Gesetz über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland
-Reisegesetz-

vom 11. Januar 1990

geändert und ergänzt durch
Gesetz zur Regelung paßrechtlicher Fragen vom 31. Mai 1990 (GBl. I S. 273)

faktisch aufgehoben durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889).

§ 1. Geltungsbereich. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für: Privatreisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland.

 Grundsätze

§ 2. Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, jederzeit in das Ausland zu reisen und zu diesem Zweck einen Reisepaß der Deutschen Demokratischen Republik zu erhalten. Er hat das Recht, jederzeit in die Deutsche Demokratische Republik einzureisen.

§ 3. (1) Minderjährige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Kinder) können nur in Begleitung von Erziehungsberechtigten oder eines von ihnen Beauftragten in das Ausland reisen.

(2) Kinder werden auf Antrag von Erziehungsberechtigten in deren Reisepaß eingetragen.

(3) Jugendliche zwischen dem vollendeten 14. und 18. Lebensjahr können einen Reisepaß auf Antrag der Erziehungsberechtigten erhalten.

(4) Für Reisen von Kindern in Begleitung von Beauftragten wird. auf Antrag der Erziehungsberechtigten ein Kinderausweis ausgestellt. Sofern Staaten den Kinderausweis der Deutschen Demokratischen Republik nicht anerkennen, wird für Kinder ein Reisepaß ausgestellt.

§ 4. (1) Der Reisepaß hat eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren. Sie ist auf Antrag des Bürgers zu verlängern.

(2) Auf Antrag ist dem Bürger ein Reisepaß mit einer kürzeren Gültigkeitsdauer auszustellen.

(3) Für die Ausstellung eines Reisepasses, die Verlängerung der Gültigkeitsdauer und für die Neuausstellung nach Verlust werden Gebühren entsprechend den Rechtsvorschriften erhaben.

§ 5. Die für Privatreisen erforderlichen Einreise- und Transitvisa anderer Staaten sind von den Bürgern einzuholen.

§ 6. Antragstellung und Bearbeitungsfristen. (1) Die Ausstellung eines Reisepasses ist bei der für die Haupt- oder Nebenwohnung des Antragstellers zuständigen Dienststelle der Deutschen Volkspolizei persönlich und formgebunden zu beantragen. Der Antrag ist vom Antragsteller zu unterschreiben.

(2) Der Reisepaß ist innerhalb von 3 Wochen - und in dringenden Fällen innerhalb von 3 Arbeitstagen - auszustellen.

Paßversagung und Paßentzug

§ 7. Die Ausstellung eines Reisepasses darf nur versagt werden;; wenn gegen den betreffenden Bürger wegen des Verdachts einer vorsätzlich begangenen Straftat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, ein Strafverfahren noch nicht abgeschlossen oder eine Strafe zu verwirklichen ist.

§ 8. (1) Der Reisepaß kann einem Bürger zeitweilig befristet entzogen werden wenn
a) Paßversagungsgründe nach § 7 vorliegen,
b) er ohne staatlichen Auftrag oder ohne Genehmigung einer entgeltlichen Tätigkeit im Ausland nachgeht und von daraus erzieltem Einkommen teilweise oder vollständig seinen Lebensunterhalt in der Deutschen Demokratischen Republik bestreitet oder dieses Einkommen zu spekulativen Zwecken oder zu anderen rechts widrigen Handlungen verwendet,
c) er schwerwiegend gegen zoll- oder devisenrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Ein schwerwiegender Zoll- oder Devisenverstoß liegt vor, wenn
    - entgegen den Rechtsvorschriften Gegenstände oder Zahlungsmittel im Wertumfang über 3 000 Mark oder einzelne Gegenstände ein- oder ausgeführt werden, die aufgrund ihres Charakters' eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der menschlichen Gesundheit bewirken können (z. B. Suchtmittel, Schußwaffen u. ä.) oder als Kulturgut zu schützen sind
    - die Handlungen entgegen zoll- oder devisenrechtlichen Bestimmungen von mehreren Personen gemeinschaftlich organisiert oder begangen werden oder
    - wiederholt innerhalb von 2 Jahren zoll- oder devisenrechtliche Bestimmungen verletzt wurden und dabei die Verstöße den Wertumfang von 4 000 Mark übersteigen.

(2) Die Dauer des Entzuges richtet sich bei Buchst. a nach en Erfordernissen der Maßnahmen gemäß § 7. In den anderen Fällen kann der Reisepaß für eine konkret zu bestimmende Zeit, maximal für 2 Jahre, entzogen werden.

§ 9. Die Ausstellung eines Reisepasses nach einer Paßversagung gemäß § 7 und die Rückgabe nach zeitweiligem Entzug gemäß 8 erfolgt auf Antrag, wenn die Frist für den Entzug abgelaufen ist oder wenn die Gründe, die zur Paßversagung oder um Entzug führten, nicht mehr vorliegen.

§ 10. Entscheidung. (1) Entscheidungen gemäß den §§ 7 bis 9 trifft der Leiter Paß- und Meldewesen des für die Haupt- oder Nebenwohnung des Bürgers zuständigen Volkspolizei-Kreisamtes.

