Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik
(Gerichtsverfassungsgesetz)

vom 17. April 1963

geändert und ergänzt durch
Gesetz vom 12. Januar 1968 (GBl. I. S. 97)
Gesetz vom 11. Juni 1968 (GBl. I S. 229)

aufgehoben durch
Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. September 1974 (GBl. I S. 457)

Grundlagen der Gerichtsverfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik

Mit dem umfassenden Aufbau und der Vollendung des Sozialismus festigen und entwickeln sich die Freiheit und Selbstbestimmung des deutschen Volkes in der Deutschen Demokratischen Republik. Sie entwickeln sich auf der festen Grundlage der sozialistischen Gesellschaftsordnung und ihrer Rechtsordnung, in deren Mittelpunkt der Mensch, die Entfaltung seiner Talente und Fähigkeiten und die Sicherung seiner Lebensgrundlagen steht. Die sozialistische Gesellschaft eröffnet jedem Bürger gleichermaßen einen geachteten Platz und gesicherten Weg seiner Entwicklung. Die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ist ein hohes Prinzip unserer sozialistischen Staatlichkeit.

Unser Recht verfolgt keine anderen Ziele und kennt keine anderen Gesetzmäßigkeiten als die sozialistische Gesellschaftsordnung selbst. Mit der zunehmenden bewußten und tätigen Mitwirkung der Bürger in der sozialistischen Gesellschaft festigt sich ihre Verbundenheit mit dem sozialistischen Recht. Das macht die engere Verbindung der Rechtspflege mit dem Volke und den Aufgaben des umfassenden sozialistischen Aufbaus erforderlich.

Dem dient die Übertragung der einheitlichen Leitung der Rechtsprechung aller Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik an das Oberste Gericht. Sie sichert die strenge Übereinstimmung der Rechtsprechung mit der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung und die stetige Festigung der Beziehungen zwischen der sozialistischen Rechtspflege und den Bürgern.

Dem dient die Erweiterung der Rechte und Aufgaben der Bürger zur unmittelbaren Mitgestaltung der Rechtsprechung, insbesondere durch den Ausbau der Organe der gesellschaftlichen Selbsterziehung. Dem dient des weiteren die Entwicklung der Zusammenarbeit der Gerichte mit den örtlichen Volksvertretungen und deren Organen, mit den Ausschüssen der Nationalen Front und den Massenorganisationen der Werktätigen.

Erstes Kapitel
Grundsätzliche Bestimmungen

§ 1. (1) Die Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik wird ausgeübt durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte, die Militärobergerichte und die Militärgerichte.

(2) Die Richter und Schöffen der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik werden demokratisch gewählt. Die Richter erstatten den Volksvertretungen Bericht darüber, wie sie ihre Tätigkeit mit der gesellschaftlichen Entwicklung beim umfassenden Aufbau des Sozialismus verbinden und diese Entwicklung aktiv fördern.

(3) Die Richter und Schöffen sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz unterworfen. Ihre Unabhängigkeit beruht auf ihrer festen Verbindung mit dem Volk und wird durch ein demokratisches System der Leitung und Kontrolle der Rechtsprechung gesichert.

Durch Gesetz vom 11. Juni 1968 erhielt der § 1 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Die Rechtsprechung wird in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübt durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte, die Militärobergerichte, die Militärgerichte und die gesellschaftlichen Gerichte. Die Wahl, Stellung, Aufgaben, Arbeitsweise und Befugnisse der gesellschaftlichen Gerichte werden durch Gesetz und Erlaß bestimmt."

§ 2. Aufgaben der Rechtsprechung. (1) Die Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik dient
    der Lösung der politischen, ökonomischen und kulturellen Aufgaben des Arbeiter-und-Bauern-Staates beim umfassenden Aufbau des Sozialismus, der planmäßigen Entwicklung der Produktivkräfte und der Festigung der sozialistischen Produktionsverhältnisse,
    der Entwicklung und Gestaltung der sozialistischen Beziehungen der Bürger zur Gesellschaft, zu ihrem Staat und in ihrem gesellschaftlichen Zusammenleben,
    dem Schutz der sozialistischen Staats- und Wirtschaftsordnung, besonders dem Schutz der Lebensinteressen und sozialistischen Errungenschaften des Volkes vor Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und die sozialistische Staatsmacht sowie anderen schweren Straftaten,
    der Wahrung und Durchsetzung der Rechte und gesetzlich geschützten Interessen der Bürger wie der Rechte und gesetzlich geschützten Interessen der Staatsund Wirtschaftsorgane, der Betriebe, Genossenschaften, gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen.

Die Gerichte tragen dazu bei, daß alle Bürger, Institutionen und Organisationen das sozialistische Recht bewußt einhalten und verwirklichen, das den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt und seinem friedlichen Leben, seiner Freiheit, seiner schöpferischen Arbeit und der Gerechtigkeit für jedermann dient.

(2) Die Erfüllung dieser Aufgaben verlangt,
    daß die Gerichte in ihrer Rechtsprechung die gesellschaftlichen Zusammenhänge und Umstände von Rechtsstreitigkeiten und Rechtsverletzungen allseitig und gründlich erforschen und darauf hinwirken, daß die Ursachen und begünstigenden Bedingungen von Ungesetzlichkeiten durch die verantwortlichen Staats- und Wirtschaftsorgane und unter Einbeziehung der Werktätigen und ihrer gesellschaftlichen Organisationen beseitigt werden;
    daß sich die Gerichte regelmäßig mit den Problemen der gesellschaftlichen Entwicklung, den Aufgaben des umfassenden Aufbaus des Sozialismus, der Verallgemeinerung der Rechtsprechung und der Entwicklung der Kriminalität beschäftigen und daraus Schlußfolgerungen für die Rechtsprechung ziehen;
    daß die Gerichte sich bei der Lösung der Probleme der politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung beim umfassenden Aufbau des Sozialismus auf die Kenntnisse und Erfahrungen der verantwortlichen Staats- und Wirtschaftsorgane und wissenschaftlichen Institutionen stützen,

§ 3. Die Zulässigkeit des Rechtsweges. (1) Die Gerichte verhandeln und entscheiden alle Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen, soweit nicht durch Gesetz die Zuständigkeit anderer Staats-  organe begründet ist. Andere Angelegenheiten verhandeln und entscheiden die Gerichte, wenn es das Gesetz bestimmt.

(2) Über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden die Gerichte.

(3) Ausnahmegerichte sind unstatthaft.

§ 4. Öffentlichkeit der Verhandlung. (1) Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich.

(2) Die Öffentlichkeit der Verhandlungen fördert die freiwillige Einhaltung der sozialistischen Regeln des Zusammenlebens der Menschen und die Entwicklung der großen moralisch-menschlichen Kraft, um alle Bürger zu erziehen. Sie ermöglicht die Kontrolle der Rechtsprechung durch die Werktätigen.

(3) Die Öffentlichkeit kann nur ausgeschlossen werden, soweit das Gesetz es zuläßt.

§ 5. Gleichberechtigung der Bürger vor dem Gesetz. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt.

