der entstandenen Lage und der Maßnahmen, die durch die staatlichen Organe der Deutschen Demokratischen Republik eingeleitet werden, Maßnahmen, zur Beseitigung einer derartigen Bedrohung treffen.

Artikel 19. Zur Regelung von Fragen, die' mit der Anwendung dieses Abkommens zusammenhängen, wird eine Gemischte deutsch-sowjetische Kommission gebildet, für die jeder Abkommenspartner drei Vertreter benennt, wobei das Prinzip der Einstimmigkeit beider Seiten bei der Annahme von Beschlüssen gelten wird.

Die Gemischte Kornmission gibt sich ein Statut. Sitz der Gemischten Kommission wird Berlin sein, Sollte die Gemischte Kommission eine ihr übergebene Frage nicht lösen können, so wird diese Frage auf diplomatischem Wege in möglichst kurzer Frist geklärt.

Artikel 20. 1. "Personen, die den sowjetischen Streitkräften angehören", sind:
a) Militärpersonen der Sowjetarmee,
b) Zivilpersonen, die sowjetische Staatsbürger sind und in den Einheiten der sowjetischen Streitkräfte in der Deutschen Demokratischen Republik arbeiten,

2. "Familienangehörige der den sowjetischen Streitkräften angehörenden Personen" sind:
a) Ehegatten,
b) unverheiratete Kinder,
c) nahe Verwandte, die von ihnen unterhalten werden,
soweit die genannten Ehegatten, Kinder oder Verwandten Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sind.

3. "Standort" ist das den sowjetischen Streitkräften zur Verfügung gestellte Territorium, das die Stationierungsbereiche der Truppeneinheiten mit Übungsgelände, Schießplätzen, Truppenübungsplätzen und anderen Objekten, die von diesen Einheiten benutzt werden, umfaßt.

Artikel 21. Dieses Abkommen bedarf der Bestätigung in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der Abkommenspartner. Es tritt am Tage des Notenaustausches über die erfolgte Bestätigung in Kraft.

Artikel 22. Dieses Abkommen bleibt in Übereinstimmung mit dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 20. September 1955 für die Zeit der Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft und kann von den Abkommenspartnern in gegenseitigem Einverständnis abgeändert werden.

    Dieses Abkommen wurde in Berlin am 12. März 1957 in zwei Exemplaren, jedes in deutscher und russischer Sprache, ausgefertigt, wobei beide Texte gleiche Gültigkeit besitzen.

    Zur Beglaubigung dessen haben die oben genannten Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und mit Siegeln versehen.

In Vollmacht der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik
Dr. Lothar Bo1z
Stoph

In Vollmacht der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
A. Gromyko
G. Shukow


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1957 S. 237
© 26. November 2004

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