Kundgebung des Königs und des Staatsministeriums

vom 9. November 1918

Das neue Ministerium, das sich auf dem Vertrauen der gewählten Volksvertretung aufbaut, ist gebildet und hat die Regierung übernommen.

Der König hat in Übereinstimmung mit diesem neuen Ministerium die Einberufung einer konstituierenden Landesversammlung angeordnet. Sie soll durch allgemeine, gleiche, direkte, geheime Wahl der württembergischen Staatsangehörigen über 24 Jahre beiderlei Geschlechts gebildet werden. Ihre Aufgabe soll sein, unserem Staat eine den Bedürfnissen der neuen Zeit genügende Verfassung auf demokratischer Grundlage zu geben. Die Mehrheit des württembergischen Volkes soll damit in die Lage versetzt sein, die Entscheidung über die künftige Regierungsform zu treffen.

Der König spricht aus. daß seine Person niemals ein Hindernis einer von der Mehrheit des Volkes geforderten Entwicklung sein wird, wie er auch bisher seine Aufgabe einzig darin erblickt hat, dem Wohl und den Wünschen seines Volkes zu dienen.

Wir richten an das ganze Volk die dringende Mahnung und Bitte, in diesen Tagen der schwersten Not des Vaterlandes Besonnenheit zu bewahren und Ruhe und Ordnung zu halten.

Nur so kann unser Volk vor dem tiefsten Elend, vor den Gefahren der Hungersnot und dem Einbruch der Feinde in unser Land bewahrt werden.

    Stuttgart, den 9. November 1918

Wilhelm.

Liesching.    Kiene.    Hieber.    Lindemann.    Pistorius.    Köhler.

Der im Volk äußerst beliebte König Wilhelm II. hat nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten des Staatsministeriums von Weizsäcker am 6. November 1918 erstmalig ein, vom Vertrauen der Kammer der Abgeordneten getragenes Staatsministerium ernannt und zum 12. November 1918 den Landtag einberufen. Nachdem jedoch die Entwicklung im Reich gegen Kaiser Wilhelm II. ausgeschlagen hat, wollte der König gemeinsam mit der parlamentarischen Regierung von Württemberg durch die vorstehende Kundgebung zur Beruhigung der Volksbewegung in Württemberg beitragen, was jedoch nicht gelang, da noch am selben Tage abends sich eine sozialistische Revolution in Stuttgart ereignete, bei der eine rein sozialistische provisorische Regierung Württembergs gebildet wurde. Der König zog sich aus Stuttgart zurück. Bereits am 11. November 1918 hat die provisorische Regierung drei bürgerliche Minister der letzten königlichen Regierung in ihre Reihen genommen und somit eine Allparteienregierung gebildet.


Quelle: Regierungsblatt für Württemberg 1918 S. 289
© 11. August 2004
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