Gesetz, die Ablösung des Lehenverbandes betreffend

(VII. Beilage zum Abschiede für die Stände-Versammlung)
nach Ansicht des Landtages: Verfassungsgesetz; nach Ansicht der Regierung: einfaches Gesetz

vom 4. Juni 1848

ursprüngliche Fassung

Maximilian II.
von Gottes Gnaden König von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und Schwaben ect. ect.

Wir haben nach Vernehmung Unseres Staatsraths, mit Beirath und Zustimmung Unserer Lieben und Getreuen, der Stände des Rechs, und unter Beobachtung der im Titel X. § 7 der Verfassungs-Urkunde vorgeschriebenen Formen, beschlossen und verordnen wie folgt:

Art. 1. Sämmtliche Lehen können vom Lehenverbande befreit werden und zwar:
1) Söhn- und Töchterlehen durch Erlag von ein Prozent,
2) Männerlehen durch Erlag von drei Prozent,
3) Heimfällige Lehen durch Erlag von zehn Prozent des Lehenfassions-Werthes.

Als auf dem Heimfalle stehend zu betrachten sind jene Lehen, welche nur noch auf vier Augen stehen, wenn Besitzer und beziehungsweise Anwärter bereits das fünfzigste Lebensjahr erreicht haben.

Den Vasallen steht es frei, das Ablösungs-Kapital baar oder in Ablösungs-Schuldbriefen zum Nennwerthe zu bezahlen, oder auch dasselbe als ein mit vier Prozen verzinsliches Bodenzins-Kapital auf das bisherige Lehen zu übernehmen.

Art. 2. Ausgenommen von aller Allodifications sind:
a) die thronlehenbaren Würden,
b) jene Lehen, welche auf königlicher Dotation oder auf Staatsverträgen beruhen, soferne denselben nicht ein lästiger Rechtstitel zu Grunde liegt.

Art. 3. Lehen, welche urkundlich als aufgetragene (feuda oblata) oder durch den Vasallen vom Lehenherrn erkäufte (feuda emtitla) nachgewiesen werden, verwandeln sich in volles Eigenthum ohne Entgelt.

Art. 4. Die fideicommissarischen Verhältnisse der Lehen, so wie die Berechtigung zur Erbfolge in denselben werden hiedurch nicht verändert.

Nach Aussterben der zur Lehen-Erbfolge Berechtigten geht das bisherige lehenbare Objekt an die Erben des letzten Besitzers über.

Ein Consens der Angaten und Mitbelehnten ode rAnwärter ist zur Allodifikation des Lehens nicht nothwendig. Dagegen bleibt es den Betheiligten überlassen, sich über ihre gegenseitigen Berechtigungen durch freies Uebereinkommen zu verständigen. Findet ein solches Einverständniß nicht Statt, so steht den Erbfolgeberechtigten das Recht zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche deren Vormerkung unter Bezug auf bestehende Dispositionen und Familienverträge bei den Hypotheken-Aemtern und in eine bei den Appellationsgerichten zu eröffnende Matrikel, analog mit den Bestimmungen des § 106 Tit. VII. der siebenten Verfassungs-Beilage zu verlangen. Zur Anmeldung dieser Ansprüche findet ein präclusiver Termin von zwei Jahren, vom Tage der Publikation dieses Gesetzes anfangend, Statt, nach dessen Umfalu ein unbedingter Verzicht der Betheiligten, sowohl dem Lehenfiskus, als dem Vasallen gegenüber, gesetzlich angenommen wird.

Art. 5. Wenn auf einem Lehengute außer den gesetzlichen Lehengebühren noch andere Reichnisse, z. B. Canon, Gilt ect. haften, so richten sich solche nach den Bestimmungen des Gesetzes über Fixirung und Ablösung von Grundlasten.

Art. 6. Vorstehendes Gesetz tritt erst von dem Tage, an welchem das Gesetz über Aufhebung, Fixirung und Ablösung von Grundlasten zum Vollzug kommt, in Wirksamkeit.

Art. 7. Unsere Statsminister des Königlichen Hauses und des Aeußern dann der Finanzen sind mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.

    Gegeben München, den 4. Juni 1848.

Maximilian

von Thon-Dittmer, Heintz, Lerchenfeld, Weishaupt, Graf v. Bray, v. Strauß, Staatsrath.

Nach dem Befehle Seiner Majestät des Königs,
der geheime Secretär des Staatsraths,
Rath Seb. von Kobell

Vorstehendes Gesetz war teilw. ein verfassungsdurchbrechendes Gesetz, sofern die Verfassungs-Urkunde oder die Verfassungsedikte eines Lehens oder Lehenverbandes aussprachen und zuließen; ob es ein Verfassungsgesetz war, war zwischen Landtag und Regierung strittig, es kam auf dem Landtag von 1849/50 zu dem Versuch der Regierung, das Gesetz abzuändern, was aber der Landtag, da bei der Beschlußfassung über die Vorlage der Regierung die 2/3-Mehrheit nicht, wohl aber die einfache Mehrheit erreicht wurde; der Landtag hat das Gesetz nicht dem König vorgelegt, da es seiner Auffassung nach nicht verabschiedet wurde und somit kam es auch nicht zustande.
 


Quellen: Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1848, S. 121ff, ausgeg. am 13. Juni 1848
©  20. Mai 2003
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