§ 6. Das Recht auf Verteidigung. (1) Jeder Bürger hat das Recht, sich bei Gericht vertreten zu lassen und gehört zu werden.

(2) Das Recht jedes Beschuldigten auf Verteidigung wird gewährleistet. Dazu gehört auch das Recht, sich einen Verteidiger zu wählen.

§ 7. Verkündung des Urteils. Die Gerichte verkündigen ihre Urteile im Namen des Volkes.

§ 8. Kassation gerichtlicher Entscheidungen. (1) Gerichtliche Entscheidungen können durch Kassation aufgehoben werden. Der Antrag muß innerhalb einer Frist von einem Jahr seit Eintritt der Rechtskraft beim zuständigen Gericht eingegangen sein.

(2) In Ausnahmefällen kann das Oberste Gericht. zugunsten der Verurteilten die Zulässigkeit der Kassation eines Strafurteils beschließen, wenn mehr, als ein Jahr seit der Rechtskraft des Urteils verstrichen ist.

§ 9. Die Gerichtskritik. (1) Stellt ein Gericht im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren eine Gesetzesverletzung durch andere Organe der Rechtspflege, Organe der staatlichen Verwaltung, sozialistische Betriebe und Einrichtungen, sozialistische Genossenschaften oder gesellschaftliche Organisationen fest, übt es durch begründeten Beschluß Kritik an diesen Mängeln. Das gleiche gilt, wenn ein Gericht eine Gesetzesverletzung durch ein unteres Gericht feststellt, soweit diese nicht schon zur Aufhebung des Urteils führt. Die Gerichtskritik kann sich auch auf solche Umstände erstrecken, die die Begehung von Straftaten und anderen Gesetzesverletzungen begünstigen.

(2) Die Leiter der Organe und die Leitung der gesellschaftlichen Organisationen, an deren Arbeit Kritik geübt wurde, sind verpflichtet, dem Gericht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Gerichtskritik ihre Stellungnahme zu übermitteln.     

§ 10. Gesellschaftliche Rechtspflege. Entsprechend der ständig steigenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft werden Strafsachen, Zivil- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten, deren Behandlung durch gesellschaftliche Organe geeignet ist, die Bürger zur Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Wahrung der Grundsätze des sozialistischen Gemeinschaftslebens zu erziehen, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen von den Konflikt- und Schiedskommissionen beraten und entschieden.

Durch Gesetz vom 11. Juni 1968 wurde der § 10 aufgehoben.

Zweites Kapitel
Die Gerichte

Erster Abschnitt
Das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik

§ 11. Die Stellung und die Aufgaben des Obersten Gerichts. (1) Das Oberste Gericht ist das höchste Organ der Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik. Der Sitz des Obersten Gerichts ist die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin.

(2) Das Oberste Gericht leitet die Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates und anderer Rechtsvorschriften. Es sichert die einheitliche und richtige Gesetzesanwendung durch alle Gerichte.

(3) Das Oberste Gericht ist der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen dem Staatsrat verantwortlich. Der Präsident des Obersten Gerichts nimmt an den Tagungen der Volkskammer teil.

(4) Die Bezirksgerichte und die Militärobergerichte sind dem Obersten Gericht für ihre Rechtsprechung und für die Leitung der Rechtsprechung der Kreisgerichte und Militärgerichte in ihrem Bereich verantwortlich.

§ 12. Berichte und Vorschläge an den Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik. (1) Das Oberste Gericht berichtet dem Staatsrat über die Entwicklung der Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik.

(2) Es unterbreitet dem Staatsrat Vorschläge zur Auslegung von Gesetzen und Beschlüssen der Volkskammer sowie von Erlassen und Beschlüssen des Staatsrates, wenn dies zu ihrer einheitlichen Anwendung durch alle staatlichen Organe erforderlich ist.

(3) Das Oberste Gericht kann dem Staatsrat Vorschläge zur Abänderung; Aufhebung oder Neufassung gesetzlicher Bestimmungen unterbreiten.

§ 13. Die Zuständigkeit des Obersten Gerichts. Das Oberste Gericht ist zuständig
1. als Gericht erster und letzter Instanz
    für die Verhandlung und Entscheidung in Strafsachen, in denen der Generalstaatsanwalt wegen ihrer überragenden Bedeutung Anklage vor dem Obersten Gericht erhebt,
2. als Gericht zweiter Instanz
    für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen die von den Bezirksgerichten und Militärobergerichten erlassenen Entscheidungen,
    für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen eine Entscheidung des Patentgerichts oder der Spruchstelle für Nichtigkeitserklärungen des Patentamtes in den Fällen der §§ 38 und 58 des Patentgesetzes vom 6. September 1950,
    3. als Kassationsgericht
    für die Verhandlung und Entscheidung über rechtskräftige Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts, der Bezirks- und Kreisgerichte sowie der Militärober- und Militärgerichte auf Antrag des Präsidenten des Obersten Gerichts oder des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik.

§ 14. Die Besetzung und die Organe des Obersten Gerichts. (1) Das Oberste Gericht wird mit dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, der erforderlichen Anzahl von Oberrichtern und Richtern besetzt.

(2) Beim Obersten Gericht werden gebildet
    das Plenum des Obersten Gerichts,
    das Präsidium des Obersten Gerichts,
    das Kollegium für Strafsachen,
    das Kollegium für Militärstrafsachen,
    das Kollegium für Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen.

Bei den Kollegien werden Senate für Straf-, Militärstraf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen gebildet.

Das Plenum des Obersten Gerichts

§ 15. Die Stellung und Besetzung des Plenums. (1) Das Plenum ist das höchste Organ des Obersten Gerichts.

(2) Dem Plenum gehören an der Präsident,
der Vizepräsident,
die Vorsitzenden der Kollegien,
die Oberrichter, Richter und Hilfsrichter des Obersten Gerichts,
die Direktoren der Bezirksgerichte und die Leiter der Militärobergerichte.

(3) Der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, der Minister der Justiz und ein Vertreter des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes nehmen an den Tagungen des Plenums teil. Behandelt das Plenum Fragen des Arbeitsrechts, so nehmen drei Schöffen des Senats für Arbeitsrechtssachen des Obersten Gerichts an der Tagung des Plenums teil.

(4) Das Plenum ist beschlußfähig, wenn mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder anwesend sind.

(5) Das Plenum tagt mindestens einmal in drei Monaten. Es wird vom Präsidium einberufen und vom Präsidenten geleitet.

§ 16. Die Aufgaben des Plenums. (1) Das Plenum ist verantwortlich für die Erfüllung der Aufgaben des Obersten Gerichts.

(2) Dazu obliegt dem Plenum des Obersten Gerichts
    die Leitung der Rechtsprechung auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates und anderer Rechtsvorschriften entsprechend den Aufgaben des umfassenden Aufbaus des Sozialismus;
    die Kontrolle und Auswertung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Rechtsprechung aller Gerichte;
    die Ausarbeitung von Schlußfolgerungen, die sich für die Rechtsprechung aus den Problemen der gesellschaftlichen Entwicklung, aus den Aufgaben des umfassenden Aufbaus des Sozialismus, aus der Verallgemeinerung der Rechtsprechung und aus der Entwicklung der Kriminalität ergeben;
    die Leitung der Tätigkeit des Präsidiums und der Kollegien des Obersten Gerichts.

§ 17. Richtlinien und Beschlüsse. (1) Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erläßt das Plenum Richtlinien und Beschlüsse, die für alle Gerichte in der Deutschen Demokratischen Republik verbindlich sind.

(2) Der Antrag auf Erlaß von Richtlinien und Beschlüssen kann gestellt werden
    vom Präsidenten des Obersten Gerichts,
    vom Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik,
    vom Minister der Justiz.

(3) Der Staatsrat kann dem Plenum den Erlaß von Richtlinien und Beschlüssen empfehlen.

Das Präsidium des Obersten Gerichts

§ 18. Die Stellung und die Besetzung des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist das kollektive Organ zur Organisierung der Tätigkeit des Obersten Gerichts, besonders seines Plenums und zur Leitung der Rechtsprechung aller Gerichte zwischen den Tagungen des Plenums.

(2) Dem Präsidium, gehören an:
    Der Präsident,
    der Vizepräsident,
    der Vorsitzende und zwei Mitglieder des Kollegiums für Strafsachen,
    der Vorsitzende des Kollegiums für Militärstrafsachen,
    der Vorsitzende und zwei Mitglieder des Kollegiums für Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen,
    der Leiter der Inspektionsgruppe.

(3) Alle Mitglieder des Präsidiums werden auf Vorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichts vom Staatsrat berufen.

(4) Der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik und der Minister der Justiz können an den Sitzungen des Präsidiums teilnehmen.

(5) Das Präsidium tagt mindestens einmal monatlich. Es wird vom Präsidenten einberufen und geleitet.

§ 19. Die Aufgaben des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist verantwortlich für
    die Vorbereitung und Einberufung der Tagungen des Plenums,
    die Vorbereitung der Richtlinien und Beschlüsse des Plenums,
    den Erlaß von Beschlüssen zur Leitung der Rechtsprechung zwischen den Tagungen des Plenums, die für alle Gerichte verbindlich sind,
    die Leitung der Tätigkeit der Kollegien des Obersten Gerichts,
    die Auswertung der Rechtsprechung der Gerichte sowie der an das Oberste Gericht gerichteten Eingaben der Bürger,
    die Entscheidung über Beschwerden gegen erstinstanzliche Beschlüsse des Disziplinarausschusses bei dem Obersten Gericht.

(2) Das Präsidium regelt die Geschäftsverteilung und bestimmt den Disziplinarausschuß des Obersten Gerichts.

§ 20. Kassationsentscheidungen des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag des Präsidenten des Obersten Gerichts oder des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Senate des Obersten Gerichts sowie der Präsidien der Bezirksgerichte und der Plenen der Militärobergerichte.

(2) Das Präsidium kann auf Antrag des Präsidenten des Obersten Gerichts oder des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik in Ausnahme fällen zugunsten des Verurteilten die Zulässigkeit der Kassation eines Strafurteils beschließen, wenn mehr als ein Jahr seit der Rechtskraft des Urteils verstrichen ist.

§ 21. Sicherung der einheitlichen Anleitung. (1) Das Präsidium kann aus eigener Initiative oder auf Antrag des Generalstaatsanwaltes unrichtige Beschlüsse der Plenen der Bezirks- oder Militärobergerichte aufheben, abändern oder zur erneuten Beratung an das betreffende Plenum zurückverweisen.

(2) Das Präsidium entscheidet, wenn ein Senat des,• Obersten Gerichts in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Präsidium abweichen will.

(3) Zur Unterstützung des Obersten Gerichts bei der Leitung der Rechtsprechung der Gerichte wird beim Präsidium des Obersten Gerichts eine Inspektionsgruppe gebildet. Die Inspektionsgruppe wird durch einen Oberrichter geleitet.

§ 22. Rechtsgutachten. Auf Antrag des Ministerrates erstattet das Präsidium Rechtsgutachten zu Fragen des Straf-, Zivil-, Familien-, Arbeits- und Prozeßrechts.

Die Kollegien des Obersten Gerichts

§ 23. Die Aufgaben der Kollegien. (1) Die Kollegien sind Organe des Obersten Gerichts für bestimmte Sachgebiete.

(2) Bei den Kollegien werden Senate gebildet. Die Senate üben die Rechtsprechung des Obersten Gerichts in erster und zweiter Instanz aus und entscheiden über die Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Senate und Kammern der Bezirks- und Kreisgerichte sowie der Militärober- und Militärgerichte.

(3) Die Kollegien sind für die Analyse und Verallgemeinerung der Rechtsprechung auf ihrem Sachgebiet verantwortlich. Sie unterbreiten dem Präsidium des Obersten Gerichts Vorschläge für Tagungen des Plenums und den Erlaß von Richtlinien und Beschlüssen.

§ 24. Die Besetzung der Kollegien und Senate. (1) Die Kollegien werden durch einen Vorsitzenden geleitet. Ihnen gehören die auf dem jeweiligen Sachgebiet tätigen Oberrichter und Richter des Obersten Gerichts an.

(2) Die Senate entscheiden mit einem Oberrichter als Vorsitzenden und zwei Richtern, in Arbeitsrechtssachen mit einem Oberrichter als Vorsitzenden, einem Richter und drei Schöffen.

(3) Die Vorsitzenden der Kollegien und die Oberrichter werden vom Präsidenten des Obersten Gerichts berufen.

:(4) Der Präsident oder der Vizepräsident des Obersten Gerichts kann in jeder Sache den Vorsitz übernehmen.

Zweiter. Abschnitt
Das Bezirksgericht

§ 25. Bildung der Bezirksgerichte. Für jeden Bezirk wird ein Bezirksgericht gebildet.

§ 26. Die Stellung und die Aufgaben des Bezirksgerichts. (1) Das Bezirksgericht ist das oberste Organ der Rechtsprechung im Bezirk.

 (2) Das Bezirksgericht leitet die Tätigkeit der Kreisgerichte im Bezirk auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates und anderer  Rechtsvorschriften sowie der Richtlinien und Beschlüsse des Obersten Gerichts.

(3) Das Bezirksgericht ist dem Obersten Gericht für seine Rechtsprechung und für die einheitliche und richtige Gesetzesanwendung durch alle Kreisgerichte im Bezirk verantwortlich.

(4) Der Direktor des Bezirksgerichts nimmt an der Tagungen des Bezirkstages teil.

§ 27. Die Besetzung und die Organe des Bezirksgerichts. (1) Das Bezirksgericht wird mit dem Direktor, seinen Stellvertretern und der erforderlichen Anzahl von Oberrichtern und Richtern besetzt.

(2) Beim Bezirksgericht werden gebildet:
    Das Plenum des Bezirksgerichts,
    das Präsidium des Bezirksgerichts
    und Senate für Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen.

§ 28. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichts. Das Bezirksgericht ist zuständig
als Gericht erster Instanz in Strafsachen für die Entscheidung
    über Staatsverbrechen;
    über vorsätzliche Tötungsverbrechen;
    über Verbrechen gegen die Volkswirtschaft, soweit nicht der Staatsanwalt Anklage beim Kreisgericht erhebt;
    über andere Strafsachen, die wegen ihrer Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge vom Staatsanwalt des Bezirks beim Bezirksgericht angeklagt oder vom Direktor des Bezirksgerichts vor Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Kreisgericht an das Bezirksgericht herangezogen werden;
als Gericht erster Instanz in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen für die Entscheidung
    über Streitigkeiten, in denen vor Eintritt in die mündliche Verhandlung des Kreisgerichts wegen der Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge der Sache der Staatsanwalt des Bezirks die Verhandlung vor dem Bezirksgericht beantragt oder der Direktor des Bezirksgerichts die Sache an das Bezirksgericht heranzieht;
    als Gericht zweiter Instanz in Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen für die Entscheidung über die Rechtsmittel  des Protestes, der Berufung und der Beschwerde gegen die Entscheidung der Kreisgerichte;
als Kassationsgericht für die Entscheidung
    über den Antrag des Direktors des Bezirksgerichts oder des Staatsanwalts des Bezirkes auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Kreisgerichte im Bezirk.

Durch Gesetz vom 12. Januar 1968 erhielt der § 28 hinsichtlich der Zuständigkeit des Bezirksgerichts für Strafsachen folgende Fassung:
"Das Bezirksgericht ist zuständig
als Gericht erster Instanz in Strafsachen für die Entscheidung
    über Verbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte;
    über Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik:
    über vorsätzliche Tötungsverbrechen;
    über Verbrechen gegen die Volkswirtschaft, soweit nicht der Staatsanwalt Anklage beim Kreisgericht erhebt;
    über andere Strafsachen, die wegen ihrer Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge vom Staatsanwalt des Bezirkes beim Bezirksgericht angeklagt oder vom Direktor des Bezirksgerichts vor Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Kreisgericht an das Bezirksgericht herangezogen werden."

Das Plenum des Bezirksgerichts

§ 29. Die Aufgaben des Plenums. Das Plenum ist das höchste Organ des Bezirksgerichts zur Leitung der Tätigkeit des Präsidiums und der Senate des Bezirksgerichts und der Kreisgerichte im Bezirk und sichert die einheitliche und richtige Gesetzesanwendung durch die Senate des Bezirksgerichts und die Kreisgerichte im Bezirk.

§ 30. Die Zusammensetzung des Plenums. (1) Dem Plenum des Bezirksgerichts gehören an
    der Direktor des Bezirksgerichts und seine Stellvertreter,
    die Oberrichter und Richter des Bezirksgerichts,
    drei bis zehn Direktoren von Kreisgerichten.

(2) Die Direktoren der Kreisgerichte werden auf Vorschlag des Direktors des Bezirksgerichts vom Präsidium des Obersten Gerichts als Mitglieder des Plenums des Bezirksgerichts bestätigt.

(3) Der Staatsanwalt des Bezirks und ein Vertreter des Bezirksvorstandes des FDGB nehmen ständig an den Tagungen des Plenums teil.

(4) Das Plenum ist beschlußfähig, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind.

(5) Das Plenum des Bezirksgerichts tagt mindestens einmal in zwei Monaten. Es wird vom Präsidium des Bezirksgerichts einberufen und vom Direktor geleitet.

§ 31. Beschlüsse des Plenums. (1) Das Plenum des Bezirksgerichts erläßt Beschlüsse zur Anleitung der Senate des Bezirksgerichts und der Kreisgerichte zur einheitlichen und richtigen Anwendung der Gesetze und anderer gesetzlicher Vorschriften auf der Grundlage der Richtlinien, Beschlüsse und Entscheidungen des Obersten Gerichts.

(2) Der Staatsanwalt des Bezirks kann beim Plenum des Bezirksgerichts den Erlaß von Beschlüssen beantragen.

(3) Gegen Beschlüsse des Plenums und des Präsidiums des Bezirksgerichts zur Leitung der Rechtsprechung kann der Staatsanwalt des Bezirks innerhalb von zwei Wochen nach Erlaß Einspruch beim Direktor des Bezirksgerichts einlegen. Das Plenum hat innerhalb von zwei Wochen zum Einspruch Stellung zu nehmen. Wird dem Einspruch nicht oder nicht in vollem Umfang stattgegeben, so kann der Generalstaatsanwalt beim Präsidium des Obersten Gerichts die Entscheidung über den angefochtenen Beschluß beantragen. Bis zur Entscheidung durch das Präsidium des Obersten Gerichts ist die Durchführung der Beschlüsse des Plenums des Bezirksgerichts auszusetzen.

Das Präsidium des Bezirksgerichts

§ 32. Die Stellung und die Besetzung des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist das kollektive Organ des Bezirksgerichts zur Organisierung der Tätigkeit des Bezirksgerichts, besonders der seines Plenums sowie zur Leitung der Tätigkeit der Kreisgerichte im Bezirk zwischen den Tagungen des Plenums.

(2) Dem Präsidium gehören an
    der Direktor des Bezirksgerichts und seine Stellvertreter,
    die Oberrichter des Bezirksgerichts.

(3) Zur Unterstützung des Bezirksgerichts bei der Leitung der Rechtsprechung der Kreisgerichte wird beim Präsidium des Bezirksgerichts eine Inspektionsgruppe gebildet.

Die Inspektionsgruppe wird durch einen Stellvertreter des Direktors geleitet.

§ 33. Die Aufgaben des Präsidiums. (1) Das Präsidium ist verantwortlich für
    die Vorbereitung und Einberufung der Tagungen des Plenums,
    die Vorbereitung der Beschlüsse des Plenums,
    den Erlaß von Beschlüssen zur Leitung der Rechtsprechung zwischen den Tagungen des Plenums, die für die Kreisgerichte des Bezirks verbindlich sind,
    die Auswertung der Rechtsprechung der Senate des Bezirksgerichts und der Kreisgerichte sowie der an das Bezirksgericht gerichteten Eingaben der Bürger.

(2) Das Präsidium entscheidet über den Antrag des Direktors des Bezirksgerichts oder des Staatsanwalts des Bezirks auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen der Kreisgerichte.

(3) Das Präsidium entscheidet, wenn ein Senat des Bezirksgerichts in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Präsidiums abweichen will.

(4) Das Präsidium regelt die Geschäftsverteilung und bestimmt den Disziplinarausschuß des Bezirksgerichts. Die Senate des Bezirksgerichts

§ 34. Die Aufgaben und die Besetzung der Senate. (1) Die Senate üben die Rechtsprechung des Bezirksgerichts in erster und zweiter Instanz aus.

(2) Die Senate entscheiden in erster Instanz in der Besetzung mit einem Oberrichter oder Richter als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Außerhalb der Hauptverhandlung oder der mündlichen Verhandlung entscheidet der Vorsitzende allein, soweit nicht gesetzlich die Mitwirkung der Schöffen angeordnet ist.

(3) Ausnahmsweise kann in Strafsachen von besonders großem Umfang der Direktor des Bezirksgerichts die Mitwirkung eines zweiten Richters anordnen.

(4) Die Senate entscheiden in zweiter Instanz in der Besetzung mit einem Oberrichter als Vorsitzenden und zwei weiteren Richtern.

Der Senat für Arbeitsrechtssachen entscheidet in zweiter Instanz in der Besetzung mit einem Arbeitsrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(5) Der Direktor. des Bezirksgerichts kann in jeder Sache den Vorsitz übernehmen.

§ 35. Die Zusammenarbeit des Bezirksgerichts mit den Bezirkstagen, den Staats- und Wirtschaftsorganen sowie mit den Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und den gesellschaftlichen Massenorganisationen. Die Bezirksgerichte haben mit den Bezirkstagen, Staats- und Wirtschaftsorganen ihres Bezirks sowie mit den Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und den gesellschaftlichen Massenorganisationen ständig zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit dient der Auswertung der sich aus der Tätigkeit der Bezirksgerichte ergebenden Schlußfolgerungen für die Erhöhung der Wirksamkeit der staatlichen Leitungstätigkeit bei der Lösung des sozialistischen Aufbaus, der Festigung der Gesetzlichkeit und der Entwicklung des Staats- und Rechtsbewußtseins der Bürger sowie der verstärkten Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte bei der Bekämpfung von Rechtsverletzungen und der Überwindung ihrer Ursachen.

Dritter Abschnitt
Das Kreisgericht

§ 36. Die Bildung der Kreisgerichte. Für jeden Land- beziehungsweise Stadtkreis wird ein Kreisgericht gebildet. Bestehen in einem Stadtkreis Stadtbezirke, so wird für jeden Stadtbezirk ein Kreisgericht (Stadtbezirksgericht) gebildet.

§ 37. Die Aufgaben des Kreisgerichts. (1) Das Kreisgericht entscheidet über alle in seine Zuständigkeit übertragenen Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen auf der Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates, anderer Rechtsvorschriften sowie der Richtlinien und Beschlüsse des Obersten Gerichts und des Bezirksgerichts.

(2) Das Kreisgericht ist dem Bezirksgericht für seine Tätigkeit verantwortlich.

§ 38. Die Zuständigkeit des Kreisgerichts. (1) Das Kreisgericht ist zuständig für alle Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen, soweit nicht nach §§ 13 und 28 die Zuständigkeit eines höheren Gerichts begründet ist.

(2) Das Kreisgericht ist weiterhin zuständig für die Entscheidung über den Einspruch gegen, eine Entscheidung der Konflikt- oder Schiedskommission sowie über die Vollstreckbarkeitserklärung von Entscheidungen der Konflikt- oder Schiedskommissionen über Schadenersatzleistungen oder Geldforderungen.

(3) Das Kreisgericht ist zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Staatlichen Notariats und eines Einzelnotars. Es entscheidet endgültig.

Durch Gesetz vom 12. Januar 1968 wurde dem § 38 folgender Absatz angefügt:
"(4) Das Kreisgericht ist zuständig für die Verhandlung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine polizeiliche Strafverfügung wegen einer Verfehlung."

Durch Gesetz vom vom 11. Juni 1968 wurde im § 38 Abs. 2 die Worte "über Schadensersatzleistungen oder Geldforderungen" ersatzlos gestrichen.

§ 39. Besetzung und Gliederung des Kreisgerichts. (1) Das Kreisgericht wird mit einem Direktor und der erforderlichen Zahl von Richtern besetzt. Die Rechtsprechung des Kreisgerichts wird durch Kammern für Straf-; Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen aus, geübt.

(2) Die Kammern sind mit einem Richter als Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt.

(3) Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein; soweit nicht die Mitwirkung der Schöffen gesetzlich vorgeschrieben ist.

(4) Der Minister der Justiz kann bestimmen, daß die Kammer für Arbeitsrechtssachen für mehrere Kreise zuständig ist.

(5) Der Direktor des Kreisgerichts kann anordnen, daß außerhalb des Sitzes des Kreisgerichts regelmäßig Gerichtstabe abgehalten werden,

§ 40. Die Aufgaben des Direktors des Kreisgerichts. (1) Der Direktor leitet und organisiert die Tätigkeit des Kreisgerichts. Er sichert die Durchführung der dem Kreisgericht übertragenen Aufgaben.

(2) Der Direktor nimmt ständig an der Rechtsprechung des Kreisgerichts teil. Er kann in jeder Sache den Vorsitz übernehmen.

(3) Der Direktor des Kreisgerichts nimmt an den Sitzungen des Kreistages teil.

§ 41. Die Zusammenarbeit der Kreisgerichte mit den Kreistagen, den Staats- und Wirtschaftsorganen sowie mit den Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und den gesellschaftlichen Massenorganisationen. Die Kreisgerichte haben mit den Kreistagen; mit den Staats- und Wirtschaftsorganen ihres Bereichs sowie den Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und den gesellschaftlichen Massenorganisationen ständig zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit dient der Auswertung der sich aus der Tätigkeit der Kreisgerichte ergebenden Schlußfolgerungen für die Erhöhung der Wirksamkeit der staatlichen Leitungstätigkeit bei der Lösung der Probleme des sozialistischen Aufbaus, der Festigung der Gesetzlichkeit und der Entwicklung des Staats- und Rechtsbewußtseins der Bürger sowie der verstärkten Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte bei der Bekämpfung von Rechtsverletzungen und der Überwindung ihrer Ur sachen.

§ 42. Rechtsauskunftstellen. Bei jedem Kreisgericht wird eine Rechtsauskunftstelle zur Erteilung von Rechtsauskünften an die Bevölkerung gebildet. Sie steht unter der Verantwortung des Direktors.

§ 43. Gerichtsvollzieher. (1) Dem Gerichtsvollzieher beim Kreisgericht obliegt die Durchführung der Vollstreckung und Zustellung sowie Erfüllung sonstiger Aufgaben nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.

(2) Ein Gerichtsvollzieher kann für mehrere Kreisgerichte tätig sein.

Vierter Abschnitt
Die Militärober- und Militärgerichte

§ 44. Die Stellung und die Aufgaben der Militärober- und Militärgerichte bestimmen sich nach der Militärgerichtsordnung.

siehe hierzu den Erlaß des Staatsrates der DDR über die Stellung und die Aufgaben der Gerichte für Militärstrafsachen (Militärstrafgerichtsordnung) vom 4. April 1963 (GBl. I. S. 71).

Drittes Kapitel
Die Richter und Schöffen

§ 45. (1) Die Richter und Schöffen müssen nach ihrer Persönlichkeit und Tätigkeit die Gewähr dafür bieten, daß sie ihre Funktion gemäß den Grundsätzen der Verfassung und den Gesetzen ausüben, sich für den Sozialismus einsetzen und der Arbeiter-und-Bauern-Macht treu ergeben sind.

