Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie

vom 26. Mai 1952

aufgehoben und ersetzt durch
Anordnung über die Neuregelung der Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und Westdeutschland vom 18. Juni 1954 (ZBl. S. 266)

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat der Bonner Regierung und den Regierungen der Westmächte Vorschläge über die Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen und den baldmöglichsten Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland zugeleitet. Dabei ließ sich die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik von dem einmütigen Willen des Volkes leiten, der auf die Erhaltung des Friedens und die Einheit Deutschlands gerichtet ist. Diese Vorschläge wurden von der Adenauer-Regierung abgelehnt, die auf Weisung der amerikanischen, englischen und französischen Besatzungsmächte sich anschickt, den Generalvertrag abzuschließen, der gegen den Friedensvertrag und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands gerichtet ist.

In Verbindung mit dieser Spaltungspolitik haben die Bonner Regierung und die westlichen Besatzungsmächte an der Demarkationslinie einen strengen Grenz- und Zolldienst eingeführt. Damit grenzen sie sich tatsächlich von der Deutschen Demokratischen Republik ab und vertiefen somit die Spaltung Deutschlands.

Das Fehlen eines entsprechenden Schutzes der Demarkationslinie seitens der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Westmächten dazu ausgenutzt, um in immer größerem Umfange Spione, Diversanten, Terroristen und Schmuggler über die Demarkationslinie in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu schleusen. Diese haben bislang nach Ausführung ihrer verbrecherischen Aufgaben leicht die Möglichkeit gehabt, ungehindert über die Demarkationslinie nach Westdeutschland zurückzukehren.

Auf diese Art versuchen die westlichen Agenten die Erfolge des friedlichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaues der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik zu erschweren und die demokratische Ordnung und Gesetzlichkeit, die Stützen des deutschen Volkes im Kampf für Frieden, Einheit und friedlichen Aufbau zu erschüttern.

Durch Handlungen der anglo-amerikanischen Besatzungsmächte und der Bonner Regierung hat sich die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gezwungen gesehen, durch eine Regierungsverordnung Maßnahmen anzuordnen, die das Ziel haben, die Interessen der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik zu verteidigen und das Eindringen von feindlichen Agenten in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik unmöglich zu machen.

Durch diese Regierungsverordnung wird entlang der Demarkationslinie eine besondere Sperrzone errichtet, in der eine besondere Ordnung eingeführt wird.

Zur Durchführung dieser Regierungsverordnung ergeht folgende Polizeiverordnung:

§ 1. Die entlang der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschland festgelegte Sperrzone umfaßt einen 10 m breiten Kontrollstreifen unmittelbar an der Demarkationslinie, anschließend einen etwa 500 m breiten Schutzstreifen unmittelbar an der Demarkationslinie und dann eine etwa 5 km breite Sperrzone.

§ 2. Die Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr sind sofort aufgehoben. Die Demarkationslinie darf nur mit gültigem Interzonenpaß an den vorgesehenen Kontrollpunkten passiert werden.

§ 3. Für Personen, die im Sperrgebiet wohnen, werden ab sofort keine Interzonenpässe mehr ausgegeben. Für Personen, die in Westdeutschland wohnen, werden für das Sperrgebiet keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt. Die Einreise in das Sperrgebiet mit Interzonenpaß oder Visum ist mit sofortiger Wirkung verboten.

§ 4. Das Überschreiten des 10 m Kontrollstreifens ist für alle Personen verboten. Personen, die versuchen, den Kontrollstreifen in Richtung der Deutschen Demokratischen Republik oder Westdeutschland zu überschreiten, werden von den Grenzkontrollstreifen festgenommen. Bei Nichtbefolgung der Anordnungen der Grenzstreifen wird von der Waffe Gebrauch gemacht.

§ 5. Die Bewohner der 5 km Sperrzone sind verpflichtet, sich innerhalb von 48 Stunden nach Inkrafttreten dieser Verordnung, bei den für sie zuständigen Meldestellen der Deutschen Volkspolizei zu melden. Die Personalausweise dieser Ortsansässigen erhalten einen Stempel, der den Ausweisinhabern die Wohnberechtigung in der 5 km Sperrzone gibt. Kinder unter 15 Jahren müssen in dem Deutschen Personalausweis des Vaters oder der Mutter bzw. des Pflegeberechtigten eingetragen sein.

§ 6. In der 5 km Sperrzone sind alle öffentlichen Veranstaltungen, Versammlungen, Kundgebungen und Massenveranstaltungen jeder Art genehmigungspflichtig. Die Genehmigung ist durch die örtlichen Verwaltungsorgane 24 Stunden vor Beginn von der zuständigen Grenzpolizei-Kommandantur einzuholen.

Alle Veranstaltungen, Versammlungen usw. müssen bis 24 Uhr beendet sein.

§ 7. Personen, die in der Deutschen Demokratischen Republik wohnen, aber in der 5 km Sperrzone arbeiten, haben die Pflicht, sich innerhalb von 48 Stunden nach Inkrafttreten dieser Polizeiverordnung bei der für sie zuständigen Volkspolizeibehörde zu melden. Dort erhalten sie einen befristeten Ausweis, der sie zur Ausübung von Arbeiten in der 5 km Sperrzone berechtigt.

