Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik
(Gerichtsverfassungsgesetz)

vom 27. September 1974

geändert durch
Gesetz vom 18. Dezember 1987 (GBl. I. S. 302);
Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 (GBl. I S. 634), § 2.

aufgehoben durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II. S. 889), Anlage I, Kap. III., Sachgebiet A, Abschnitt III., Nr. 1

 

Inhaltsverzeichnis

nicht wiedergegeben

 

1. Kapitel
Grundsätze

§ 1. Gerichtssystem. (1) Die Rechtsprechung wird in der Deutschen Demokratischen Republik durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte; die Militärobergerichte und die Militärgerichte sowie die gesellschaftlichen Gerichte auf der Grundlage der Verfassung, der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübt.

(2) Ausnahmegerichte sind unstatthaft.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurden im § 1 Abs. 1 die Worte "die Militärobergerichte und die Militärgerichte" ersatzlos gestrichen.

§ 2. Geltungsbereich. (1) Dieses Gesetz regelt die Grundsätze der Rechtsprechung der Kreisgerichte, der Bezirksgerichte, der Militärgerichte, der Militärobergerichte und des Obersten Gerichts sowie die Aufgaben, die Zuständigkeit und die Organisation der Kreisgerichte, der Bezirksgerichte und des Obersten Gerichts und die Wahl der Richter und Schöffen dieser Gerichte.

(2) Die spezifischen Aufgaben, die Zuständigkeit und die Organisation der Militärgerichte und der Militärobergerichte sowie die. Wahl der Militärrichter und der Militärschöffen werden in der Militärgerichtsordnung bestimmt, die vom Nationalen Verteidigungsrat der Deutschen Demokratischen Republik erlassen wird.

(3) Die Grundsätze der Tätigkeit, die Aufgaben, die Zuständigkeit, die Organisation und die Arbeitsweise der gesellschaftlichen Gerichte sowie die Wahl ihrer Mitglieder werden durch das Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte und andere Rechtsvorschriften bestimmt.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 2 Abs. 1 die Worte "der Militärgerichte, der Militärobergerichte" ersatzlos gestrichen.
- wurde der § 2 Abs. 2 aufgehoben.

§ 3. Aufgaben der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung und die damit verbundene Tätigkeit der Gerichte haben zur Lösung der Aufgaben der sozialistischen Staatsmacht bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft beizutragen, vor allem
- die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung, die sozialistische Volkswirtschaft und das sozialistische Eigentum vor Angriffen und Beeinträchtigungen zu schützen,
- die gesetzlich garantierten Rechte und Interessen der Bürger zu schützen, zu wahren und durchzusetzen,
- die sozialistischen Beziehungen der Bürger untereinander, zur Gesellschaft und zu ihrem Staat zu fördern,
- das sozialistische Staats- und Rechtsbewußtsein der Bürger zu festigen und ihre gesellschaftliche Aktivität, Wachsamkeit und Unduldsamkeit gegen jegliche Rechtsverletzungen zu erhöhen,
- die gesetzlich garantierten Rechte und Interessen der Staatsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Genossenschaften, Einrichtungen :und gesellschaftlichen Organisationen zu schützen, zu wahren und durchzusetzen,
- die Leiter der Staatsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe, der Kombinate, der Betriebe und Einrichtungen, die Vorstände der Genossenschaften und die Leitungen der gesellschaftlichen Organisationen bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Gewährleistung von Gesetzlichkeit, Ordnung, Sicherheit und Disziplin zu unterstützen sowie auf die konsequente Erfüllung der mit dieser Verantwortung verbundenen Pflichten hinzuwirken.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 3 aufgehoben.

§ 4. Gegenstand der Rechtsprechung. (1) Die Gerichte verhandeln und entscheiden über Rechtsverletzungen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Rechtsangelegenheiten auf den Gebieten des Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts, soweit nicht durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften die Zuständigkeit anderer Organe begründet ist. Über andere Rechtsverletzungen, Rechtsstreitigkeiten oder Rechtsangelegenheiten verhandeln und entscheiden die Gerichte, wenn es durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften bestimmt wird.

(2) Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Gerichtsweges.

§ 5. Wählbarkeit und Unabhängigkeit der Richter und Schöffen. (1) Die Richter und Schöffen werden gewählt.

(2) Die Richter und Schöffen sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig. Sie sind nur an die Verfassung, die Gesetze und die anderen Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik gebunden:

(3) Die Schöffen üben- die richterliche Funktion mit der! gleichen Rechten und Pflichten eines Richters aus.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 5 Abs. 1 aufgehoben.

§ 6. Kollektivität der Rechtsprechung. Die Gerichte verhandeln und entscheiden als Kollegialorgane. Über die zu treffenden Entscheidungen beraten die hierzu berufenen Richter und Schöffen. Das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis ist zu wahren. In Verfahren vor dem Kreisgericht kann unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen ein Richter verhandeln und entscheiden.

§ 7. Ausschließung oder Ablehnung. (1) Von der Mitwirkung an der Verhandlung und Entscheidung der Gerichte sind Richter oder Schöffen ausgeschlossen; soweit das in Gesetzen vorgesehen ist.

(2) Richter oder Schöffen können abgelehnt werden, wenn berechtigte Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit bestehen.

(3) Das Verfahren bei Ausschluß und Ablehnung wird durch Gesetze bestimmt.

§ 8. Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und dem Gericht wird unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer Rasse, ihrem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis und ihrer sozialen Stellung garantiert.

§ 9. Mitwirkung an der Rechtsprechung. (1) In Wahrnehmung ihres demokratischen Grundrechts auf Mitgestaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten wirken die Bürger an der Rechtsprechung mit, insbesondere als Schöffen und Beauftragte von Kollektiven der Werktätigen und gesellschaftlichen Organisationen.

(2) Vertreter des FDGB sind berechtigt, in allen Arbeitsrechtsverfahren mitzuwirken.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 erhielt der § 9 folgende Fassung:
"§ 9. Mitwirkung an der Rechtsprechung. In Wahrnehmung ihres demokratischen Grundrechts auf Mitgestaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten nehmen die Bürger an der Rechtsprechung als ehrenamtliche Richter teil."

§ 10. Öffentlichkeit der Verhandlung. (1) Die Verhandlungen der Gerichte sind öffentlich.

(2) Die Öffentlichkeit kann nur ausgeschlossen werden, soweit Gesetze es zulassen.

(3) Die Gerichte können die Anwesenheit einzelner Personen in nichtöffentlichen Verhandlungen gestatten.

§ 11. Mündlichkeit der Verhandlung. Jeder am gerichtlichen Verfahren Beteiligte, über dessen Rechte und Interessen zu entscheiden ist, hat das Recht, an der Durchführung der Verhandlung mitzuwirken, sich zu äußern und Anträge zu stellen. Die Gerichte sind verpflichtet, die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen in der Verhandlung zu erörtern und der Entscheidung zugrunde zu legen.

§ 12. Gerichtssprache. (1) Die Gerichtssprache ist deutsch. Personen, die, die deutsche Sprache nicht beherrschen, können ihre Sprache oder, wenn das die Verständigung erleichtert, mit Zustimmung des Gerichts eine andere Sprache sprechen. Ihnen ist durch das Gericht unentgeltlich ein Dolmetscher zu stellen. Letzteres gilt auch für Gehörlose und Stumme.

