Edict über die Freyheit der Presse und des Buchhandels

(III. Beilage zur Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818)

ursprüngliche Fassung

aufgehoben und ersetzt durch Edikt vom 4. Juni 1848 (GBl. S. 89)

§ 1. Den offenen Buchhandlungen, und denjenigen, welche zu diesem Gewerbe obrigkeitlich berechtigt sind, ist in Ansehung der bereits gedruckten Schriften freier Verkehr, so wie den Verfassern, Verlegern und berechtigten Buchdruckern im Königreiche in Ansehung der Bücher und Schriften, welche sie in Druck geben wollen, vollkommene Preßfreiheit gestattet. Sie sind hiernach nicht verbunden, solche Schriften einer Censur oder obrigkeitlichen Genehmigung zu unterwerfen, wenn sie nicht allenfalls bei kostbaren Werken, zur Sicherung ihrer bedeutenden Auslagen, selbst darum nachsuchen wollen.

§ 2. Ausgenommen von dieser Freiheit sind alle politische Zeitungen und periodische Schriften politischen oder statistischen Inhalts. Dieselben unterliegen der dafür angeordneten Censur.

§ 3. Auch dürfen Staatsdiener ihre Vorträge und sonstigen Arbeiten über Gegenstände, die ihnen in ihrem Geschäftskreise übertragen sind; ferner statistische Notizen, Verhandlungen, Urkunden und sonstige Nachrichten, zu deren Kenntniß sie nur durch ihre Dienstverhältnisse kommen konnten ohne besondere königliche Erlaubniß nie dem Drucke übergeben. Eben so bleibt ihnen untersagt, Nachrichten politischen oder statistischen Inhalts über die königlichen Staaten in ausländischen Zeitschriften einzurücken, oder an dergleichen Aufsätzen Theil zu nehmen, wenn sie nicht zuvor dem einschlägigen Staatsministerium vorgelegt waren.

§ 4. Damit die Freiheit der Presse und des Buchhandels (§ 1.) nicht mißbraucht werde, wird den Polizeiobrigkeiten jeden Orts über die allda befindlichen Buchhandlungen, Antiquarien, Leihbibliothekinhaber, Leseinstitute, Buchdruckereien und lithographische Anstalten eine allgemeine Aufsicht übertragen; so wie die gesetzliche Bestrafung der durch Schriften begangenen Verbrechen und Vergehen den ordentlichen Gerichten vorbehalten bleibt.

§ 5. Demzufolge sind alle Buchhandlungen, Antiquarien, Leihbibliothekinhaber, die Vorsteher der Leseinstitute und lithographischen Anstalten, die Kupferstich-, Bilder- und Kartenhändler verpflichtet, unter einer Strafe von hundert Thalern, ihre Cataloge der Polizeiobrigkeit zu übergeben.

§ 6. Wenn die Polizei in den ihr übergebenen Catalogen Schriften, Gemälde oder andere sinnliche Darstellungen wahrnimmt; oder wenn die Verbreitung von Schriften oder sinnlichen Darstellungen bei ihr angezeigt wird, wodurch ein im Königreiche bestehendes Strafgesetz übertreten wurde, sey es als Verbrechen, Vergehen oder Polizeiübertretung; so hat sie alsdann dem einschlagenden Untersuchungsgerichte davon die amtliche Anzeige zu machen, und nach Unterschied selbst der Bestrafung wegen geeignet zu verfahren.

§ 7. Betroffen jene Gesetzübertretungen den Monarchen, den Staat und dessen Verfassungen, oder die im Königreiche bestehenden Kirchen- und religiöse Gesellschaften; oder sind Schriften oder sinnliche Darstellungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung durch Aufmunterung zum Aufruhr oder der Sittlichkeit durch Reiz und Verführung zu Wollust und Laster gefährlich; so soll die Polizei die Verbreitung einer solchen Schrift oder sinnlichen Darstellung hemmen, und ein Exemplar derselben an die hier vorgesetzte Polizeibehörde ohne Verzug einsenden, welche längstens in acht Tagen in einer collegialen Berathung die Charaktere der Gesetzwidrigkeit oder Gefährlichkeit sorgfältig zu untersuchen, und, nach Befinden der Umstände, den Beschlag aufzuheben oder fortzusetzen hat.

§ 8. Im letzten Falle, wenn nämlich die obere Polizeibehörde den Beschlag fortzusetzen beschließt, soll sie die Schrift oder bildliche Darstellung mit dem Collegialbeschluß an das Staatsministerium des Innern auf der Stelle einschicken, und dieses erkennt ohne Aufenthalt über die Aufhebung oder Bestätigung des Beschlags. Mit der Bestätigung wird die Schrift öffentlich verboten, und nach Umständen confiscirt.

§ 9. Wer sich durch die Verfügung des Staatsministeriums des Innern beschwert findet; dem ist dagegen die Berufung an den königlichen Staatsrath gestattet, welcher darüber, und zwar immer in einer Plenar-Versammlung, zu erkennen hat.

§ 10. Privatpersonen, gegen welche in Schriften oder sinnlichen Darstellungen ein rechtswidriger Angriff gemacht worden, bleibt es überlassen den Verfasser, und wenn dieser nicht genannt, oder falsch angegeben ist, den Verleger, und aushülfsweise den Drucker oder jeden Verbreiter, wegen der ihnen geschehenen Unbill vor der zuständigen Gerichtsbehörde zu verfolgen.
Diese können aber zu ihrer Sicherheit von der Polizei verlangen, daß sie die Schrift, wegen welcher sie klagen wollen, in Beschlag nehme; jedoch sind sie verbunden, in acht Tagen die Bescheinigung beizubringen, daß die Klage wirklich beim Richter angebracht worden, widrigenfalls den Beschlag nach Ablauf dieser Zeit wieder aufgehoben werden soll.

§ 11. Staatsdiener, welche sich im Falle des § 10. befinden, und im Dienste außer dem Königreiche abwesend sind, sollen durch die Polizei von dem Daseyn einer solchen Schrift ect. benachrichtigt werden; auch ist die provisorische Beschlagnahme der Schrift bis zur einlangenden Erklärung von Amtswegen zu verfügen.

§ 12. Für eine Schrift oder sinnliche Darstellung haftet jederzeit zunächst der Verfasser, und wenn dieser nicht bekannt ist, der Verleger und subsidiarisch der Drucker und jeder Verbreiter.

    München, den 26. Mai 1818

Maximilian Joseph

Zur Beglaubigung:
Egid von Kobell
Königl. Staatsrath und General-Secretair.
 

Quellen: Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1818, S. 181ff, ausgeg. am 24. Juni 1818
K.H.L. Pölitz, Die Verfassungen des teutschen Staatenbundes seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, F.A. Brockhaus. 1847
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