(2) Eine Entscheidung, die Rechte des Bürgers einschränkt; die in diesem Gesetz geregelt sind; ist dem Bürger schriftlich mitzuteilen sowie sachlich und rechtlich zu begründen. Sie hat eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Rechtsmittel und gerichtliche Nachprüfung

§ 11. (1) Gegen eine nach diesem Gesetz und den zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften getroffene Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Beschwerde ist schriftlich oder mündlich innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zugang der Entscheidung bei er Dienststelle einzulegen, in der die Entscheidung getroffen wurde.

(3) Über die Beschwerde ist innerhalb von einer Woche nach ihrem Eingang zu entscheiden. Wird der Beschwerde nicht stattgegeben, ist sie innerhalb dieser Frist dem übergeordneten Leiter Paß- und Meldewesen zur Entscheidung zuzuleiten. Der Einreicher der Beschwerde ist davon zu informieren. Der übergeordnete Leiter Paß- und Meldewesen hat innerhalb einer weiteren Woche abschließend zu entscheiden.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ist dem Einreicher der Beschwerde schriftlich mitzuteilen sowie sachlich und rechtlich zu begründen.

§ 12. (1) Gegen eine Entscheidung nach diesem Gesetz und den seiner Durchführung erlassenem Rechtsvorschriften, die ebenfalls der Volkskammer vorzulegen sind, kann der Betroffene, wenn seiner Beschwerde nicht abgeholfen wurde, innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der abschließenden Entscheidung Antrag auf Nachprüfung durch das Gericht stellen.

(2) Das Gericht kann in der Sache selbst entscheiden.

§ 13. Versagung der Ausreise und vorläufiger Paßentzug. (1) Wurde gemäß dem § 8 einem Bürger der Reisepaß zeitweilig entzogen und konnte diese Entscheidung durch die Deutsche Volkspolizei nicht realisiert werden, haben die Grenzkontrollorgane der Deutschen Demokratischen Republik diesem Bürger eine Ausreise zu versagen und den Paßentzug zu realisieren.

(2) Die Grenzkontrollorgane sind auch dann befugt, die Ausreise zu versagen und den Reisepaß vorläufig zu entziehen, wenn sie Tatsachen feststellen, die einen zeitweiligen Paßentzug rechtfertigen.

(3) Werden von den dafür zuständigen Organen Gründe festgestellt, die einen zeitweiligen Paßentzug gemäß § 8 rechtfertigen, sind sie zum vorläufigen Paßentzug berechtigt.

(4) Die Organe, die einen Reisepaß vorläufig entzogen haben, veranlassen unverzüglich die Herbeiführung der Entscheidung über den zeitweiligen Paßentzug gemäß den §§ 8 und 10 Abs. 1, die innerhalb von 2 Wochen zu treffen ist.

Sonstige Bestimmungen

§ 14. (1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, Reisezahlungsmittel zu erwerben.

(2) Die Volkskammer beschließt jährlich über den Betrag an Reisezahlungsmitteln, der für die Bürger im Folgejahr bereitgestellt wird.

§ 15. (1) Für Staatenlose mit ständigem Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend.

(2) Die Regelung des § 14 Abs. 1 gilt für Ausländer mit ständigem Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik - Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen - entsprechend.

§ 16. Übergangsbestimmungen. Vorübergehend kann für Reisen an Stelle des Reisepasses der Personalausweis mit Visum oder einer dem Visum gleichgestellten Berechtigung verwendet werden.

Durch Gesetz vom 31. Mai 1990 wurde zum § 1 ergänzend und einschränkend mit Wirkung vom 1. Juni 1990 bestimmt:
"§ 1. Bürger der Deutschen Demokratischen Republik können Reisen nach der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) mit dem Personalausweis oder Reisepaß für Bürger der Deutschen Demokratischen Republik durchführen.
§ 2. Der § 1 des Paßgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Juni 1979 (GBl. I Nr. 17 S. 148) in der Fassung der Ziffer 2 der Anlage zum Gesetz vom 11. Januar 1990 zur Anpassung rechtlicher Regelungen an das Reisegesetz (GBl. I Nr. 3 S. 10) und der § 16 des Reisegesetzes vom 11. Januar 1990 (GBl. I Nr. 3 S. 8) finden im Falle des § 1 dieses Gesetzes keine Anwendung.."

Schlußbestimmungen

§ 17. Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften erläßt der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik.

§ 18. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. Februar 1990 in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
a) die Verordnung vom 30. November 1988 über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland (GBl. I Nr. 25 S. 271),
b) die Erste Durchführungsbestimmung vom 14. März 1989 zur Verordnung über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Ausland (GBl. I Nr. 8 S. 119).

Das vorstehende, von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am elften Januar neunzehnhundertneunzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den achtzehnten Januar neunzehnhundertneunzig

Der amtierende Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Prof. Dr. Gerlach


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I. S. 8
© 22. Februar 2005

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