(2) Sorben haben in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung das Recht, vor Gericht sorbisch zu sprechen.

§ 13. Recht auf Vertretung und Verteidigung. (1) Jeder Bürger hat das Recht, sich zur Wahrnehmung seiner gesetzlich geschützten Rechte und Interessen in Rechtsstreitigkeiten oder anderen Rechtsangelegenheiten auf den Gebieten des Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts vor Gericht vertreten zu lassen.  Die Vertretung Werktätiger in Arbeitsrechtsverfahren kann durch Vertreter des .FDGB wahrgenommen werden.

(2) Jeder Beschuldigte oder Angeklagte hat das Recht auf Verteidigung in Strafverfahren.

(3) Die Vertretung oder Verteidigung kann durch einen Rechtsanwalt erfolgen, der in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassen sein muß.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurden im § 13 Abs. 1 die Worte "des FDGB" ersetzt durch: "der Gewerkschaft".

§ 14. Mitwirkung des Staatsanwalts im Gerichtsverfahren. Der Staatsanwalt wirkt nach Maßgabe der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften im Gerichtsverfahren mit. Er erhebt die staatliche Anklage und vertritt sie vor Gericht und reicht in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren Klageschriften ein und stellt Anträge. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der richtigen Gesetzesanwendung legt er Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen ein und beantragt die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen oder die Wiederaufnahme durch rechtskräftige Entscheidung abgeschlossener Gerichtsverfahren,

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 14 Sätze 2 und 3 ersatzlos gestrichen.

§ 15. Gerichtliche Entscheidungen. Die Entscheidungen !der Gerichte ergehen- als Urteile oder Beschlüsse. Urteile werden im Namen des Volkes verkündet.

§ 16. Rechtsmittel und Kassation. (1) Gegen Entscheidungen der Kreisgerichte, Bezirksgerichte, Militärgerichte und Militärobergerichte, können Rechtsmittel innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt werden.

(2) Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte können durch Kassation aufgehoben werden. Der Antrag muß innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft beim zuständigen Gericht eingegangen sein. In Ausnahmefällen kann das Oberste Gericht zugunsten der Verurteilten die Zulässigkeit der Kassation eines Strafurteils beschließen; wenn diese Frist verstrichen ist.

(3) Entscheidungen der Gerichte dürfen nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen in der vom Gesetz bestimmten Art und Weise geändert oder aufgehoben werden.

Durch Gesetz vom 18. Dezember 1987 erhielt der § 16 Abs.1 folgende Fassung:
"(1) Gegen Entscheidungen der Kreisgerichte, Bezirksgerichte, Militärgerichte und des Obersten Gerichts können Rechtsmittel innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt werden."

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 16 Abs. 1 die Worte "Militärgerichte und Militärobergerichte" ersatzlos gestrichen.
- erhielt der § 16 Abs. 2 Satz 1 folgende Fassung:
"Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte in Strafsachen können durch Kassation zugunsten des Verurteilten aufgehoben werden."

§ 17. Zusammenarbeit mit den örtlichen Volksvertretungen. (1) Die Bezirks- und Kreisgerichte sind verpflichtet, in ihrer Tätigkeit zur Durchsetzung der Beschlüsse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe beizutragen. Sie unterstützen mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für den Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, des sozialistischen Eigentums sowie der Rechte der Bürger, für die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit, für die Festigung der Sicherheit und Ordnung im Territorium und für die allseitige Förderung gesellschaftlicher Initiativen zur Vorbeugung von Rechtsverletzungen.

(2) Die Richter haben den örtlichen Volksvertretungen; die sie gewählt haben, Bericht über die Erfüllung Ihrer Pflichten zur Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur gesellschaftlichen Wirksamkeit der Rechtsprechung zu erstatten.

(3) Die Schöffen berichten ihren Wählern über die Erfüllung der mit ihrer Wahl übernommenen Verpflichtungen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 17 aufgehoben.

§ 18. Zusammenarbeit mit anderen Organen. Die Gerichte arbeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit den anderen Justizorganen und den Sicherheitsorganen zusammen. Sie unterstützen mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen die anderen Staatsorgane, die wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen, die Vorstände des FDGB und die anderen gesellschaftlichen Organisationen sowie die Ausschüsse der Nationalen Front bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit, die Durchsetzung von Ordnung, Disziplin und Sicherheit  sowie die allseitige Förderung gesellschaftlicher Initiativen zur Vorbeugung von Rechtsverletzungen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 18 aufgehoben.

§ 19. Maßnahmen zur Beseitigung von Rechtsverletzungen und ihrer Ursachen und Bedingungen. (1) Stellen die Gerichte. bei der Durchführung von Verfahren Rechtsverletzungen in ;der Tätigkeit der anderen Staatsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Genossenschaften, Einrichtungen oder gesellschaftlichen Organisationen fest, haben sie durch begründeten Beschluß Kritik zu üben, die am deren Leiter oder Leitungen zu richten ist. Dabei ist auch die Beseitigung ;solcher Umstände zu fordern, die als Ursachen und Bedingungen für Rechtsverletzungen :festgestellt wurden.. Innerhalb von zwei Wochen ist zur Gerichtskritik Stellung zu nehmen.

(2) Stellen die Gerichte bei der Durchführung von Verfahren Ursachen und Bedingungen von Rechtsverletzungen in der Tätigkeit der anderen Staatsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe, Kombinate, Betriebe, Genossenschaften, Einrichtungen oder gesellschaftlichen Organisationen fest, haben sie auf ihre Beseitigung hinzuwirken. Sie sollen dazu den Leitern oder Leitungen Hinweise und Empfehlungen geben. Zentrale Leitungsorgane

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 19 aufgehoben.

§ 20. Verantwortung und Aufgaben des Obersten Gerichts. (1) Das Oberste Gericht leitet die Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der Gesetze und der anderen Rechtsvorschriften.

(2) Das Oberste Gericht sichert die einheitliche Anwendung und Auslegung der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften durch die eigene Rechtsprechung, die Analyse und Verallgemeinerung der Rechtsprechung der Gerichte sowie durch Richtlinien und Beschlüsse.

(3) Zur Lösung seiner Aufgaben arbeitet das Oberste Gericht mit dem Ministerium der Justiz, dem Generalstaatsanwalt und den zentralen Sicherheitsorganen sowie mit dem Bundesvorstand des FDGB zusammen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 20 aufgehoben.

§ 21. Verantwortung und Aufgaben des Ministeriums der Justiz. (1) Das Ministerium der Justiz übt die Anleitung ;der Bezirks- und Kreisgerichte aus, kontrolliert die Erfüllung der diesen Gerichten übertragenen Aufgaben und unterstützt sie bei der Verwirklichung der Ziele der Rechtsprechung-. Es studiert und analysiert die -Rechtsprechung und wertet die Ergebnisse seiner Kontrolltätigkeit für die Arbeit des Ministerrates sowie für die Qualifizierung der Mitarbeiter der Bezirks- und Kreisgerichte aus: Es informiert das Oberste Gericht  über Ergebnisse der Kontrolltätigkeit,  die für die Leitung der Rechtsprechung bedeutsam sind.

(2) Zur Erfüllung seiner Leitungsaufgaben führt das Ministerium !der Justiz Revisionen der Tätigkeit der Bezirks- und Kreisgerichte durch.

(3) Der Minister der Justiz kann beim Obersten Gericht den Erlaß von Richtlinien und Beschlüssen beantragen.

(4) Zur Lösung seiner Aufgaben arbeitet das Ministerium der Justiz mit dem Obersten Gericht, ,dem Generalstaatsanwalt und den zentralen Sicherheitsorganen sowie mit dem Bundesvorstand des FDGB zusammen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 erhielt der § 21 folgende Fassung:
"§ 21. Verantwortung und Aufgaben des Ministeriums der Justiz. Der Minister der Justiz übt die Dienstaufsicht über die staatlichen Gerichte aus."

2. Kapitel
Gerichte

1. Abschnitt
Kreisgericht

§ 22. Bildung. (1) Für jeden Land- oder Stadtkreis wird ein Kreisgericht gebildet. Bestehen in einem Stadtkreis Stadtbezirke, so wird für jeden Stadtbezirk ein Kreisgericht gebildet.

(2) Für mehrere Kreise sowie für die Stadtbezirke eines Stadtkreises kann ein Kreisgericht gebildet werden. Die Entscheidung darüber trifft der Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurde der § 22 Abs. 1 Satz 2 gestrichen.
- erhielt der § 22 Abs. 2 folgende Fassung:
"(2) Für mehrere Kreise kann ein Kreisgericht gebildet werden."

§ 23. Zuständigkeit. Das Kreisgericht ist zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über
- Rechtsverletzungen, Rechtsstreitigkeiten und andere Rechtsangelegenheiten auf den Gebieten des Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts, soweit nicht die Zuständigkeit anderer Gerichte gegeben ist,
- Einsprüche gegen Entscheidungen der gesellschaftlichen Gerichte,
- Vollstreckbarkeitserklärungen von Entscheidungen der gesellschaftlichen Gerichte,
- Einsprüche gegen die Nichtaufnahme in die Wählerliste zur Wahl der Volksvertretungen,
- Anträge auf gerichtliche Entscheidung über eine polizeiliche Strafverfügung wegen einer Verfehlung.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 23 dritter Gedankenstrich die Worte "und der Schiedsstellen für Arbeitsrecht," angefügt.
- wurden dem § 23 folgende Gedankenstriche angefügt:
"- zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen, diesen gleichgestellten Rechtssubjekten, Mitgliedern einer Handelsgesellschaft sowie einer Handelsgesellschaft und ihren Mitgliedern (Handelssachen),
- verwaltungsrechtliche und andere Rechtsverletzungen, Rechtsstreitigkeiten oder Rechtsangelegenheiten, wenn dies durch Gesetz oder Verordnung bestimmt ist,
- Einsprüche gegen Entscheidungen der Schiedsstellen für Arbeitsrecht."

§ 24. Aufgaben gegenüber den gesellschaftlichen Gerichten. (1) Das Kreisgericht gewährleistet die einheitliche Rechtsanwendung in: der Tätigkeit der gesellschaftlichen Gerichte im Territorium.

(2) Das Kreisgericht leitet die Tätigkeit der Schiedskommissionen an und qualifiziert die Mitglieder der Schiedskommissionen für die Lösung ihrer Aufgaben.

(3) Das Kreisgericht unterstützt die Vorstände des FDGB und die Betriebsgewerkschaftsleitungen bei der Anleitung und Schulung der Mitglieder der Konfliktkommissionen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 24 Abs. 1 und 3 aufgehoben.

§ 25. Besetzung und Organe. (1) Das Kreisgericht ist mit dem Direktor, mit einem oder mit mehreren Stellvertretern des Direktors und der erforderlichen Anzahl von Richtern und Schöffen sowie Sekretären und weiteren Mitarbeitern besetzt.

(2) Die Rechtsprechung des Kreisgerichts wind durch die Kammern ausgeübt. Die Kammern verhandeln und entscheiden in der Besetzung mit einem Richter als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Der Direktor kann in jedem Verfahren den Vorsitz Übernehmen, Soweit die Mitwirkung von Schöffen nicht gesetzlich vorgesehen ist, entscheidet außerhalb der Verhandlungen der Vorsitzende allein.

(3) Das. Kreisgericht verhandelt und entscheidet durch einen Richter, soweit das in Gesetzen vorgesehen ist.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurde der § 25 Abs. 2 Satz 3 ersatzlos gestrichen.
- erhielt der § 25 Abs. 3 folgende Fassung:
"(3) Das Kreisgericht verhandelt und entscheidet nach Maßgabe der Gesetze durch einen oder mehrere Richter. In Zivil-, Handels- und Familiensachen, außer Ehesachen, kann der Richter allein verhandeln und entscheiden."

§ 26. Aufgaben des Direktors. (1) Der Direktor leitet die Tätigkeit des Kreisgerichts und nimmt an der Rechtsprechung teil. Er ist verantwortlich für die Anleitung der Mitarbeiter zur ordnungsgemäßen und gesellschaftlichen wirksamen Durchführung der dem Kreisgericht übertragenen Aufgaben und für .die Anleitung der Schöffen. Er gewährleistet die Durchsetzung  der von den übergeordneten Justizorganen gestellten Aufgaben und das Zusammen wirkendes Kreisgerichts mit den örtlichen des Territoriums und ihren Organen sowie mit dem Staatsanwalt des Kreises und den Leitern der anderen Staatsorgane, insbesondere der Sicherheitsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe, der Kombinate,  Betriebe und Einrichtungen, den Vorständen der Genossenschaften und den Leitungen der gesellschaftlichen Organisationen des Kreises, insbesondere mit dem Kreisvorstand des FDGB.

(2) Der Direktor des Kreisgerichts ist für die Erfüllung seiner Leitungsaufgaben dem Direktor des Bezirksgerichts verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 erhielt der § 26 folgende Fassung:
"§ 26. Aufgaben des Direktors. Der Direktor übt die Dienstaufsicht über die Richter und über das nichtrichterliche Personal des Kreisgerichts aus."

§ 27. Sekretäre des Kreisgerichts. Die Sekretäre des Kreisgerichts nehmen die ihnen durch Gesetz und andere Rechtsvorschriften .zugewiesenen gerichtlichen Aufgaben wahr. Der leitende Sekretär ist darüber hinaus für die Durchsetzung der ihm übertragenen materiellen, finanziellen und technisch-organisatorischen Aufgaben am Kreisgericht verantwortlich. Er leitet die Sekretäre des Kreisgerichts und weitere ihm unterstellte Mitarbeiter an.

§ 28. Rechtsauskunft. (1) Die Bürger erhalten bei den Kreisgerichten unentgeltlich Auskünfte über das sozialistische Recht und aber die Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer gesetzlich geschützten Rechte und Interessen.

(2) Die Kreisgerichte unterstützen die Bürger bei der Aufnahme von Anträgen oder Klageschriften.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 28 Abs. 1 das Wort "sozialistische" ersetzt durch: "geltende".
- wurde dem § 28 folgender Absatz angefügt:
"(3) Der Richter kann die Verhandlung und Entscheidung in einer Sache ablehnen, wenn er zuvor nach Absatz 1 rechtsberatend tätig war."

2. Abschnitt
Bezirksgericht

§ 29. Bildung und Stellung. (1) Für jeden Bezirk wind ein Bezirksgericht gebildet.

(2) Das Bezirksgericht ist ein Organ der Rechtsprechung und leitet im Bezirk die Tätigkeit der Kreisgerichte und der gesellschaftlichen Gerichte zur Gewährleistung der einheitlichen und wirksamen Rechtsanwendung und sichert die Erfüllung der Leitungsaufgaben an den Kreisgerichten.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 29 Abs. 2 aufgehoben.

§ 30. Zuständigkeit. (1) Das Bezirksgericht ist als Gericht erster. Instanz zuständig für die Verhandlung und Entscheidung auf dem Gebiet des Strafrechts
- über Verbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte, über Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik,
- über vorsätzliche Tötungsverbrechen,
- über Verbrechen gegen die Volkswirtschaft, soweit nicht der Staatsanwalt Anklage beim Kreisgericht erhebt,
- über andere Strafrechtsverletzungen, die wegen ihrer Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge vom Staatsanwalt .des Bezirkes, beim Bezirksgericht angeklagt oder vom Direktor des Bezirksgerichts vor Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Kreisgericht an das Bezirksgericht herangezogen werden.

(2) Das Bezirksgericht ist als Gericht erster Instanz zuständig für die Verhandlung und Entscheidung auf den Gebieten des Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts über Rechtsstreitigkeiten, in denen vor Eintritt in die mündliche Verhandlung des Kreisgerichts wegen ihrer Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge der Staatsanwalt des Bezirkes die Verhandlung vor dem Bezirksgericht beantragt oder der Direktor des Bezirksgerichts sie an das Bezirksgericht heranzieht.

(3) Für die Verhandlung und Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten auf den Gebieten des Patent-, Muster-, Kennzeichen- und Urheberrechts ist das Bezirksgericht Leipzig in erster Instanz ausschließlich zuständig. Darüber hinaus kann durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften die ausschließliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Leipzig bestimmt werden.

(4) Das Bezirksgericht ist als Gericht zweiter Instanz für die Verhandlung  und Entscheidung über die Rechtsmittel des Protestes und der Berufung gegen Urteile der Kreisgerichte zuständig. Für die Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen der Kreisgerichte ist es nach Maßgabe der Gesetze zuständig.

(5) Das Bezirksgericht ist als Kassationsgericht für: die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag des Direktors des Bezirksgerichts oder des Staatsanwalts des Bezirkes auf Kassation rechtskräftiger, Entscheidungen der Kreisgerichte im Bezirk zuständig.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 30 Abs. 1 vierter Gedankenstrich die Worte "oder vom Direktor des Bezirksgerichts vor Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Kreisgericht an das Bezirksgericht herangezogen werden." ersatzlos gestrichen.
- wurde der § 30 Abs. 5 aufgehoben.

§ 31. Besetzung und Organe. (1) Das Bezirksgericht ist mit einem Direktor, seinen Stellvertretern und der erforderlichen Anzahl von Oberrichtern, Richtern und Schöffen sowie Sekretären und weiteren Mitarbeitern besetzt.

(2) Beim Bezirksgericht bestehen als Kollegialorgane das Präsidium und die Senate.

§ 32. Aufgaben und Besetzung des Präsidiums. (1) Das Präsidium behandelt grundsätzliche Fragen der Rechtsprechung und ihrer Leitung im Bezirk und berät den Direktor zu wichtigen Fragen der Leitung des Bezirksgerichts, der Kreisgerichte und der Schiedskommissionen. Es bestimmt den Disziplinarausschuß des Bezirksgerichts.

(2) Das Präsidium ist für die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Kreisgerichte zuständig. Es verhandelt und entscheidet, in der Besetzung mit dem Direktor oder einem Stellvertreter als Vorsitzenden und vier vom Direktor zu beistimmenden Mitgliedern des Präsidiums.

(3) Dem Präsidium gehören der Direktor, seine Stellvertreter und die Oberrichter des Bezirksgerichts an.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- erhielt der § 32 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Das Präsidium berät den Direktor zu wichtigen Fragen der Leitung des Bezirksgerichts. Es bestimmt die Geschäftsverteilung und das Disziplinargericht des Bezirksgerichts."
- wurde der § 32 Abs. 2 aufgehoben.

§ 33. Aufgaben und Besetzung der Senate. (1) Die Senate üben die Rechtsprechung des Bezirksgerichts in erster und zweiter Instanz aus.

(2) Die Senate verhandeln und entscheiden in erster Instanz in der Besetzung mit einem Oberrichter oder Richter als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Für die Verhandlung und. Entscheidung, in Strafverfahren, die einen hohen Arbeitsund Zeitaufwand erfordern, kann der Direktor, die Mitwirkung eines weiteren Richters anordnen. Der Vorsitzende entscheidet außerhalb der Verhandlung allein, soweit nicht die Mitwirkung von Schöffen gesetzlich vorgesehen ist.

(3) Die Senate verhandeln und entscheiden in zweiter Instanz in  der Besetzung mit einem Oberrichter als Vorsitzenden und zwei Richtern. Der Senat für Arbeitsrecht verhandelt und entscheidet in zweiter Instanz in der Besetzung mit einem Oberrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(4) Der Direktor kann in jedem Verfahren den Vorsitz übernehmen oder damit einen Stellvertreter beauftragen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 33 Abs. 4 aufgehoben.

§ 34. Aufgaben des Direktors. (1) Der Direktor leitet die Tätigkeit des Bezirksgerichts und nimmt an der Rechtsprechung teil. Er sichert durch die Anleitung der Mitarbeiter des Bezirksgerichts und der Kreisgerichte die ordnungsgemäße und gesellschaftlich wirksame Durchführung der den. Gerichten des Bezirkes übertragenen Aufgaben. Er gewährleistet die Durchsetzung der vom Ministerium der Justiz und vom Obersten Gericht gestellten Aufgaben und das Zusammenwirken des Bezirksgerichts mit dem Bezirkstag Und seinen Organen sowie mit dem Staatsanwalt des Bezirkes und den Leitern der anderen Staatsorgane, insbesondere Sicherheitsorgane, der wirtschaftsleitenden Organe  und den Leitungen der ,gesellschaftlichen Organisationen des Bezirkes, insbesondere mit dem Bezirksvorstand des FDGB.

(2) Der Direktor des Bezirksgerichts  ernennt die Stellvertreter der Direktoren, der Kreisgerichte.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 erhielt der § 34 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Der Direktor übt die Dienstaufsicht über die Richter und über das nichtrichterliche Personal des Bezirksgerichts sowie gegenüber den Direktoren der Kreisgerichte aus."

§ 35. Sekretäre des Bezirksgerichts. Die Sekretäre des Bezirksgerichts nehmen die ihnen durch Gesetz und andere Rechtsvorschriften zugewiesenen gerichtlichen Aufgaben wahr. Der leitende Sekretär ist darüber hinaus für die Durchsetzung der ihm übertragenen materiellen und technisch-organisatorischen Aufgaben am Bezirksgericht verantwortlich. Er leitet im Rahmen seiner Aufgaben die Sekretäre des Bezirksgerichts und. der Kreisgerichte sowie weitere ihm unterstellte Mitarbeiter an.

3. Abschnitt
Oberstes Gericht

§ 36. Stellung. (1) Das Oberste Gericht ist das höchste Organ der Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik.

(2) Das Oberste Gericht ist der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen dem Staatsrat verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 36 Abs. 2 aufgehoben.

§ 37. Zuständigkeit. (1) Das Oberste Gericht ist zuständig
- als Gericht erster und letzter Instanz
    für die Verhandlung und Entscheidung über Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Strafrechts,. bei denen der Generalstaatsanwalt wegen ihrer Bedeutung Anklage vor dem Obersten Gericht erhebt
- als Gericht zweiter Instanz
    für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen die von den Bezirksgerichten und Militärobergerichten erlassenen Entscheidungen sowie über das Rechtsmittel der Berufung, gegen eine Entscheidung der Spruchstelle für Nichtigkeitserklärungen des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften,
- als Kassationsgericht
    für die Verhandlung und Entscheidung, über rechtskräftige Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts,  der Bezirks- und Kreisgerichte sowie der Militärober- und ♦Militärgerichte auf Antrag des Präsidenten des Obersten Gerichts oder des Generalstaatsanwalts.

(2) Das Oberste Gericht erstattet auf Anforderung des Ministerrates Rechtsgutachten.

Durch Gesetz vom 18. Dezember 1987 erhielt der § 37 Abs. 1 erster und zweiter Gedankenstrich folgende Fassung:
"- als Gericht erster Instanz
    für die Verhandlung und Entscheidung über Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Strafrechts, bei denen der Generalstaatsanwalt wegen ihrer Bedeutung Anklage vor dem Obersten Gericht erhebt,
- als Gericht zweiter Instanz
   für die Verhandlungen und Entscheidungen über die Rechtsmittel des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen die von den Bezirksgerichten, Militärobergerichten oder dem Obersten Gericht in erster Instanz erlassenen Entscheidungen sowie über das Rechtsmittel der Berufung gegen eine Entscheidung der Spruchstelle für Nichtigkeitserklärungen des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften,"

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 37 Abs. 1 zweiter Gedankenstriche die Worte "und Militärobergerichten" ersatzlos gestrichen.
- wurde dem Abs. 1 als dritter Gedankenstrich angefügt:
"- als Revisionsgericht
    für alle Verhandlungen und Entscheidungen über das Rechtsmittel der Revision gegen die von den Bezirksgerichten erlassenen Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivil-, Familien-, Arbeits- und Verwaltungsrechts entsprechend den dafür geltenden Rechtsvorschriften,"
- wurde der bisherige dritte Gedankenstrich zum vierten Gedankenstrich; in diesem Wurden die Worte "sowie der Militärober- und Militärgerichte" sowie die Worte "des Präsidenten des Obersten Gerichts oder" ersatzlos gestrichen.

§ 38. Besetzung und Organe. (1) Das Oberste Gericht ist mit dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und der erforderlichen Anzahl von Oberrichtern, Richtern und Schöffen sowie Sekretären und weiteren Mitarbeitern besetzt.

(2) Beim Obersten Gericht bestehen als Kollegialorgane das Plenum und das Präsidium sowie die Kollegien für Strafrecht, für Zivil-, Familien- und Arbeitsrecht und das Militärkollegium mit der erforderlichen Anzahl von Senaten.

Durch Gesetz vom 18. Dezember 1987 erhielt der § 38 Abs. 2 folgende Fassung:
"(2) Beim Obersten Gericht bestehen als Kollegialorgane das Plenum und das Präsidium sowie der Große Senat, die Kollegien für Strafrecht, für Zivil-, Familien- und Arbeitsrecht und das Militärkollegium mit der erforderlichen Anzahl von Senaten."

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurden im § 38 Abs. 2 die Worte "das Plenum und" sowie die Worte "und das Militärkollegium" ersatzlos gestrichen.

§ 39. Stellung und Aufgaben des Plenums. (1) Das Plenum ist das höchste Organ des Obersten Gerichts. Ihm obliegt die Leitung der Rechtsprechung auf der Grundlage der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften zur Sicherung ihrer einheitlichen und wirksamen Anwendung. Dazu kann das Plenum Richtlinien erlassen, die für alle Gerichte verbindlich sind.

(2) Den Antrag auf Erlaß von Richtlinien können der Präsident des Obersten Gerichts, der Generalstaatsanwalt, der Minister der Justiz und der Bundesvorstand des FDGB stellen.

(3) Dein Plenum gehören der Präsident, die Vizepräsidenten, die Oberrichter und die Richter des Obersten Gerichts, die Direktoren der Bezirksgerichte und die Leiter der Militärobergerichte an. Es wird vom Präsidium einberufen und vom Präsidenten .geleitet. Für die kollektive Tätigkeit es Plenums, die Vorbereitung seiner Entscheidungen und deren Durchführung ist jedes Mitglied dem Plenum verantwortlich.

(4) Der Generalstaatsanwalt, der Minister der Justiz und ein Vertreter des Bundesvorstandes :des FDGB können an den Tagungen des Plenums teilnehmen. Behandelt das Plenum Fragen des Arbeitsrechts, so nehmen drei Schöffen des Obersten Gerichts an der Tagung des Plenums teil.

(5) Das Plenum tagt grundsätzlich einmal in drei Monaten.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 39 aufgehoben.

§ 40. Aufgaben und Besetzung des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist verantwortlich für
- die Vorbereitung und Einberufung der Tagungen des Plenums,
- die Vorbereitung der Richtlinien des Plenums,
- den Erlaß von Beschlüssen zur Leitung der Rechtsprechung zwischen den Tagungen des Plenums, die für alle Gerichte verbindlich sind,
- die Entscheidung, wenn ein Senat des Obersten Gerichts in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Präsidiums abweichen will, soweit nicht die Kollegien zuständig sind,
- die Auswertung der Rechtsprechung der Gerichte sowie der an das Oberste Gericht gerichteten Kassationsanregungen und Eingaben der Bürger,
- die planmäßige Organisation der Tätigkeit des Obersten Gerichts,.
- die Regelung der Geschäftsverteilung und die Bestimmung des Disziplinarausschusses des Obersten Gerichts.

(2) Das Präsidium ist zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts sowie der Kassationsentscheidungen der Bezirksgerichte und der Militärobergerichte. Es ist weiterhin zuständig für die Entscheidung nach § 16 Abs. 2 Satz 3.

(3) Über dem Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen sowie über die Beschwerden gegen erstinstanzliche Beschlüsse des Disziplinarausschusses beim Obersten Gericht verhandelt und entscheidet das Präsidium in :der Besetzung mit dem Präsidenten oder einem Vizepräsidenten als Vorsitzenden und vier vom Präsidenten zu bestimmenden Mitgliedern des Präsidiums.

(4) Dem Präsidium gehören der Präsident, die Vizepräsidenten und die Oberrichter des Oberster  Gerichts an. Die Mitglieder werden auf Vorschlag des Präsidenten vom Staatsrat berufen.. Das Präsidium wird vom Präsidenten einberufen und geleitet.

(5) Der Generalstaatsanwalt und der Minister der Justiz können an den Tagungen des Präsidiums teilnehmen.

(6) Das Präsidium ist dem Plenum für seine Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- wurden im § 40 Abs. 1 die ersten drei Gedankenstriche sowie der fünfte Gedankenstrich ersatzlos gestrichen und der letzte Gedankenstrich erhielt folgende Fassung:
"- die Bestimmung der Geschäftsverteilung und des Disziplinargerichts des Obersten Gerichts."
- wurden im § 40 Abs. 2 die Worte "sowie der Kassationsentscheidungen der Bezirksgerichte und der Militärobergerichte" ersatzlos gestrichen.
- wurden im § 40 Abs. 3 die Worte "sowie über die Beschwerden gegen erstinstanzliche Beschlüsse des Disziplinarausschusses beim Obersten Gericht" ersatzlos gestrichen.
- wurde § 40 Abs. 4 Satz 2 ersatzlos gestrichen.
- wurde § 40 Abs. 5 und 6 ersatzlos gestrichen.

Durch Gesetz vom 18. Dezember 1987 wurde an dieser Stelle folgender § eingefügt:
"§ 40a. Aufgaben und Besetzung des Großen Senats. (1) Der Große Senat verhandelt und entscheidet über die Rechtsmittel des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts.
(2) Der Große Senat verhandelt und entscheidet in der Besetzung mit dem Präsidenten oder einem Vizepräsidenten als Vorsitzenden und vier Oberrichtern oder Richtern des Obersten Gerichts."

§ 41. Stellung und Aufgaben der Kollegien und Senate. (1) Die Kollegien sind zur einheitlichen Durchführung der Festlegungen des Plenums und des Präsidiums für die Herausarbeitung der Aufgaben der Rechtsprechung auf ihren Sachgebieten verantwortlich. Sie unterbreiten dem Präsidium des Obersten Gerichts Vorschläge für Tagungen des Plenums und für den Erlaß von Richtlinien und Beschlüssen. Sie entscheiden, wenn ein Senat des Kollegiums in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats desselben Kollegiums abweichen will.

(2) Den Kollegien gehören die auf dem jeweiligen Sachgebiet tätigen Oberrichter, Richter und Leiter der Kassationsantragsabteilungen an. Die Kollegien werden von Vizepräsidenten geleitet.

(3) Die bei den Kollegien bestehenden Senate üben die Rechtsprechung des Obersten Gerichts in erster und zweiter Instanz aus und entscheiden über den Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Senate und Kammern der Bezirks- und. Kreisgerichte sowie der Militärober- und Militärgerichte.

(4) Die Senate verhandeln und entscheiden in der Besetzung mit einem Oberrichter als Vorsitzenden und zwei Richtern, in Arbeitsrechtsverfahren in der Besetzung mit einem Oberrichter als Vorsitzenden, einem Richter und drei Schöffen.

(5) Der Präsident oder die Vizepräsidenten des Obersten Gerichts können in jedem Verfahren den Vorsitz übernehmen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990
- erhielt der § 41 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Die Kollegien entscheiden, wenn ein Senat des Kollegiums in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats desselben Kollegiums abweichen will."
- wurden im § 41 Abs. 3 hinter den Worten "entscheiden über" die Worte "das Rechtsmittel der Revision sowie" eingefügt und die Worte "sowie der Militärober- und Militärgerichte" wurden gestrichen.
- wurde der § 41 Abs. 5 aufgehoben.

§ 42. Aufgaben des Präsidenten. (1) Der Präsident leitet die Tätigkeit des Obersten Gerichts, soweit nicht Kollegialorganen Leitungsaufgaben übertragen sind. Er trägt Verantwortung für die Anleitung der Mitarbeiter des Obersten Gerichts und der Direktoren der Bezirksund Kreisgerichte, soweit es Fragen der Leitung der Rechtsprechung betrifft. Er gewährleistet die Durchführung der von der Volkskammer und dem Staatsrat gestellten Aufgaben und das Zusammenwirken mit den Leitern der anderen zentralen Staatsorgane, insbesondere mit den Leitern der Justiz- und Sicherheitsorgane, und den Leitungen der gesellschaftlichen Organisationen.

(2) Der Präsident beruft die Oberrichter des Obersten Gerichts.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 erhielt der § 42 folgende Fassung:
"§ 42. Aufgaben des Präsidenten. Der Präsident übt die Dienstaufsicht über die Richter und über das nichtrichterliche Personal des Obersten Gerichts aus."

§ 43. Sekretäre des Obersten Gerichts. Die Sekretäre des Obersten Gerichts nehmen die ihnen durch Gesetz und andere Rechtsvorschriften zugewiesenen gerichtlichen Aufgaben wahr.

3. Kapitel
Richter und Schöffen

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde das 3. Kapitel aufgehoben.

§ 44. Voraussetzungen der Wahl. (1) Richter und Schöffe kann nur sein, wer dem Volk und seinem sozialistischen Staat treu ergeben ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung, an menschlicher Reife und Charakterfestigkeit verfügt.

(2) Als Richter kann jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gewählt werden, dessen Persönlichkeit den an einen Richter gestellten Anforderungen entspricht, der eine  juristische Ausbildung auf einer dazu bestimmten Ausbildungsstätte erworben hat und das Wahlrecht besitzt.

(3) Als Schöffe kann jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gewählt werden, dessen Persönlichkeit den an diese ehrenamtliche Tätigkeit gestellten Anforderungen entspricht und der das Wahlrecht besitzt.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 44 aufgehoben.

§ 45. Grundpflichten der Richter und Schöffen. Die Richter und Schöffen sind verpflichtet, in ihrer Rechtsprechung die sozialistische Gesetzlichkeit zu verwirklichen und sich aktiv für die Erfüllung der Aufgäben des Gerichts einzusetzen, das sozialistische Recht zu erläutern, eng mit den Werktätigen zusammenzuarbeiten und das Vertrauensverhältnis zu ihnen ständig zu festigen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und die Staatsdisziplin zu wahren.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 45 aufgehoben.

§ 46. Wahl der Direktoren, Richter und Schöffen der Kreise und Bezirksgerichte. (1) Die Direktoren und Richter der Kreisgerichte werden im Landkreis durch den Kreistag, im Stadtkreis durch die Stadtverordnetenversammlung und in den Stadtkreisen mit Stadtbezirken durch die Stadtbezirksversammlungen für die Dauer der Wahlperiode dieser Volksvertretungen bis zu ihrer Neuwahl gewählt. Besteht ein Kreisgericht für alle Stadtbezirke eines Stadtkreises, erfolgt die Wahl durch die Stadtverordnetenversammlung. Besteht ein Kreisgericht für mehrere Kreise, erfolgt die Wahl durch die zuständigen örtlichen Volksvertretungen.

(2) Die Schöffen der Kreisgerichte werden in Versammlungen der Werktätigen, die im Zusammenhang mit der Wahl der Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen stattfinden, für die Dauer der Wahlperiode dieser Volksvertretungen gewählt.

(3) Die Direktoren, Richter und Schöffen der Bezirksgerichte werden durch die Bezirkstage für die Dauer der Wahlperiode dieser Volksvertretungen bis zu ihrer Neuwahl gewählt.

(4) Die Wahl, der Direktoren und Richter der Kreis- und Bezirksgerichte sowie der Schöffen der Bezirksgerichte erfolgt innerhalb von drei Monaten nach Neuwahl der Volksvertretungen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 46 aufgehoben.

§ 47. Aufgaben der Wahlvorbereitung. (1) Die Wahl der Direktoren; Richter und Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte erfolgt entsprechend den Festlegungen des Staatsrates über die Durchführung der Wahlen.

(2) Der Minister der Justiz bestimmt die Anzahl der für jedes Kreis- und Bezirksgericht zu wählenden Richter und Schöffen. Die Anzahl der für das Oberste Gericht zu wählenden Richter wird auf Vorschlag des Präsidenten vom Staatsrat bestimmt. Die Anzahl der zu wählenden Schöffen bestimmt der Präsident.

(3) Der Minister der Justiz reicht im Einvernehmen mit den zuständigen Ausschüssen der Nationalen Front die Kandidatenvorschläge für die Wahl der Direktoren und Richter der Kreis- und Bezirksgerichte ein. Die Kandidatenvorschläge für die Wahl der Richter der Kammern und Senate für Arbeitsrecht werden dem Minister der Justiz vom FDGB unterbreitet: Die Kandidatenvorschläge für die Wahl der Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte werden durch die zuständigen Ausschüsse der Nationalen Front und, soweit es Schöffen für Arbeitsrecht betrifft, durch die zuständigen Vorstände des FDGB unterbreitet.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 47 aufgehoben.

§ 48. Wahl des Präsidenten, der Vizepräsidenten, der Richter und der Schöffen des Obersten Gerichts. (1) Der Präsident, die Vizepräsidenten, die Richter und die Schöffen des Obersten Gerichts werden auf Vorschlag des Staatsrates von der Volkskammer für die Dauer der Wahlperiode bis zu ihrer Neuwahl innerhalb von drei Monaten nach Neuwahl der Volkskammer gewählt. Die Schöffen des Senats für Arbeitsrecht werden dem Staatsrat vom Bundesvorstand des FDGB vorgeschlagen.

(2) Auf Vorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichts kann der Staatsrat geeignete Persönlichkeiten, die den an einen Richter zu stellenden Anforderungen entsprechen, für die Zeit bis zu einem Jahr als Richter beim Obersten Gericht berufen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 48 aufgehoben.

§ 49. Verpflichtung. (1) Die Richter und Schöffen der Gerichte werden nach ihrer Wahl verpflichtet.

(2) Die Direktoren und Richter der Kreis- und Bezirksgerichte, der Präsident, die. Vizepräsidenten und die Richter des Obersten Gerichts werden durch die Volksvertretung, die sie gewählt hat, verpflichtet. Die Verpflichtung der Militärrichter der Militärgerichte und der Militärobergerichte erfolgt durch den Nationalen Verteidigungsrat.

(3) Die Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte werden durch den Direktor des jeweiligen Gerichts, die Militärschöffen durch den Leiter des jeweiligen Militärgerichts verpflichtet. Die Verpflichtung der Schöffen des Obersten Gerichts nimmt der Präsident des Obersten Gerichts vor.

(4) Die Verpflichtung erfolgt durch die Entgegennahme folgender Erklärung:
Verpflichtung. Ich verpflichte mich, als Richter (Schöffe) der Deutschen Demokratischen Republik die im Gerichtsverfassungsgesetz festgelegten Grundpflichten eines Richters (Schöffen) zu erfüllen und meine Tätigkeit auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik nach bestem Wissen und Gewissen zum. Wohle des werktätigen Volkes und unseres sozialistischen Staates auszuüben.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 49 aufgehoben.

§ 50. Einsatz der Schöffen. Die Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte sollen zwei Wochen im Jahr an der Rechtsprechung des Gerichts teilnehmen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 50 aufgehoben.

§ 51. Erstattung von Aufwendungen der Schöffen. Den Schöffen dürfen durch die Wahrnehmung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit keine beruflichen oder sonstigen persönlichen Nachteile entstehen. Sie sind, soweit erforderlich, von der beruflichen Tätigkeit freizustellen. Für diese Zeit sind entsprechend den Rechtsvorschriften die Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeit weiterzuzahlen und die Auslagen zu vergüten.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 51 aufgehoben.

§ 52. Abordnungen. (1) Ein Richter oder Direktor des Kreis- oder Bezirksgerichts kann für die Dauer bis zu sechs Monaten jährlich an ein anderes Gericht oder an das Ministerium der Justiz abgeordnet werden. Der Rat der zuständigen örtlichen Volksvertretung ist über jede Abordnung zu unterrichten.

(2) Abordnungen innerhalb des Bezirkes erfolgen durch den Direktor des Bezirksgerichts, Abordnungen in einen anderen Bezirk oder an das Ministerium der Justiz durch den Minister der Justiz. Abordnungen an das Oberste Gericht nimmt der Minister der Justiz im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Obersten Gerichts vor.

(3) Abordnungen von Sekretären werden vom Direktor des Bezirksgerichts vorgenommen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 52 aufgehoben.

§ 53. Abberufung. (1) Der Direktor und die Richter des Kreis- und Bezirksgerichts können auf Vorschlag des Ministers der Justiz, der Präsident, die Vizepräsidenten und die Richter und Schöffen des Obersten Gerichts auf Vorschlag des Staatsrates, vor Ablauf ihrer Wahlperiode von der Volksvertretung, die sie gewählt hat, abberufen werden.

(2) Die Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte können auf Vorschlag des Direktors des Kreis- oder Bezirksgerichts vor Ablauf ihrer Wahlperiode von der zuständigen Volksvertretung abberufen werden.

(3) Die Abberufung erfolgt
- wegen Übernahme einer anderen Tätigkeit oder wegen Ausscheidens aus anderen gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen,
- wegen Verstoßes gegen Gesetze, wegen gröblicher Verletzung der Grundpflichten oder anderer Disziplinarvergehen.

Die Abberufung der Direktoren oder Richter erfolgt auch bei Aufnahme einer Tätigkeit bei einem anderen Gericht. In diesem Fall sind die Abberufenen bis zu ihrer Neuwahl berechtigt, die richterliche Funktion auszuüben.

(4) Nach Einleitung eines Abberufungsverfahrens kann der die Abberufung Vorschlagende bis zum Abschluß des Verfahrens die vorläufige Abberufung anordnen.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 53 aufgehoben.

§ 54. Nachwahl. (1) Die Nachwahl eines Direktors, von Richtern oder Schöffen der Kreis- und Bezirksgerichte ist durchzuführen, wenn die Arbeitsfähigkeit eines dieser Gerichte bis zu Beginn der neuen Wahlperiode nicht mehr gewährleistet ist.

