Gesetz über das Verfahren bei Volksabstimmungen

vom 21. Dezember 1949

aufgehoben durch
Artikel 16 des
Gesetzes über die vorläufige Ausübung der Staatsgewalt im südwestdeutschen Bundesland (Überleitungsgesetz) vom 15. Mai 1952 (GBl. S. 3).

In Ausführung von Art. 71 Abs. 3 der Verfassung hat der Landtag das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird;

Art.1 Anordnung einer Volksabstimmung. (1) Der Landtag bestimmt den Abstimmungstag und den Inhalt des Stimmzettels. Auf dem Stimmzettel sind die der Volksabstimmung zu unterstellenden Fragen in der Weise zu fassen, daß sie mit ja oder Nein beantwortet werden können.

(2) Das Staatsministerium gibt den Abstimmungstag, den Gegenstand der Volksabstimmung und den Inhalt des Stimmzettels im Regierungsblatt bekannt.

Art. 2 Abstimmungsbezirke und -behörden (1) Jeder Kreis bildet einen Stimmkreis, jede Gemeinde einen oder mehrere Stimmbezirke.

(2) Zur Durchführung von Volksabstimmungen bestellt das Innenministerium einen Landesabstimmungsleiter und einen Stellvertreter. Kreisabstimmungsleiter ist der Landrat. Bei den Abstimmungsleitern sind Abstimmungsausschüsse zu bilden, die aus dem Abstimmungsleiter als Vorsitzendem und je einem Beisitzer aus den im Landtag vertretenen politischen Parteien bestehen, Die Beisitzer werden von den Abstimmungsleitern auf Vorschlag der politischen Parteien bestellt.

(3) Zur Durchführung der Abstimmungshandlung und Ermittlung des Abstimmungsergebnisses in den Stimmbezirken bestellen die Gemeinden je einen Abstimmungsvorstand, der sich aus einem Vorsitzenden und 4 Beisitzern oder deren Stellvertretern zusammensetzt.

Art. 3 Stimmrecht. (1) Stimmberechtigt ist, wer nach Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland Deutscher ist, spätestens am Abstimmungstage das 21. Lebensjahr vollendet hat und mindestens 1 Jahr im Lande wohnt.

(2) Vom Stimmrecht ist ausgeschlossen,
a) wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht,
b) wem durch Richterspruch die bürgerlichen Ehrenrechte rechtskräftig aberkannt sind,
c) wem im Verfahren zur politischen Säuberung rechtskräftig das Wahlrecht aberkannt ist.

(3) In der Ausübung des Stimmrechts ist behindert,
a) wer wegen Geisteskrankheit oder Geistessschwäche in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht ist,
b) wer sich auf Grund rechtskräftigen Urteils in Strafhaft, in einem Arbeitshaus oder in Sicherungsverwahrung befindet.

Art. 4 Stimmliste. Alle Stimmberechtigten, die in der Gemeinde ihren Wohnsitz haben, sind in eine Stimmliste einzutragen. Jeder Stimmberechtigte, der die Stammliste für unrichtig oder unvollständig hält, kann bis zum Ablauf der Auflegungsfrist Einsprache erheben, Über die Einsprache entscheidet der Gemeinderat, gegen dessen Entscheidung Beschwerde an das Landratsamt gegeben ist.

Art. 5 Stimmschein. Ein Stimmberechtigter erhält auf Antrag einen Stimmschein, wenn er
1. in eine Stimmliste eingetragen ist und
    a) sich am Abstimmungstag während der Abstimmungszeit außerhalb der Gemeinde, in deren Stimmliste er eingetragen ist, aufhält oder
    b) nach Ablauf der Frist zur Auflegung der Stimmliste seinen Wohnsitz in einen anderen Stimmbezirk verlegt oder
    c) infolge eines körperlichen Leidens oder Gebrechens in seiner Bewegungsfähigkeit behindert ist und durch den Stimmschein die Möglichkeit erhält, einen für ihn günstiger gelegenen Abstimmungsraum aufzusuchen, oder
2. in eine Stimmliste nicht eingetragen oder darin gestrichen ist und
    a) nachweist, daß er ohne sein Verschulden versäumt hat, rechtzeitig die Berichtigung der Stimmliste zu beantragen, oder
    b) wegen Behinderung in der Ausübung des Stimmrechts gestrichen oder nicht eingetragen war, der Grund hierfür aber nachträglich weggefallen ist.

