Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau

vom 27. September 1950

geändert durch
Gesetz vom 28. Mai 1958 (GBl. I. S. 416)
Gesetz vom 12. April 1961 (GBl. I. S. 49)
Gesetz vom 9. März 1972 (GBl. I S. 89)

aufgehoben durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II. S. 889)

Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hat die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau festgelegt und alle Gesetze aufgehoben, die die Frau gegenüber dem Mann benachteiligten. Im Zuge des Aufbaues der Deutschen Demokratischen Republik hat sich die Lage der Frau im gesellschaftlichen Leben von Grund auf geändert. Nunmehr sind für die Frau die Voraussetzungen gegeben, sich als bewußte Staatsbürgerin im praktischen Leben zum Wohle des ganzen Volkes zu betätigen; dies gilt sowohl für die Mitarbeit der Frau in der Verwaltung als auch für die Gestaltung des gesamten öffentlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens.

Zur weiteren Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung ist aber eine noch größere und aktivere Teilnahme der Frau am gesellschaftlichen Leben erforderlich. Daher müssen weitere Maßnahmen getroffen werden, die nicht nur die rechtlichen, sondern auch die tatsächlich noch bestehenden Ungleichheiten beseitigen. Das in der Verfassung festgelegte Prinzip der völligen Gleichberechtigung der Frau muß in neuen Rechtsformen seinen Ausdruck finden.

Unsere soziale Ordnung hat der Frau nicht nur ihre volle Entfaltung im politischen und wirtschaftlichen Leben ermöglicht, sondern sichert ihr auch eine glückliche Mutterschaft und staatliche Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder im Geiste des Friedens, des Fortschritts und der Demokratie.

Die Kinder sind die Zukunft der Nation, und deshalb ist die Sorge um die Kinder; die Festigung der Familie und die Förderung des Kinderreichtums eine der vornehmsten Aufgaben unseres demokratischen Staates. Kinderreichen Familien und alleinstehenden Müttern, die durch den Krieg oder aus anderen Gründen an einer Eheschließung gehindert wurden, ist durch geldliche Unterstützung und durch Schaffung sozialer Einrichtungen eine weitgehende Hilfe zu gewähren.

Zur Verwirklichung dieser Grundsätze beschließt die Provisorische Volkskammer dieses Gesetz:

I. Staatliche Hilfe für Mütter und Kinder

§ 1. Zur Verbesserung der materiellen Lage der kinderreichen Familien und zur Förderung des Kinderreichtums werden staatliche Unterstützungen gewährt.

§ 2. (1) Kinderreiche Mütter erhalten
bei der Geburt des dritten Kindes
    eine einmalige Beihilfe von 100 DM,
bei der Geburt des vierten Kindes
    eine einmalige Beihilfe von 250 DM,
bei der Geburt jedes weiteren Kindes
    eine einmalige Beihilfe von 500 DM:

(2) Mütter mit mehr als drei Kindern erhalten eine laufende staatliche Unterstützung, und zwar:
für das vierte Kind in Höhe von 20 DM monatlich,
für jedes weitere Kind in Höhe von 25 DM monatlich.

Diese Unterstützung wird bis zum vollendeten 14. Lebensjahr des Kindes gezahlt.