(2) Schöffen der Kreis- und der Bezirksgerichte, die während der Wahlperiode für ständig oder für einen längeren zusammenhängenden Zeitraum in einen anderen Kreis oder Bezirk umziehen, oder dort Arbeit aufnehmen, können im diesem Kreis oder Bezirk zusätzlich als Schöffen tätig werden.

(3) Für die Nachwahl und den Übergang eines Schöffen in einen anderen Kreis oder Bezirk gelten die Bestimmungen der Wahlordnung entsprechend.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 54 aufgehoben.

§ 55. Disziplinarische Verantwortlichkeit der Richter. (1) Ein Direktor oder Richter, der seine `Pflichten verletzt, kann vor einem Disziplinarausschuß zur Verantwortung gezogen werden.

(2) Disziplinarausschüsse werden bei den Bezirksgerichten, Militärobergerichten und beim Obersten Gericht gebildet. Der Disziplinarausschuß bei den Bezirksgerichten ist für Disziplinarverfahren gegen Direktoren und Richter der Kreisgerichte, der Disziplinarausschuß bei den Militärobergerichten ist für Disziplinarverfahren gegen Leiter und Richter der Militärgerichte, der Disziplinarausschuß beim Obersten Gericht ist für Disziplinarverfahren gegen Richter des Obersten Gerichts, gegen Direktoren und Richter der Bezirksgerichte sowie gegen Leiter und Richter den Militärobergerichte-- zuständig.

(3) Gegen den Präsidenten und die Vizepräsidenten des Obersten Gerichts wird ein Disziplinarverfahren nicht durchgeführt.

(4) Die Voraussetzungen und die Durchführung des Disziplinarverfahrens werden in einer Disziplinarordnung für Richter bestimmt, die der Minister der Justiz im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Obersten Gerichts erläßt.

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde der § 55 aufgehoben.

4. Kapitel
Besondere Bestimmungen

§ 56. Befreiung von der Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik. (1) Vertretungen anderer Staaten in der Deutschen Demokratischen Republik, die Leiter und das Personal dieser Vertretungen sowie andere Personen, denen in der Deutschen Demokratischen Republik Privilegien und Immunitäten gewährt werden, sind nach den allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts, nach den entsprechenden Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik oder nach Maßgabe der für die Deutsche Demokratische Republik geltenden oder von ihr abgeschlossenen völkerrechtlichen Vereinbarungen von der Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik befreit.

(2) Das gleiche gilt für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen der Leiter und des Personals der im Abs. 1 genannten Vertretungen.

(3) Internationale zwischenstaatliche Organisationen, denen die Deutsche Demokratische Republik angehört, ihre Amtspersonen und die Vertretungen der Mitgliedstaaten bei diesen Organisationen sind nach Maßgabe der entsprechenden vertraglichen Regelungen dieser Organisationen oder nach den mit der Deutschen Demokratischen Republik hierzu gesondert getroffenen Vereinbarungen von der Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik befreit.

§ 57. Rechtshilfe. (1) Die Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik haben sich gegenseitig sowie der Staatsanwaltschaft in Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren Rechts- und Vollstreckungshilfe zu leisten.

(2) Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das örtlich zuständige Gericht zu richten. Das Ersuchen darf nur abgelehnt werden, wenn das ersuchte Gericht örtlich unzuständig oder die vorzunehmende Handlung unzulässig oder der Gegenstand des Ersuchens nicht hinreichend bestimmt ist. Über die Berechtigung einer Ablehnung entscheidet das zuständige Bezirksgericht.

(3) Der Rechtshilfeverkehr mit anderen Staaten erfolgt auf der Grundlage der von der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossenen völkerrechtlichen Vereinbarungen oder der allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts.

5. Kapitel.
Schlußbestimmungen

§ 58. Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen. Durchführungsverordnungen zum Gerichtsverfassungsgesetz erläßt der Ministerrat. Er kann den Minister der Justiz mit dem Erlaß von Durchführungsbestimmungen beauftragen.

siehe hierzu u. a. den Beschluß -Bildung von Kreisgerichten vom 28. Februar 1979 (GBl. I S. 67), Beschluß -Wahlen der Direktoren, Richter und Schöffen- vom 13. Februar 1984 (GBl. I S. 75), Beschluß -Bildung eines Kreisgerichts der Stadt Halle- vom 13. Februar 1984 (GBl. I S. 75), Beschluß - Wahlen der Direktoren, Richter und Schöffen der Bezirksgerichte- vom 4. Dezember 1985 (GBl. I S. 361), die Durchführungsverordnung -Bildung von Kreisgerichten in Großstädten mit Stadtbezirken- vom 6. Juni 1990 (GBl. I S. 283), Durchführungsverordnung -Umgestaltung des Staatlichen Vertragsgerichts- vom 6. Juni 1990 (GBl. I S. 284), die Durchführungsverordnung -Neufestlegung der Zuständigkeit für Entscheidungen in Militärstrafsachen - vom 18. Juli 1990 (GBl. I S. 811).

§ 59. Zuständigkeit des Kreisgerichts in Notariatsangelegenheiten. Das Kreisgericht ist zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Staatlichen Notariats und eines Einzelnotars. Es entscheidet endgültig.

§ 60. Inkrafttreten. (1) Das Gerichtsverfassungsgesetz tritt am 1. November 1974 in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
1. Gesetz vom 17. April 1963 über die Verfassung der Gerichte der Deutschen  Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) (GBl. I Nr. 4 S.45),
2. Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. April 1963 über die Stellung und die Aufgaben der Gerichte für Militärstrafsachen (Militärgerichtsordnung) (GBl. I Nr. 4 S.71);
3. Erste Durchführungsverordnung vom 8. Juni 1963 zum Gerichtsverfassungsgesetz (GBl. II Nr. 55 S. 385),
4. Zweite Durchführungsverordnung vom 8. März 1965 zum Gerichtsverfassungsgesetz - Zuständigkeit der Gerichte in Warenzeichen- und Geschmacksmustersachen - (GBl. II Nr. 32 S. 243),
5. Anordnung Nr. 3 vom 10. September 1965 über die örtliche Zuständigkeit der Senate und Kammern für Arbeitsrechtssachen bei den Bezirks- bzw. Kreisgerichten (GBl. II Nr. 92 S. 669),
6. §§ 15 und 16 des Einführungsgesetzes vom 12. Januar 1968 zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. I Nr. 3 S. 97),
7. Gesetz vom 17. Dezember 1969 zur Änderung des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen  Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) (GBl. I 1970 Nr. 1 S. 5).

Durch Verfassungsgesetz vom 5. Juli 1990 wurde allgemein die Bezeichnung "Direktor des Bezirksgerichts" ersetzt durch: "Präsident des Bezirksgerichts" und die Bezeichnung "Stellvertreter des Direktors des Bezirksgerichts" ersetzt durch: "Vizepräsident des Bezirksgerichts".

Das vorstehende, von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am siebenundzwanzigsten September neunzehnhundertvierundsiebzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den siebenundzwanzigsten September neunzehnhundertvierundsiebzig

Der Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
W. Stoph


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1974 Teil I. S. 457
© 14. Januar 2005 - 14. April 2005

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