(2) Die Richter und Schöffen üben die Funktion eines Richters in vollem Umfange und mit gleichem Stimmrecht aus.

Erster Abschnitt
Die Richter

§ 46. Grundpflichten des Richters. (1) Die Richter der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik sind verpflichtet,
    ihr hohes Amt auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle des werktätigen Volkes und ihres sozialistischen Staates auszuüben;
    sich gerecht und unparteiisch gegenüber jedermann zu verhalten;
    sich stets und überall des mit ihrer Wahl ausgesprochenen Vertrauens würdig zu erweisen;
    sich eng mit den Werktätigen zu verbinden, sich aufmerksam und feinfühlig zu den Vorschlägen und Sorgen der Werktätigen zu verhalten und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen;
    tief in die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung einzudringen und die Grundfragen der Politik der Deutschen Demokratischen Republik zu beherrschen;
    ständig ihr Wissen zu vervollkommnen, gründlich die Probleme des sozialistischen Aufbaues, besonders bei der Entwicklung der sozialistischen Volkswirtschaft, zu studieren und daraus Schlußfolgerungen für ihre Tätigkeit zu ziehen.

(2) Die Richter sind verpflichtet, mit den Schöffen, den Konflikt- und Schiedskommissionen eng zusammenzuarbeiten und ihre Tätigkeit zu fördern.

(3) Die Richter sind verpflichtet, Staatsdisziplin und in allen dienstlichen Angelegenheiten die erforderliche Verschwiegenheit zu wahren.

§ 47. Verpflichtung der Richter. Auf die Grundpflichten sind die Richter durch die Volksvertretung unmittelbar nach ihrer Wahl zu verpflichten.

Wahl und Abberufung des Richters

§ 48. Voraussetzung der Wahl. Als Richter kann jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gewählt werden, dessen Persönlichkeit den an einen Richter gesetzlich gestellten Anforderungen entspricht, der eine juristische Ausbildung auf einer dazu bestimmten Ausbildungsstätte erworben hat, das Wahlrecht besitzt und mindestens 25 Jahre alt ist.

§ 49. Wahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Richter des Obersten Gerichts. Der Präsident, der Vizepräsident und die Richter des Obersten Gerichts werden auf Vorschlag des Staatsrates von der Volkskammer auf vier Jahre, jeweils nach Neuwahl der Volkskammer, innerhalb von drei Monaten gewählt.

§ 50. Hilfsrichter beim Obersten Gericht. (1) Auf Vorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichts kann der Staatsrat einen Richter eines anderen Gerichts oder geeignete Persönlichkeiten, die den an einen Richter zu stellenden Anforderungen entsprechen; für die Zeit bis zu einem Jahr als Hilfsrichter beim Obersten Gericht berufen.

(2) Die Zahl der Hilfsrichter darf ein Drittel der Zahl der für das Oberste Gericht gewählten Richter nicht überschreiten.

§ 51. Wahl der Direktoren, der Richter der Bezirks- und Kreisgerichte. (1) Die Direktoren und die Richter der Bezirksgerichte werden durch die Bezirkstage auf vier Jahre, jeweils nach Neuwahl des Bezirkstages; innerhalb von drei Monaten gewählt.

(2) Die Direktoren und die Richter der Kreisgerichte werden im Landkreis durch den Kreistag, im Stadtkreis durch die Stadtverordnetenversammlung und -in Großstädten mit Stadtbezirken durch die Stadtbezirksversammlungen auf vier Jahre, jeweils nach Neuwahl des Kreistages, der Stadtverordnetenversammlung bzw. der Stadtbezirksversammlung; innerhalb von drei Monaten gewählt.

(3) Die Wahl der Direktoren und der Richter findet in öffentlicher Sitzung der zuständigen örtlichen Volksvertretung statt. Sind mehrere Richter zu wählen, wird über die Kandidaten einzeln abgestimmt.

siehe hierzu auch den Beschluß des Staatsrates der DDR über die Wahl der Richter und Schöffen der Bezirksgerichte vom 30. November 1963 (GBl. I. S. 179).

§ 52. Kandidatenvorschläge und Ernennung der Stellvertreter der Direktoren der Gerichte und der Oberrichter der Bezirksgerichte. (1) Der Minister der Justiz bestimmt die Zahl der Richter, die für die einzelnen Bezirks- und Kreisgerichte zu wählen sind. Er reicht im Einvernehmen mit den zuständigen Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland die Kandidatenvorschläge ein. Der Vorschlag für die Wahl der Richter der Senate und Kammern für Arbeitsrechtssachen der Bezirks- bzw. Kreisgerichte wird dem Minister der Justiz vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund unterbreitet.

(2) Aus der Zahl der gewählten Richter ernennt der Minister der Justiz die Stellvertreter der Direktoren der Bezirks- und Kreisgerichte und die Oberrichter bei den Bezirksgerichten.

§ 53. Nachwahl. (1) Eine Nachwahl für den Rest der Wahlperiode wird durchgeführt, wenn die Zahl der an einem Gericht tätigen Richter erhöht werden muß oder ein gewählter Richter wegen Abberufung, Entpflichtung oder Tod ausscheidet.

(2) Von einer Nachwahl kann abgesehen werden, wenn die Zeit bis zum Beginn der neuen Wahlperiode nicht mehr als sechs Monate beträgt. Das zuständige Organ, das den Richter gewählt hat, ist zu unterrichten.

§ 54. Abordnung eines Richters des Bezirks- oder Kreisgerichts. (1) Ein Richter des Bezirks- oder Kreisgerichts kann für die Dauer bis zu sechs Monaten abgeordnet werden, wenn
    bei einem Bezirks- oder Kreisgericht wegen Krankheit, Urlaub oder anderen wichtigen Gründen ein Richter vorübergehend seine Funktion nicht ausüben kann;
    bei einem Bezirks- oder Kreisgericht sich auf Grund der Veränderungen der territorialen Gliederung oder aus anderen Gründen der Arbeitsanfall beträchtlich erhöht.

Die Abordnung innerhalb eines Bezirks erfolgt durch den Direktor des Bezirksgerichts.

Die Abordnung in einen anderen Bezirk erfolgt durch den Minister der Justiz.

(2) Der Richter eines Bezirks- oder Kreisgerichts kann durch den Minister der Justiz weiterhin abgeordnet werden, wenn dies zu seiner Qualifizierung oder aus anderen Gründen erforderlich ist.

(3) Die zuständige Volksvertretung ist von jeder Abordnung zu unterrichten.

§ 55. Übergang eines Richters an ein anderes Gericht. Der Richter eines Bezirks- oder Kreisgerichts kann als Richter für ein anderes Bezirks- oder Kreisgericht oder für ein höheres Gericht durch die dafür zuständige Volksvertretung gewählt werden. Vor der Wahl ist die Zustimmung der Volksvertretung, die ihn gewählt hat, einzuholen.

§ 56. Entpflichtung des Richters. (1) Ein Richter bedarf der Entpflichtung, wenn er wegen Übernahme einer anderen staatlichen Funktion oder wegen Krankheit oder aus einem anderen wichtigen Grund aus seiner Funktion ausscheidet.

(2) Der Minister der Justiz beantragt auf das Gesuch eines Richters dessen Entpflichtung bei der örtlichen Volksvertretung, die ihn gewählt hat, wenn er, das Gesuch des betreffenden Richters für begründet hält. Der Antrag auf Entpflichtung eines Richters des Obersten Gerichts wird vom Staatsrat der Volkskammer unterbreitet.

(3) Eine Entpflichtung kann ohne Gesuch erfolgen; wenn der Richter körperlich oder geistig zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mehr fähig ist.

§ 57. Abberufung und vorläufige Abberufung. (1) Ein Direktor oder ein Richter eines Bezirks- oder Kreisgerichts kann auf Vorschlag des Ministers der Justiz vor Ablauf seiner Wahlperiode von der Volksvertretung, die ihn gewählt hat, abberufen werden. Die Abberufung eines Richters für Arbeitsrechtssachen kann beim Minister der Justiz vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund angeregt werden.

(2) Der Präsident, der Vizepräsident sowie Richter des Obersten Gerichts können vor Ablauf der Wahlperiode auf Vorschlag des Staatsrates von der Volkskammer abberufen werden.

(3) Die Abberufung ist zulässig, wenn
a) er gegen die Verfassung oder andere Gesetze verstoßen oder sonst seine Pflichten gröblich verletzt hat;
b) er rechtskräftig zu einer gerichtlichen Strafe verurteilt worden ist;
c) Tatsachen über sein Verhalten bekannt werden, die vor der Wahl liegen und bei Würdigung aller Umstände einer weiteren Ausübung seiner Tätigkeit entgegenstehen.

(4) Vor der Entscheidung über die Abberufung ist der Betroffene zu hören.

(5) Der Richter, gegen den ein Abberufungsverfahren schwebt oder gegen den eine Strafverfolgung eingeleitet wurde, kann bis zum Abschluß des Verfahrens durch das die Abberufung vorschlagende Organ von seiner Funktion vorläufig abberufen werden. Von der vorläufigen Abberufung des Richters ist das zuständige Organ, das ihn gewählt hat, zu unterfichten.

Disziplinarische Verantwortung des Richters

§ 58. (1) Ein Richter, der seine Pflichten verletzt, kann vor einem richterlichen Disziplinarausschuß zur Verantwortung gezogen werden.

(2) Disziplinarausschüsse werden bei dem Obersten Gericht und bei den Bezirks- und Militärobergerichten gebildet. Der Disziplinarausschuß bei dem Obersten Gericht ist für Disziplinarverfahren gegen Richter des Obersten Gerichts und der Bezirks- und Militärobergerichte, der Disziplinarausschuß bei den Bezirksgerichten für Disziplinarverfahren gegen Richter der Kreisgerichte und der Disziplinarausschuß bei den Militärobergerichten für Disziplinarverfahren gegen Militärrichter der Militärgerichte zuständig.

(3) Gegen den Präsidenten und Vizepräsidenten des Obersten Gerichts findet ein Disziplinarverfahren nicht statt.

§ 59. (1) Die Disziplinarausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, die vom Präsidium aus den Mitgliedern des Gerichts ausgewählt werden.

(2) Gegen die Entscheidung der Disziplinarausschüsse bei den Bezirks- und Militärobergerichten ist die Beschwerde an den Disziplinarausschuß bei dem Obersten Gericht zulässig. Gegen die Entscheidung des Disziplinarausschusses bei dem Obersten Gericht ist, soweit sie in erster Instanz getroffen wird, die Beschwerde an das Präsidium des Obersten Gerichts zulässig.

§ 60. Die Voraussetzungen und die Durchführung des Disziplinarverfahrens werden in einer Disziplinarordnung für Richter geregelt, die der Minister der Justiz im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Obersten Gerichts erläßt.

Zweiter Abschnitt
Die Schöffen

§ 61. Stellung der Schöffen. Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. Die Schöffen werden vom Volke gewählt. Durch sie nimmt die Bevölkerung unmittelbar an der Rechtsprechung teil.

§ 62. Aufgaben der Schöffen. (1) Die Schöffen üben die Funktion eines Richters in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus. Sie haben sich beruflich und außerberuflich vorbildlich zu verhalten.

(2) Die Schöffen tragen dazu bei,
    die Rechtsprechung enger mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu verbinden;
    dem Gericht bei der sachkundigen Lösung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung durch die Rechtsprechung zu helfen;
    die gesellschaftliche Wirksamkeit der Rechtsprechung zu erhöhen;
    den Kampf gegen Rechtsverletzungen zu verstärken und die Werktätigen zur Überwindung ihrer Ursachen zu mobilisieren;
    das sozialistische Staats- und Rechtsbewußtsein der Bürger und ihre Kenntnis der Gesetze des Arbeiter-und-Bauern-Staates zu entwickeln.

§ 63. Voraussetzungen für die Wahl der Schöffen. (1) Als Schöffe kann jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gewählt werden, der das Wahlrecht besitzt und das 25. Lebensjahr vollendet hat und dessen Persönlichkeit die Gewähr bietet, daß er die dem Schöffen vom Gesetz gestellten Aufgaben erfüllt.

(z) Richter, Staatsanwälte, Mitarbeiter der Untersuchungsorgane und Rechtsanwälte dürfen nicht als Schöffen gewählt werden.

§ 64. Wahl der Schöffen. Die Schöffen werden für die Dauer von vier Jahren für die gleiche Wahlperiode wie die Richter gewählt, und zwar
die Schöffen der Kreisgerichte und der Kammern für Arbeitsrechtssachen:
    in Versammlungen der Werktätigen jeweils innerhalb von drei Monaten nach Neuwahl des Kreistages;
die Schöffen der Bezirksgerichte und der Senate für Arbeitsrechtssachen:
    von dem Bezirkstag jeweils innerhalb von drei Monaten nach Neuwahl des Bezirkstages;
die Schöffen des Senats für Arbeitsrechtssachen beim Obersten Gericht:
    von der Volkskammer jeweils innerhalb von drei Monaten nach Neuwahl der Volkskammer.

siehe hierzu auch den Beschluß des Staatsrates der DDR über die Wahl der Richter und Schöffen der Bezirksgerichte vom 30. November 1963 (GBl. I. S. 179).

§ 65. (1) Die Anzahl der für jedes Kreis- und Bezirksgericht zu wählenden Schöffen wird vom Minister der Justiz bestimmt. Die Anzahl der für den Senat für Arbeitsrechtssachen beim Obersten Gericht zu wählenden Schöffen wird vom Präsidenten des Obersten Gerichts bestimmt.

(2) Die näheren Bestimmungen über die Durchführung der Wahlen der Schöffen für die Bezirks- und Kreisgerichte werden in einer Wahlordnung getroffen.

§ 66. Verpflichtung der Schöffen und Berichterstattung vor den Wählern. (1) Die Schöffen eines jeden Bezirks- oder Kreisgerichts werden nach ihrer Wahl in einer gemeinsamen Sitzung des jeweiligen Gerichts durch den Direktor feierlich verpflichtet. Die Schöffen des Senats für Arbeitsrechtssachen beim Obersten Gericht werden vorn Präsidenten des Obersten Gerichts verpflichtet.

(2) Die Schöffen der Kreisgerichte haben ihren Wählern über die Erfüllung der mit ihrer Wahl übernommenen Verpflichtungen zu berichten.

§ 67. Abberufung der Schöffen. Erweist sich ein Schöffe für sein Amt als ungeeignet, so kann er auf Vorschlag des Direktors des Gerichts von der zuständigen Volksvertretung abberufen werden. Die Schöffen des Senats für Arbeitsrechtssachen beim Obersten Gericht können auf Vorschlag des Staatsrates von der Volkskammer abberufen werden.

§ 68. Einsatz der Schöffen. (1) Die Schöffen werden nach einem halbjährlich aufzustellenden Plan zur Rechtsprechung herangezogen.

(2) Ein Schöffe eines Bezirks- oder Kreisgerichts soll an zwölf möglichst aufeinanderfolgenden Tagen im Jahr an der Rechtsprechung des Gerichts teilnehmen.

(3) Die Schöffen werden über den Einsatz am Gericht hinaus zur Erfüllung der bei der Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Rechtsprechung zu lösenden Aufgaben herangezogen.

§ 89. Entschädigung der Schöffen. (1) Durch die Ausübung des Schöffenamtes dürfen dem Schöffen keine beruflichen und materiellen Nachteile erwachsen. Dem in einem Arbeitsrechtsverhältnis stehenden Schöffen ist ein Ausgleich in Höhe des Durchschnittsverdienstes für die Zeit der Ausübung des Schöffenamtes zu zahlen. Schöffen, die in keinem Arbeitsrechtsverhältnis stehen, haben nach Maßgabe der bestehenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfälle und alle Schöffen auf Ersatz der Auslagen.

(2) Schöffen, die trotz ordnungsmäßiger Ladung ausbleiben, sind die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen, falls sie nicht bis spätestens eine Woche nach dem Termin eine genügende Entschuldigung abgeben.

Viertes Kapitel
Persönlicher Geltungsbereich der Rechtsprechung

§ 70. Diplomatische Vertretungen. (1) Die Rechtsprechung der Gerichte erstreckt sich nicht auf die Leiter und Mitglieder der bei der Deutschen Demokratischen Republik beglaubigten diplomatischen Vertretungen und auf andere Personen, die nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts oder nach einem Staatsvertrag der Rechtsprechung der deutschen Gerichte nicht unterstehen.

(2) Das gleiche gilt für die den Hausstand teilenden Familienmitglieder der in Abs. 1 bezeichneten Personen.

§ 71. Konsuln. Die in der Deutschen Demokratischen Republik tätigen Konsuln fremder Staaten unterstehen der Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik, sofern nicht durch Staatsvertrag anderweitige Bestimmungen getroffen sind.

Fünftes Kapitel
Gerichtssprache

§ 72. (1) Die Gerichtssprache ist deutsch.

(2) Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, können sich ihrer Muttersprache bedienen.

§ 73. Sorben haben in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung das Recht, die sorbische Sprache zu gebrauchen, auch wenn sie der deutschen Sprache mächtig sind. In diesem Fall kann in sorbischer Sprache verhandelt werden. Das Protokoll ist in deutscher Sprache zu übersetzen.

Sechstes Kapitel
Rechtshilfe

§ 74. (1) Die Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik haben sich gegenseitig sowie der Staatsanwaltschaft in Straf-, Zivil-. Familien- und Arbeitsrechtssachen Rechts- und Vollstreckungshilfe zu leisten.

(2) Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Bereiches ohne Zustimmung des zuständigen Kreisgerichts nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzuge ist. In diesem Fall ist dein zuständigen Kreisgericht Anzeige zu machen.

§ 75. Rechtshilfeersuchen. (1) Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Kreisgericht zu richten, in dessen Bereich die Amtshandlung vorgenommen werden soll.

(2) Das Ersuchen darf nur abgelehnt werden, wenn das ersuchte Gericht örtlich unzuständig oder die vorzunehmende Handlung unzulässig oder der Gegenstand des Ersuchens nicht hinreichend bestimmt ist. Das Ersuchen eines im Instanzenzug vorgesetzten Gerichts darf nicht wegen örtlicher Unzuständigkeit abgelehnt werden.

(3) Wird das Ersuchen abgelehnt, so entscheidet das Bezirksgericht, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Seine Entscheidung ist endgültig.

Siebentes Kapitel
Übergangs- und Schlußbestimmungen

§ 75. Durchführungsverordnung. Durchführungsverordnungen zum Gerichtsverfassungsgesetz erläßt der Ministerrat. Er kann den Minister der Justiz mit dem Erlaß von Durchführungsbestimmungen beauftragen.

§ 77. Verlängerung der Wahlperiode der Richter. Die Wahlperiode der gewählten Richter wird bis zu den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz ergebenden Wahlterminen verlängert.

§ 78. Schlußbestimmung. (1) Das Gerichtsverfassungsgesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden aufgehoben:
a) Das Gesetz vom 2. Oktober 1952 über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) (GBl. S. 983) in der Fassung des Gesetzes vom 1. Oktober 1959 zur Änderung und Ergänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes (GBl. I S. 756);
b) das Gesetz vom 1. Oktober 1959 zur Änderung und Ergänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes (GBl. I S. 753);
c) das Gesetz vom 1. Oktober 1959 über die Wahl der Richter der Kreis- und Bezirksgerichte durch dis örtlichen Volksvertretungen (GBl. I S. 751);
d) die Erste Durchführungsbestimmung vom 24. März 1960 zum Gesetz über die Wahl der Richter der Kreis- und Bezirksgerichte durch die örtlichen Volksvertretungen (GBl. I S. 248);
e) das Gesetz vom 24. Januar 1962 zur Ergänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. I S. 28);
f) die Durchführungsverordnung vom 24. Januar 1962 zum Gerichtsverfassungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. II 5.58);
g) die Zweite Durchführungsverordnung vom 4. Mai 1962 zum Gerichtsverfassungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. II S. 283);
h) die Erste Durchführungsbestimmung vom 31. August 1953 zum Gerichtsverfassungsgesetz (GBl. S. 959);
i) die Dritte Durchführungsbestimmung vom 2. August 1957 zum Gerichtsverfassungsgesetz - Bestellung von Dolmetschern und Übersetzern für den Bereich der Justiz = (GBl. I S. 457);
j) die Vierte Durchführungsbestimmung vom 14. Dezember 1960 zum Gerichtsverfassungsgesetz (GBl. II S. 517);
k) das Gesetz vom 8. Dezember 1949 über die Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 111).

in Kraft getreten am 25. April 1963.

Das vorstehende; von der Volkskammer am siebzehnten April neunzehnhundertdreiundsechzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den achtzehnten April neunzehnhundertdreiundsechzig

Der Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
W. Ulbricht

 


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1963 Teil I. S. 45
© 5. Dezember 2004 - 14. Januar 2005

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