Durch Gesetz vom 28. Mai 1958 erhielt der § 2 mit Wirkung vom 1. Juni 1958 folgende Fassung:
"§ 2. (1) Mütter erhalten eine Beihilfe
bei der Geburt des ersten Kindes
    in Höhe von 500 DM,
bei der Geburt des zweiten Kindes
    in Höhe von 600 DM,
bei der Geburt des dritten Kindes
    in Höhe von 700 DM,
bei der Geburt des vierten Kindes
    in Höhe von 850 DM,
bei der Geburt jedes weiteren Kindes
    in Höhe von 500 DM;
die gegen Vorlage der von der für den Wohnbezirk zuständigen Schwangerenberatungsstelle ausgestellten Mütterkarte in Teilbeträgen zu zahlen ist.
(2) Stillende Mütter erhalten bis zur Dauer von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes eine Beihilfe in Höhe von monatlich 10 DM.
(3) Mütter mit mehr als drei Kindern erhalten ungeachtet eines Ansprhchs auf den staatlichen Kinderzuschlag gemäß § 6 des Gesetzes vom 28. Mai 1958 über die Abschaffung der Lebensmittelkarten (GBl. I. S. 413) eine laufende staatliche Unterstützung, und zwar
    für das vierte Kind in Höhe von 20 DM monatlich,
    für jedes weitere Kind in Höhe von 25 DM monatlich.
Diese Unterstützung wird bis zum vollendeten 14. Lebensjahr des Kindes gezahlt.
(4) Die Leistungen gemäß den Absätzen 1 bis 3 erhalten
a) Sozialpflichtversicherte oder deren leistungsberechtigte Familienangehörige,
b) Mütter, die keinen Anspruch auf die Leistungen der Sozialversicherung haben, soweit die Muter selbst oder ihr im gemeinsamen Haushalt lebender Ehegatte in der Deutschen Demokratischen Republik oder im Demokratischen Sektor von Groß-Berlin tätig ist.
(5) Das Verfahren für die Gewährung und die Auszahlung der Leistungen gemäß den Absätzen 1 bis 3 ist in Durchführungsbestimmungen zu regeln."

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde zu § 2 Abs. 2 bestimmt:
"Diese Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 1990 in Kraft und gilt über diesen Zeitpunkt hinaus nur noch für Geburten vor dem 1. Januar 1991."
Die weiteren Bestimmungen des Gesetzes waren mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland aufgehoben.

§ 3. (1) Gibt eine alleinstehende Mutter ihr Kind zur Erziehung in ein Kinderheim, so wird das Kind völlig auf Staatskosten unterhalten und erzogen. Für die Zeit der Unterbringung des Kindes im Kinderheim wird die staatliche Unterstützung für das Kind an die Mutter nicht ausgezahlt.

(2) Die Mutter kann ihr Kind jederzeit aus dem Kinderheim zurücknehmen und die Erziehung selbst übernehmen.

(3) Die alleinstehende arbeitende Mutter kann beanspruchen, daß ihr Kind bevorzugt in Kinderkrippen, Kindertagesstätten und Kinderheimen aufgenommen wird.

§ 4. Zum Schutze der Kinder und zur gründlichen Verbesserung der ärztlichen Betreuung der Kinder sind in der Zeit von 1951 bis 1955 zu errichten:
1. 15 Kinderpolikliniken in Großstädten und Industriezentren,
2. Kinderabteilungen mit insgesamt 1000 Betten in den im Bau befindlichen neuen Krankenhäusern,
3. Kinderheime für Kleinkinder mit insgesamt 60 000 Plätzen.

§ 5. (1) Um die Heranziehung der Frauen zur gesellschaftlichen schöpferischen Arbeit, zur aktiven Arbeit in den Organen der staatlichen und kommunalen Verwaltungen, zur politischen und kulturellen Tätigkeit sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande zu ermöglichen, sind in den nächsten fünf Jahren zu errichten:
1. Kinderkrippen mit insgesamt 40 000 Plätzen, hierfür sind 40 000 000 DM zur Verfügung zu stellen,
2. Kindertagesstätten mit insgesamt 160 000 Plätzen.

(2) Bei der Errichtung von Kindertagesstätten und Kinderkrippen sind die Bedürfnisse der werktätigen Frauen auf dem Lande besonders zu berücksichtigen.

§ 6. (1) Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierungen der Länder haben im Laufe der Jahre 1951 bis 1955 zusätzlich zu den vorhandenen weitere 190 Mütter- und Kinderberatungsstellen zu eröffnen, damit in jedem Kreis durchschnittlich nicht weniger als drei Beratungsstellen vorhanden sind.

(2) Diesen Beratungsstellen obliegt:
1. die Registrierung sämtlicher schwangeren Frauen;
2. die laufende ärztliche Betreuung ihrer Gesundheit;
3. die hygienische Erziehung der schwangeren Frauen;
4. die allgemeine Beratung in sozialen und rechtlichen Fragen;
5: die ärztliche Betreuung der stillenden Mütter;
6. die ärztliche Beobachtung der Gesundheit und der Entwicklung der Kleinkinder bis zum 3. Lebensjahr.

(3) Für die Errichtung der Beratungsstellen sind 15 000 000 DM zur Verfügung zu stellen.

§ 7. (1) Für die Erholung schwangerer Frauen mit schwacher Gesundheit sind bis zum 1. Mal 1952 vom Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen besondere Erholungsheime mit insgesamt 2000 Plätzen zu errichten:

(2) Die Norm der zusätzlichen Lebensmittelrationen für schwangere Frauen ist vom 5. Monat der Schwangerschaft an und für stillende Mütter für die ganze Periode des Stillens, längstens jedoch für ein Jahr, zu verdoppeln.

Durch Gesetz vom 28. Mai 1958 wurde der § 7 Abs. 2  mit Wirkung vom 1. Juni 1958 aufgehoben.

§ 8. Zur Sicherung der ärztlichen Betreuung der Wöchnerinnen sind
1. in Großstädten und Industriezentren 10 vorbildliche Entbindungsheime mit je 60 bis 100 Betten zu errichten,
2. in den vorhandenen Krankenhäusern neue Entbindungsabteilungen mit einer Erhöhung der Gesamtzahl der Betten auf 2000 einzurichten.

§ 9. Die Deutsche Demokratische Republik mißt dem Gesundheitsschutz der Kinder und der Mütter außerordentliche Bedeutung bei. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierungen der Länder haben deshalb dem Bau, und der Arbeit der Frauen- und Kinderberatungsstellen, der Entbindungsheime, der Kinderkrippen, der Kindertagesstätten und Kinderwochenheime ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

§ 10. (1) Entsprechend dem Gesetz der Arbeit vom 19. April 1950 (GBl. S. 349) ist den arbeitenden Frauen Schwangerschafts- und Wochenurlaub für die Dauer von 5 Wochen vor der Geburt und 6 Wochen nach der Geburt zu gewähren. Bei einer unnormalen Geburt oder einer Mehrlingsgeburt wird der Urlaub nach der Geburt bis zu 8 Wochen verlängert.

(2) Die Leiter von Betrieben und Institutionen werden verpflichtet, den laufenden Jahresurlaub der schwangeren Frauen auf deren Verlangen an den Schwangerschafts- und Wochenurlaub anzuschließen.

(3) Die Schwangerschafts- und Wochenhilfe ist in Höhe des durchschnittlichen Monatseinkommens von der Sozialversicherung zu zahlen. Die Höhe des Betrages wird auf Grund des durchschnittlichen Einkommens der letzten 3 Monate vor der Arbeitsbefreiung berechnet.

(4) Bei der Geburt von Kindern versicherter Mütter ist von der Sozialversicherung eine einmalige Unterstützung zur Anschaffung einer Wäscheausstattung für jedes Neugeborene in Höhe von 50 DM zu zahlen.

(5) Die Ministerien für Industrie und für Handel , und Versorgung haben die notwendige Produktion  und die Versorgung des Handels mit Wäscheausstattungen für Neugeborene, mit Artikeln für die Wartung und Pflege der Kinder sowie mit Artikeln der Frauenhygiene sicherzustellen.

§ 11. (1) Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Frau und der Förderung der Geburtenzunahme ist eine künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft nur zulässig, wenn die Austragung des Kindes das Leben oder die Gesundheit der schwangeren Frau ernstlich gefährdet oder wenn ein Elternteil mit schwerer Erbkrankheit belastet ist. Jede andere Unterbrechung der Schwangerschaft ist verboten und` wird nach den bestehenden Gesetzen bestraft:

(2) Die Schwangerschaftsunterbrechung darf nur mit Erlaubnis einer Kornmission durchgeführt. werden, die sieh aus Ärzten, Vertretern der Organe des Gesundheitswesens und des Demokratischen Frauenbundes zusammensetzt. Die Mitglieder der Kommission unterliegen der Schweigepflicht. Die Verletzung der Schweigepflicht wird mit Gefängnis bestraft.

(3) Die Unterbrechung der Schwangerschaft darf nur von Fachärzten in Krankenhäusern durchgeführt werden.

(4) Das Nähere wird durch eine Verordnung geregelt, die das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz erläßt.

Durch Gesetz vom 9. März 1972 über die Unterbrechung der Schwangerschaft wurde der § 11 mit Wirkung vom 9. März 1972 aufgehoben.

II. Ehe und Familie

§ 12. Eine gesunde Familie ist einer der Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft. Ihre Festigung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik.

§ 13. Die Gleichstellung von Mann und Frau im gesellschaftlichen Leben bedingt ihre Gleichstellung im Familienrecht. Gesetze und Bestimmungen, die eine Beschränkung oder eine Minderung der Rechte der Frau im Familienrecht festlegten, sind mit Inkrafttreten der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik aufgehoben worden.

§ 14. Die Eheschließung hat für die Frau keine Einschränkung oder Schmälerung ihrer Rechte zur Folge. Das bisherige Alleinbestimmungsrecht des Mannes in allen Angelegenheiten des ehelichen Lebens ist zu ersetzen durch das gemeinsame Entscheidungsrecht beider Eheleute. Insbesondere soll über die Wahl des Wohnsitzes und der Wohnung, über die grundsätzlichen Fragen der Haushaltsführung, über die Erziehung der Kinder usw. nur gemeinsam entschieden werden.

§ 15. Durch die Eheschließung darf die Frau nicht gehindert werden, einen Beruf auszuüben oder einer beruflichen Ausbildung und ihrer gesellschaftlichen und politischen Fortbildung nachzugehen; auch wenn hierdurch eine zeitweilige örtliche Trennung der Eheleute bedingt wird.

§ 16. (1) Die elterliche Sorge, die das Recht und die Pflicht umfaßt, für die Kinder und ihr Vermögen zu sorgen, sowie das Recht, die Kinder zu vertreten, steht beiden Eheleuten gemeinschaftlich zu.

(2) Das Vormundschaftsgericht hat einem Elternteil, der allein die elterliche Sorge hat, auf Antrag, oder, wenn es im Interesse des Kindes geboten ist, von Amts wegen einen Beistand zu bestellen.

(3) Das Sorgerecht der Frau für ihre Kinder aus früheren Ehen erlischt nicht mit ihrer Wiederverheiratung.

§ 17. (1) Die nichteheliche Geburt ist kein Makel. Der Mutter eines nichtehelichen Kindes stehen die vollen elterlichen Rechte zu, die nicht durch die Einsetzung eines Vormundes für das Kind geschmälert werden dürfen. Zur Regelung der Ansprüche gegen den Vater sollen die unteren Verwaltungsbehörden nur noch als Beistand der Mutter tätig werden.

(2) Der Unterhalt, den die Mutter für das nichteheliche Kind zu beanspruchen hat, soll sich nach der wirtschaftlichen Lage beider Eltern richten.

§ 18. Das Ministerium der Justiz hat der Regierung bis Ende des Jahres 1950 einen den Grundsätzen dieses Abschnitts entsprechenden Entwurf eines Familienrechtsgesetzes vorzulegen.

III. Die Frau in der Produktion und der Schutz ihrer Arbeit

§ 19. (1) Auf der Grundlage der Gleichberechtigung ist den Frauen in erhöhtem Maße die Arbeit in der Industrie, im Transportwesen, in der Kommunalwirtschaft, im Handelswesen, in den Maschinen-Ausleihstationen und Volksgütern, in allen Organen der staatlichen Verwaltung, der Volksbildung, des Gesundheitswesens und anderen Institutionen der Deutschen Demokratischen Republik zu ermöglichen. Die Arbeit der Frauen in der Produktion soll sich nicht auf die traditionellen Frauenberufe beschränken, sondern auf alle Produktionszweige erstrecken, insbesondere der Elektroindustrie, der Optik, des Maschinenbaues, der Feinmechanik, der Holz- und Möbelindustrie, der Schuhindustrie sowie des Bau- und graphischen Gewerbes.

(2) Die Arbeitsbedingungen sind den physischen Besonderheiten der Frau anzupassen.

§ 20. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierungen der Länder sowie die Direktoren der volkseigenen und ihnen gleichgestellter Betriebe, der Maschinen-Ausleihstationen und der volkseigenen Güter, sowie die Inhaber von Privatbetrieben haben zur Förderung der Frau in der Produktion folgende Voraussetzungen zu schaffen:
a) Den Frauen ist eine ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeit in den Betrieben zu übertragen.
b) Das im Gesetz der Arbeit festgelegte Prinzip der gleichen Bezahlung für die gleiche Arbeit ist durchzuführen.
c) In allen Berufen sind Maßnahmen zur Qualifizierung der Frauen zu treffen. Es ist dafür zu sorgen, daß Frauen in höherem Maße als bisher in leitenden Stellungen arbeiten.

§ 21. Die Arbeitskräfte-Nachwuchspläne müssen die Ausbildung der Frau in qualifizierten Berufen bevorzugt sicherstellen.

§ 22. (1) Die alleinstehenden werktätigen Bäuerinnen sind durch Wirtschaftsberatungen und durch bevorzugte Übernahme landwirtschaftlicher Arbeiten seitens der Maschinen-Ausleihstationen im Rahmen ihrer Pläne besonders zu unterstützen. Ferner ist ihren Wirtschaften jede andere notwendige Hilfe durch die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, die landwirtschaftlichen Genossenschaften und durch Gewährung von Krediten für den Bau von Gehöften und Wirtschaftsgebäuden zu leisten. Das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft hat binnen eines Monats entsprechende Anweisungen zu erlassen. Dabei sind kinderreiche alleinstehende Bäuerinnen und Bäuerinnen, die in ihrer Wirtschaft keine arbeitsfähigen Personen haben, besonders zu berücksichtigen.      "

(2) In den Volkswirtschaftsplänen ist ab 1951 zur Entlastung der Landarbeiterinnen und Bäuerinnen die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, wie Kindertagesstätten, Waschanstalten, Nähstuben und Kükenaufzuchtstationen vorzusehen.

§ 23. Die Direktoren der volkseigenen und der ihnen gleichgestellten Betriebe, der Maschinen-Ausleihstationen und der volkseigenen Güter sowie die Inhaber von Privatbetrieben haben
1. für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Frauen in der Produktion Sorge zu tragen;
2. darüber zu wachen, daß die gesetzlichen Bestimmungen über das Verbot, Frauen schwere und gesundheitsschädliche Arbeiten zu übertragen, eingehalten werden;
3. beim Einsatz von Frauen in Überstunden und Nachtarbeit deren Verpflichtungen als Mutter von Kleinkindern weitestgehend zu berücksichtigen;
4. sanitäre, hygienische und soziale Einrichtungen für die arbeitenden Frauen zu schaffen.

§ 24. (1) Das Ministerium für Volksbildung hat in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und dem Ministerium für Planung die zur Betreuung der Kinder arbeitender Frauen erforderlichen Erziehungs- und Hilfskräfte sicherzustellen.

(2) Die Öffnungszeiten der Kinderkrippen und der Kindertagesstätten sind der Arbeitszeit der Frauen anzupassen.

§ 25. (1) Die Wohnungsämter haben alleinstehenden und kinderreichen arbeitenden Müttern bevorzugt Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

(2) Die Betriebsleiter haben bei der Einstellung von Arbeitskräften alleinstehenden Müttern den Vorzug zu geben.

IV. Teilnahme der Frau am staatlichen und gesellschaftlichen Leben

§ 26. (1) Alle Verwaltungsstellen in der Deutschen Demokratischen Republik müssen zusammen mit dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands, dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund und der Freien Deutschen Jugend in größerem Maße als bisher die Frauen zur Teilnahme an der staatlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Tätigkeit heranziehen.

(2) Die Zahl der weiblichen Bürgermeister, Stadt-, Land- und Kreisräte ist in das richtige Verhältnis zur tatsächlichen gesellschaftlichen Kraft der Frau in der Deutschen Demokratischen Republik zu bringen. Dazu sind planmäßige Lehrgänge zur Heranbildung leitender weiblicher Verwaltungsangestellten bei der Deutschen Verwaltungsakademie "Walter Ulbricht" zu organisieren.

