vom 12. September 1960
Durch das Ableben des Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Wilhelm Pieck, hat die Bevölkerung unserer Republik und das ganze deutsche Volk einen großen und schmerzlichen Verlust erlitten. Getragen von der großen Verantwortung für die Erhaltung des Friedens, für die sozialistische Zukunft der Deutschen Demokratischen Republik, zur weiteren Festigung und Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und zur Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer und einheitlicher Staat wird die Bildung des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik beschlossen.
§ 1. Der Abschnitt V. der Verfassung mit den Artikeln 101-108 erhält folgende Fassung:
"V. Staatsrat der Republik
Artikel 101. Der Staatsrat der Republik wird von der Volkskammer auf die Dauer von vier Jahren gewählt.
Nach Ablauf der Wahlperiode setzt der Staatsrat seine Tätigkeit bis zur Wahl des neuen Staatsrates durch die Volkskammer fort.
Artikel 102. Der Staatsrat der Republik besteht aus dem Vorsitzenden, sechs Stellvertretern des Vorsitzenden, 16 Mitgliedern und dem Sekretär.
Der Vorsitzende leitet die Arbeit des Staatsrates.
Artikel 103. Der Vorsitzende, die Steilvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates der Republik leisten bei ihrem Amtsantritt der Volkskammer folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dein Wohle des deutschen Volkes widmen, die Verfassung und die Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."
Artikel 104. Der Staatsrat der Republik ist der Volkskammer rechenschaftspflichtig.
Der Staatsrat der Republik verkündet die Gesetze der Republik.
Die Unterzeichnung erfolgt durch den Vorsitzenden des Staatsrates.
Artikel 105. Der Vorsitzende des Staatsrates der Republik verpflichtet die Regierungsmitglieder bei ihrem Amtsantritt.
Artikel 106. Der Staatsrat der Republik
schreibt die Wahlen zur Volkskammer aus und beruft die erste
Tagung der Volkskammer nach der Neuwahl ein;
kann eine allgemeine Volksbefragung vornehmen; ratifiziert
und kündigt internationale Verträge der Deutschen Demokratischen Republik;
ernennt die bevollmächtigten Vertreter der Deutschen
Demokratischen Republik in anderen Staaten und beruft sie ab;
nimmt Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben der bei ihm
akkreditierten diplomatischen Vertreter anderer Staaten entgegen;
gibt allgemein verbindliche Auslegungen der Gesetze;
erläßt Beschlüsse mit Gesetzeskraft;
faßt grundsätzliche Beschlüsse zu Fragen der Verteidigung und
Sicherheit des Landes;
bestätigt grundsätzliche Anordnungen des Nationalen
Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik;
beruft die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der
Deutschen Demokratischen Republik; legt die militärischen Dienstgrade,
diplomatischen Ränge und andere spezielle Titel fest;
verleiht Orden und andere hohe Auszeichnungen und Ehrentitel;
übt das Begnadigungsrecht aus.
Artikel 107. Der Staatsrat der Republik wird nach außen von seinem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter vertreten.
Der Vorsitzende des Staatsrates vertritt die Republik völkerrechtlich.
Artikel 108. Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates der Republik können durch Beschluß der Volkskammer abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten."
§ 2. In der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik werden folgende Worte ersetzt:
a) im Aufbau der Verfassung, Abschnitt C "V. Präsident der Republik" durch "V. Staatsrat der Republik"
b) in Artikel 63
"die Wahl des Präsidenten der Republik" durch "die Wahl des
Staatsrates der Republik"
c) in Artikel 66
"von dem Präsidenten der Republik" durch "von dem Staatsrat
der Republik"
d) in Artikel 85 Absatz 1
"vom Präsidenten der Republik" durch "vom Vorsitzenden des
Staatsrates der Republik"
e) in Artikel 93
"vom Präsidenten der Republik" durch "vom Vorsitzenden des
Staatsrates der Republik".
§ 3. In Artikel 55 Absatz 1 der
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik werden folgende Worte
gestrichen:
"falls sie nicht vom bisherigen Präsidium früher einberufen
wird,"
In Artikel 58 Absatz 3 der Verfassung
der Deutschen Demokratischen Republik werden folgende Worte gestrichen:
"er beraumt den Termin für Neuwahlen an." .
§ 4. Dieses Gesetz tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und wird hiermit verkündet.
in Kraft getreten am 12. September 1960; verkündet am 13. September 1960.
siehe auch das Gesetz
über die Anpassung von gesetzlichen Bestimmungen an die Bildung des Staatsrates
der DDR vom 4. Oktober 1960 (GBl. I. S. 532), die neben Änderungen dreier
Gesetze auch verfassungsrechtliche und andere Bestimmungen für den Staatsrat
enthielt:
"§ 3. Dem Vorsitzenden, den Stellvertretern des Vorsitzenden, den
Mitgliedern und dem Sekretär des Staatsrates der Republik stehen die in den
Artikeln 67, 68, 69 und 70 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
enthaltenen Rechte zu.
§ 5. (1) Die prozessualen Rechte, die der Präsident der Republik nach den
Prozeßordnungen hatte, stehen dem Vorsitzenden des Staatsrates der Republik zu.
(2) Falls die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder oder der Sekretär
des Staatsrates der Republik als Zeugen vernommen werden sollen, sind die
Bestimmungen der §§ 43 und 48 Abs. 4 der Strafprozeßordnung entsprechend
anzuwenden."
Das vorstehende, verfassungsmäßig zustandegekommene Gesetz wird hiermit ausgefertigt.
Berlin, den 13. September 1960
Dr. Dieckmann
Präsident der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik