vom 8. August 1878
(Auszug)
geändert und ergänzt durch
Art. 29 des Gesetzes vom 18. August 1879, die
Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden
oder dem Verwaltungsgerichtshofe betreffend (GVBl. S. 991)
Art. 283 des Gesetzes vom 18. August 1879 über
das Gebührenwesen
Art. 52 Abs. 4 und Art. 53 des Gesetzes vom 19.
Mai 1881, die Gewerbesteuer betreffend
ARt. 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes vom
28. Februar 1884, zum Krankenversicherungsgesetz
Reichsgesetz vom 28. Februar 1888, betreffend
die Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften
Art. 9 des Gesetzes vom 5. Mai 1890, betreffend
der Vereinigung der pfälzischen Versicherungsanstalt mti der diesrheinischen
Kgl. Deklaration vom 15. Juni 1898 (GVBl. S.
294)
Art. 55 ff. des Gesetzes vom 9. Juni 1899, die
Gewerbesteuer betreffend (GVBl. Beilage zum Landtagsabschied S. 275)
Gesetz vom 9. Juni 1899, die Einkommensteuer
betreffend (GVBl. Beilage zum Landtagsabschied S. 227)
Gesetz vom 9. Juni 1899, die Kapitalrentensteuer
betreffend (GVBl. Beilage zum Landtagsabschied S. 259)
Art. 165 des Ausführungsgesetzes vom 9.
Juni 1899 zum Bürgerlichen Gesetzbuche
Art. 51 des Gesetzes vom 29. Mai 1886, die Flurbereinigung
betreffend
Gesetz vom 30. Juni 1900, die Abmarkung der Grundstücke
betreffend (GVBl. S. 553)
Gesetz das Bergwesen betreffend in der Fassung
vom 20. Juli 1900 (GVBl. S. 774)
Art. 23 des Schulbedarfsgesetzes vom 28. Juli
1902
nachfolgend das Gesetz in der Fassung aus dem
Jahr 1907
siehe auch das Gesetz über das Verwaltungsstreitverfahren
vom 13. Juni 1910 (GVBl. S. 287)
Ludwig II.
von Gottes Gnaden König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog
von Bayern, Franken und in Schwaben ectl. ect.
Wir haben nach Vernehmung des Staatsraths mit Beirath und Zustimmung der Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Abgeordneten bezüglich der Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2, Art. 8 Ziff. 10, Art. 10 Ziff. 11, Art. 45 Abs. 4, Art. 57 und Art. 53 unter Beobachtung des Tit. X § 7 der Verfassungsurkunde beschlossen und verordnen, was folgt:
I. Von dem Verwaltungsgerichtshofe
Art. 1. Für das Königreich wird ein Verwaltungsgerichtshof errichtet.
Derselbe wird gebildet aus einem Präsidenten, einem Direktor und der erforderlichen Zahl von Räthen.
Sind in einzelnen Fällen so viele Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes verhindert, daß die zur Beschlußfassung erforderliche Zahl nicht mehr vorhanden ist, so können zur Ergänzung Mitglieder des obersten Landesgerichts beigezogen werden. Die Abordnung erfolgt auf Antregung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes durch den Präsidenten des obersten Landesgerichts.
Dem Gerichtshofe wird das entsprechende Personal von Unterbeamten und Bediensteten beigegeben.
Art. 2. Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes genießen die den Richtern zustehenden Rechte und haben gleichen Rang und Gehalt mit den Mitgliedern des obersten Landesgerichts. Verfassungsbestimmung
Während der Dauer ihres Richteramtes können sie im Verwaltungsdienste in keiner Weise verwendet werden.
Art. 3. Die Ernennung uzm Richter des Verwaltungsgerichtshofes ist bedingt durch den Nachweis der Fähigkeit zum Richteramte.
Der Gerichtshof wird, so oft nach Konstituirung desselben eine Rathsstelle zu besetzen ist, mit seinem gutachtlichen Vorschlag gehört.
Art. 4. Zur Vertretung der öffentlichen Interessen wird bei dem Verwaltungsgerichtshofe ein Staatsanwalt mit der erforderlichen Zahl von Nebenbeamten aufgestellt.
Der Staatsanwalt kann von den betheiligten Staatsministerien Instruktionen erholen und erhalten, welche er zu befolgen verpflichtet ist.
Art. 5. Die dientliche Aufsicht über den Verwaltungsgerichtshof und dessen Mitglieder steht dem Staatsministerium des Innern in derselben Weise zu, wie dem Staatsministerium der Justiz die Aufsicht über das oberste Landesgericht und dessen Mitglieder.
Die Staatsanwaltschaft am Verwaltungsgerichtshofe steht unter der dienstlichen Aufsicht des Staatsministerium des Innern.
Die Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und der Staatsanwaltschaft an demselben erfolgt auf Vorschlag des Gesammtministeriums durch den König.
Art. 6. Wird die Eintheilung des Gerichtshofes in mehrere Senate erforderlich, so erfolgt dieselbe, einschließlich der Aufstellung der regelmäßigen Stellvertreter, je auf die Dauer eines Jahres durch Beschluß des Präsidenten unter Zuziehungd es Direktors und des dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter des der Geburt nach ältesten Mitgliedes.
Jedes Mitglied des Gerichtshofes kann mehreren Senaten angehören. Der Direktor kann dem Senate, dessen Vorstand der Präsident ist, als Mitglied zugetheilt werden.
Im Falle der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mitgliedes wird ein zeitweiliger Vertreter aus den Mitgliedern des Gerichtshofes durch den Präsidenten bestellt. Ist die genügende Anzahl von Mitgliedern nicht vorhanden, so findet die Bestimmung in Art. 1 Abs. 3 Anwendung.
Art. 7. Der Verwaltungsgerichtshof bildet die oberste Instanz in Verwaltungsrechtssachen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist berufen, in den Fällen, in welchen der Staat, eine Gemeinde oder ein anderer Kommunalverband wegen des Schadens in Anspruch genommen werden soll, den ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen gewalt vorsätzlich oder fahrlässig einem Dritten zugefügt hat, die Vorentscheidung darüber zu treffen, ob der Beamte sich einer Ueberschrietung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung eienr ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat. Das Gleiche gilt, wenn ein Beamter wegen des Schadens in Anspruch genommen werden soll, den er durch eine in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorgenommene Handlung einem Dritten zugefügt hat. Soweit der Staat oder der Verband, in dessen Dienste der Beamte steht, einen Schaden zu ersetzen hat, für den der Beamte selbst nicht verantwortlich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Vorentscheidung darüber zu treffen, ob der Beamte seine Amtsbefugnisse überschritten pder eine ihm obliegende Amtshandlung unterlassen hat. Bei Handlungen eines Beamten der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Vorentscheidung nicht erforderlich. Verfassungsbestimmung
Die Vorentscheidung ist für das Gericht bindend.
Soll der Anspruch gegen den Staat oder den Verband wegen schuldhafter Verletzung der Amtspflicht erhoben werden, so wirkt die Vorentscheidung auch für das Verhältniß zwischen dem Staate oder dem Verband und dem Beamten.
Auf das Verfahren finden die für Verwaltungsrechtssachen geltenden Vorschriften Anwendung. Vor Erlassung der Vorentscheidung ist auch im Falle des Abs. 2 Satz 1 der Beamte zu hören.
die Absätze 2 bis 5 sind in der Fassung des Art. 165 des Gesetzes, die Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffend vom 9. Juni 1899
Art. 8. Verwaltungsrechtssachen im Sinne
dieses Gesetzes sind alle bestrittenen Rechtsansprüche und Verbindlichkeiten
in nachbenannten Angelegenheiten:
1.
...
4. Religiöse Kindererziehung.
...
10. Zwangsabtretung von Grundeigenthum oder Belastung
desselben mit Dienstbarkeiten, einschließlich der Frage, ob das betreffende
Unternehmen vom gemeinen Nutzen erfordert werde und ob die Abtretung oder
Belastung des angesprochenen Eigenthums zur zweckmäßigsten Verwirklichung
des Unternehmens nothwenidg sei, jedoch mit Ausnahme der nach Maßgabe
des Berggesetzes vom 20. März 1869 stattfindenden Abtretungen oder
Belastungen und vorbehaltlich der Bestimmung in Art. 47. Verfassungsbestimmung
...
40.
Art. 9. Soweit in den Fällen der Ziffer 1, 2, 4, 5, 7, 9, 13, 16, 17, 20, 21, 24, 25, 27, 31, 32, 33, 36, 37, 39 und 40 des Art. 8 nach den bestehenden Gesetzen und Verordnungen die Distriktsverwaltungsbehörden zur Entscheidung in erster oder zweiter Instanz berufen sind, geht die Berufung gegen deren Entscheidungen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof.
In allen übrigen Fällen kann die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof nur gegen Entscheidungen der Kreisregierungen, Kammern des Innern ergriffen werden.
Soweit die Reichsgesetze nicht entgegenstehen, ist diese Berufung auch in denjenigen Fällen zulässig, in welchen eine Berufung an die dritte Instanz bisher gesetzlich ausgeschlossen war.
Art. 10. Der Verwaltungsgerichtshof ist
außer den in Art. 8 erwähnten Fällen zur letztinstanzlichen
Bescheidung von Beschwerden gegen Beschlüsse und Verfügungen
der Kreisregierungen, Kammern des Innern oder der Finanzen, des Oberbergamtes
oder der Generalzolladministration in folgenden Angelegenheiten zuständig:
1.
...
11. Kirchliche Simultanverhältnisse. Verfassungsbestimmung
...
31.
Art. 11. Wenn Aenderungen im Bestande von Gemeinden, Distrikten, Kreisen oder Schulverbänden eintrteen und sich die Betheiligten über die Theilung oder Auseinandersetzung des Gemeinde-, Distrikts-, Kreis- oder Schulvermögens, oder über die Rechte und Pflichten in Bezug auf bestehende Anstalten nicht gütlich zu einigen vermögen, so tritt in letzterer Beziehung schiedsrichterliche Entscheidung ein.
Diese steht zu:
1. einer von dem k. Staatsministerium des Innern
delegirten Kreisregierung, Kammer des Innern, in denjenigen Fällen,
in denen eine Gemeinde, welche einer Kreisregierung unmittelbar untergeordnet
ist, eine Distrikts- oder Kreisgemeinde betheiligt erscheint;
2. einem von der vorgesetzten Kreisregierung
delegirten Bezirksamte in allen übrigen Fällen.
Gegen die Entscheidung der Kreisregierung, beziehungsweise - in den Fällen der Ziffer 2 - des Bezirksamtes findet Berufung an den Verwaltungsgerichtshof statt, welcher in letzter Instanz entscheidet.
Art. 12. Was in Art. 8, 10 und 11 bezüglich der Gemeinden bestimmt ist, gilt auch von den zu einer Gemeinde vereinigten Ortschaften in ihrern Verhältnissen unter sich zur Gemeinde und zu den Ortsangehörigen.
Art. 13. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes
erstreckt sich nicht
1. auf Rechtssachen, welche vor die Civil- oder
Strafgerichte gehören,
2. auf vorsorgliche Maßregeln, dann auf
administrative Aussprüche, welche unter dem gesetzlichen Vorbehalte
der Zuständigkeit der Gerichte erfolgen,
3. auf Angelegenheiten und Fragen, in welchen
die Verwaltungsbehörden nach ihrem Ermessen zu verfügen berechtigt
sind.
Steht ein zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht gehöriger Gegenstand mit einem bei dem Gerichtshofe anhängigen im Zusammenhang, so wird dadurch die Befugniß des Gerichtshofes, seine Zuständigkeit auf den ersteren Gegenstand auszudehnen, nicht begründet, auch wenn dieser in denselben Akten behandelt ist.
Art. 14. Der Verwaltungsgerichtshof hat innerhalb seiner Zuständigkeit die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu prüfen und alle Umstände zu würdigen, welche auf die Feststellung der im Streit befangenen Rechte und Verbindlichkeiten Bezug haben.
Er erkennt über die Zuständigkeit und verweist die Sache erforderlichen Falles an die zuständige Verwaltungsbehörde.
Art. 15. Beschlüsse in Angelegenheiten, welche nach Art. 8 zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gehören, sowie Beschlüsse dieses Gerichtshofes in Gegenständen der Art. 10 und 11 können nicht von Oberaufsichtswegen durch die Ministerien aufgehoben werden. Die Zuständigkeit der letzteren in Fragen des freien administrativen Ermessens wird durch diese Bestimmung nicht berührt.
II. Von dem Verfahren in Verwaltungsrechtssachen
Art. 16 bis Art. 44
III. Behandlung der in Art. 10 und 11 aufgeführten Angelegenheiten
Art. 45. Die Erledigung der in Art. 10 und 11 aufgeführten Angelegenheiten erfolgen bei den unteren Instanzen nach den für das Verfahren vor denselben in Verwaltungssachen jeweils bestehenden Vorschriften.
Die nach den genannten Artikeln zulässigen Beschwerden müssen innerhalb einer unerstrecklichen Frist von vierzehn Tagen, von Eröffnung der betreffenden Verfügung an gerechnet, bei derjenigen Behörde eingelegt werden, welche den beschwerdendne Beschluß erlassen hat.
Die Behandlung dieser Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshofe bemißt sich nach den für das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs in Verwaltungsrechtssachen geltenden Bestimmungen.
Verfassungsbestimmung In den Fällen des Art. 10 Ziffer 11 entscheiden die Distriktsverwaltungsbehörden in erster, die Kreisregierungen, Kammern des Innern, in zweiter Instanz.
IV. Zwangsvollstreckungs-Verfahren
Art. 46.
V. Schluß- und Uebergangsbestimmungen
Art. 47. Bei Abtretungen und Belastungen für Zwecke der Landesvertheidigung wird die Frage des gemeinen Nutzens und der zur zweckmäßigsten Verwirklichung des Unternehmens nothwendigen Eigenthumsabtretungen oder Belastung durch Beschluß des Gesammtstaatsministeriums entschieden. Verfassungsbestimmung
Art. 48. bis Art. 50.
Art. 51. Der Tag, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt.
Vom Tage der Wirksamkeit des Gesetzes an erlöschen alle entgegenstehenden Bestimmungen.
gemäß Gesetz vom 10. März 1879 am 1. Oktober 1879 in Kraft getreten.
Art. 52.
Art. 53. Die Bestimmung des Art. 2 Abs. 1 kann nuter den für Veränderungen der Verfassung vorgeschriebenen Formen aufgehoben oder geändert werden.
Ludwig II.
Das vorstehende Gesetz änderte oder ergänzte sowohl die Verfassungs-Urkunde als auch die Verfasungsbeilagen und die weiteren Staatsgrundgesetze; es wurde formal aufgehoben durch § 135 des Gesetzes Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. September 1946 (GVBl. S. 281).