§ 8. Einwohner der Deutschen Demokratischen Republik außerhalb der Sperrzone, die aus beruflichen oder anderen Gründen (z. B. Dienstfahrten, Besuch von Angehörigen usw.) vorübergehend in die Sperrzone einreisen wollen, müssen bei dem für ihren Ort zuständigen Kreisamt der Deutschen Volkspolizei einen Passierschein für die Einreise in die 5 km Sperrzone beantragen. Personen, die in die 5 km Sperrzone vorübergehend einreisen, sind verpflichtet, sich mit einer Frist von 12 Stunden bei den örtlichen Polizeibehörden anzumelden, bzw. beim Verlassen des Gebietes abzumelden.

§ 9. Die in dem 500 m Schutzstreifen ortsansässigen Bewohner sind verpflichtet, sich innerhalb von 48 Stunden nach Inkrafttreten dieser Polizeiverordnung in den örtlichen Polizeirevieren zu melden. Dort erhalten sie in ihren Deutschen Personalausweis einen Stempel, der zum Aufenthalt in der 5 km Sperrzone berechtigt.

Nachdem die örtlichen Polizeireviere die Personalausweise dieser Personen mit dem Berechtigungsstempel versehen haben, haben sich die vorgenannten Personen in den zuständigen Kommandos der Grenzpolizei zu melden. Dort erhalten sie einen besonderen Stempel, der ihnen das Wohnrecht in dem 500 m Schutzstreifen gibt.

Kinder unter 15 Jahren, die in diesem Gebiet wohnen, müssen in dein Deutschen Personalausweis des Vaters oder der Mutter bzw. des Pflegeberechtigten eingetragen sein.

Die Bevölkerung ist verpflichtet, alle Personen, die sich widerrechtlich in dem 500 m Schutzstreifen aufhalten, sofort der Deutschen Grenzpolizei zu melden.

§ 10. Innerhalb des 500 m Schutzstreifens ist der Aufenthalt auf Straßen und Feldern, der Verkehr aller Art von Transportmitteln und die Ausführung von Arbeiten aller Art außerhalb der Wohnungen nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gestattet. Die Ausführung von Arbeiten in unmittelbarer Nähe des 10 m Kontrollstreifens ist nur unter Aufsicht der Grenzpolizei gestattet. Zum Aufsuchen der Arbeitsplätze außerhalb der Ortschaften dürfen nur die von der Grenzpolizei vorgeschriebenen Wege benutzt werden.

§ 11. Öffentliche Gaststätten, Kinos, Pensionen, Erholungsheime und andere öffentliche Lokale, die sich in dem 500 m Schutzstreifen befinden, werden geschlossen. Versammlungen und Massenveranstaltungen jeder Art sind verboten.

§ 12. Bauliche oder andere Veränderungen im Gelände dürfen ohne Genehmigung der zuständigen Grenzkommandantur der Deutschen Grenzpolizei nicht vorgenommen werden.

§ 13. Personen, die in der 5 km Sperrzone wohnen, aber in dem 500 m Schutzstreifen arbeiten, sind verpflichtet, sich bei dem zuständigen Grenzkommando registrieren zu lassen.

Nur die bei dem zuständigen Grenzkommando listenmäßig erfaßten Personen haben das Recht, den 500 m Schutzstreifen zu betreten. Zum Aufsuchen der Arbeitsplätze dürfen nur die von der Grenzpolizei festgelegten Wege benutzt werden.

§ 14. Personen, die in der 5 km Sperrzone wohnen und sich aus anderen Gründen (z. B. Dienstfahrten, Besuch von Angehörigen) vorübergehend in dem 500 m Schutzstreifen aufhalten wollen, müssen bei dem zuständigen Grenzkommando einen besonderen Passierschein für den 500 m Schutzstreifen beantragen. Diese Besucher sind verpflichtet, ihren Aufenthalt bzw. Abreise unverzüglich bei der nächsten Grenzwache zu melden. Zur Erreichung des Ortes, für den der Passierschein gültig ist, dürfen nur die von der Grenzpolizei vorgeschriebenen Wege benutzt werden.

§ 15. Personen, die in der Deutschen Demokratischen Republik außerhalb der Sperrzone wohnen, und die aus beruflichen oder familiären Gründen den 500 m Schutzstreifen betreten wollen, müssen bei dem für ihren Ort zuständigen Kreisamt der Deutschen Volkspolizei einen besonderen Passierschein für das Betreten des 500 m Schutzstreifens beantragen. Diese Bewohner sind verpflichtet, ihre Ankunft bzw. Abreise unverzüglich der nächsten Grenzwache zu melden. Die ortsansässige Bevölkerung ist dafür verantwortlich, daß die in den §§ 13 und 14 genannten Besucher, die sich bei diesen aufhalten, diese Bestimmung einhalten.

Diese Verordnung tritt am 27. Mai 1952 0.01 Uhr in Kraft.

Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister
gez. Zaisser


Quellen: Ingo von Münch, Dokumente des geteilten Deutschland, Kröner 391, 1968
© 12. November 2004

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