(3) Teilnehmer dieser Sonderlehrgänge sowie aller Lehrgänge an Verwaltungsschulen und der Deutschen Verwaltungsakademie "Walter Ulbricht" sollen Frauen sein, die sich in den Betrieben, Organisationen und in der ehrenamtlichen Mitarbeit bereits bewährt haben und von den demokratischen Organisationen vorgeschlagen werden.

(4) Bei der Auswahl für Ehrenämter, insbesondere von Geschworenen, Schöffen und Beisitzern, Schiedsleuten, Hausvertrauensleuten, sowie bei der Wahl von ehrenamtlichen Funktionären der Sozialversicherung sind Frauen besonders zu berücksichtigen.

§ 27. (1) Die Organe der Volksbildung, insbesondere die Schulleiter und die Lehrer, sind verpflichtet, die Eltern, insbesondere die Mütter, bei der Erfüllung ihrer ehrenvollen Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder im Geiste des Friedens und der Demokratie tatkräftig zu unterstützen. Zu diesem Zweck hat das Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik die Veröffentlichung und Verbreitung von entsprechender Literatur für die Eltern zu veranlassen, die Einrichtung von Elternseminaren zu fördern und Vorträge über die richtige Erziehung der Kinder zu organisieren.

(2) Die Eltern, insbesondere die Mütter, sind für die aktive Teilnähme an der Arbeit der Schulen in erhöhtem Maße zu gewinnen.

§ 28. Das Amt für Information der Deutschen Demokratischen Republik hat
1. die Herausgabe von Literatur und die Herstellung von Filmen zu veranlassen, die die schöpferische Arbeit, die staatliche und gesellschaftliche Tätigkeit der Frauen in der Deutschen Demokratischen Republik, die Teilnahme der Frauen an der Friedensbewegung und der Bewegung der Nationalen Front des demokratischen Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik und in Westdeutschland widerspiegeln,
2. die Herausgabe von Literatur über die Lage der Frau in anderen Ländern, insbesondere in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, und über die internationale demokratische Frauenbewegung zu organisieren,
3. regelmäßige spezielle Rundfunksendungen für Frauen sicherzustellen, in denen die Bedürfnisse und Wünsche der Frauen besonders zu berücksichtigen sind.

§ 29. Sämtliche Verwaltungsorgane, Institutionen und Betriebe sind verpflichtet, die freiwillige Teilnahme von Frauen an der Arbeit der Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Kinderwochenheime, Erholungsheime, Kinderspielplätze, Milchküchen, Wäschereien, Flickstuben und anderer sozialer Institutionen mit allen Kräften zu fördern.

V. Schlußbestimmungen

§ 30. Die Verletzung des Verfassungsprinzips der Gleichberechtigung der Frauen, die in einer absichtlichen Einschränkung oder Schmälerung der Rechte, die der Frau im vorliegenden Gesetz gewährleistet werden, zum Ausdruck kommt, wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist.

§ 31. (1) Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen erläßt im Einvernehmen mit den jeweils zuständigen Fachministerien Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz.

(2) Das vorliegende Gesetz tritt am l. Oktober 1950 in Kraft.

(3) Gleichzeitig treten alle gesetzlichen Bestimmungen, die diesem Gesetz widersprechen, außer Kraft.

Die Liste dieser Bestimmungen ist im Gesetzblatt zu veröffentlichen. Das Ministerium der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik hat diese Liste der Regierung vorzulegen.

siehe zu Abs. 1 die Durchführungsbestimmungen vom 3. November 1950 (GBl. S. 1139, zu § 10),  vom 20. Januar 1951 (GBl. S. 37, zu §§ 2 und 3), vom 31. Januar 1951 (GBl. S. 118, zu § 27), vom 10. Februar 1953 (GBl. S. 390), geändert am 1. März 1954 (GBl. S. 233), vom 3. Juli 1953 (GBl. S. 818, zu § 6) und vom 1. März 1954 (GBl. S. 234).

    Berlin, den 27. September 1950

Das vorstehende, vom Präsidenten der Provisorischen Volkskammer unter dem achtundzwanzigsten September neunzehnhundertundfünfzig ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den ersten Oktober neunzehnhundertundfünfzig

Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik
W. Pieck


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1950 S. 1037
© 10. November 2004 - 29. Dezember 2004

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