Art. 6 Ausübung des Stimmrechts. Ein Stimmberechtigter kann sein Stimmrecht nur in dem Stimmbezirk ausüben, in dessen Stimmliste er eingetragen ist. Hat er einen Stimmschein erhalten, so kann er in jedem beliebigen Stimmbezirk des Landes abstimmen.

Art. 7 Stimmzettel. (1) Zur Abstimmung können nur amtlich hergestellte Stimmzettel und amtlich abgestempelte Umschläge verwendet werden. Soweit nicht je ein besonderer Stimmzettel für die Abstimmung mit Ja oder Nein vorgeschrieben ist, durchkreuzt der Abstimmende einen der für ja oder Nein vorgedruckten Kreise.

(2) Über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen entscheidet der Abstimmungsvorstand vorbehältlich der Nachprüfung durch den Staatsgerichtshof endgültig, Mehrere in einem Umschlag enthaltene, die gleiche Frage betreffende Stimmzettel gelten als eine Stimme, wenn sie gleichlautend sind oder nur einer von ihnen eine Eintragung enthält, andernfalls sind sie ungültig. Ungültig sind ferner Stimmzettel,
a) die nicht in einem amtlich abgestempelten Umschlag oder die in einem mit einem Kennzeichen versehenen Umschlag übergeben worden sind,
b) die nicht amtlich hergestellt sind,
c) die mit einem zur Kenntlichmachung des Abstimmenden bestimmten Kennzeichen versehen sind,
d) aus deren der Wille des Abstimmenden nicht unzweifelhaft zu erkennen ist,
e) die mit einem Zusatz versehen sind.

Art. 8 Ermittlung des Abstimmungsergebnisses. (1) Zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses stellt der Abstimmungsvorstand für den Stimmbezirk, der Kreisabstimmungsausschuß für den Stimmkreis und der Landesabstimmungsausschuß für das Land fest, wieviele gültige Stimmen auf ja und wieviele auf Nein lauten.

(2) Der Landesabstimmungsleiter gibt das Gesamtergebnis der Volksabstimmung im Regierungsblatt bekannt.

Art. 9 Ungültigkeit der Volksabstimmung. (1) Jeder Stimmberechtigte kann die Gültigkeit der Volksabstimmung beim Staatsgerichtshof binnen zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses anfechten.

(2) Der Staatsgerichtshof kann die Volksabstimmung im ganzen Land oder in einzelnen Bezirken für ungültig erklären, wenn wesentliche Vorschriften über die Abstimmung verletzt wurden und anzunehmen ist, daß die Abstimmung bei Beachtung dieser Vorschriften ein anderes Ergebnis gehabt hätte.

(3) Die Abstimmung ist, soweit sie für ungültig erklärt wird, zu wiederholen. Stimmberechtigt ist hierbei, wer bei der ersten Abstimmung stimmberechtigt war. Einer nochmaligen Auflegung der Stimmlisten bedarf es nicht, soweit diese nicht Anlaß der Anfechtung waren,

Art. 10 Mitwirkung der Gemeinden. (1) Die Gemeinden sind verpflichtet, bei der Verbreitung und Durchführung der Abstimmung nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen mitzuwirken und die Abstimmungsräume, die für die Abstimmung erforderlichen Gegenstände und das für die Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung in den Gemeinden notwendige Personal zur Verfügung zu stellen.

(2) Das Land ersetzt den Gemeinden die Kosten, die durch die Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung einschließlich der Übermittlung des Abstimmungsergebnisses entstehen. Die laufenden Ausgaben für Gehälter und Bürobedürfnisse gehören nicht zu den erstattungsfähigen Kosten. Auch darf eine Vergütung nicht beansprucht werden, soweit Räume in Anstalten oder Gebäuden der Gemeinde für Abstimmungszwecke benützt werden, Das Innenministerium kann im Einvernehmen mit dem Finanzministerium für jeden Stimmberechtigten einen festen, nach Gemeindegrößen abgestuften Betrag festsetzen, der so berechnet wird, daß mit ihm durchschnittlich die in den Gemeinden entstehenden Kosten gedeckt werden.

Art. 11 Inkrafttreten. Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

verkündet am 30. Januar 1950.

siehe auch die Verordnung des Staatsministeriums zur Durchführung des Gesetzes über das Verfahren bei Volksabstimmungen vom 27. Januar 1951 (RegBl. S. 19)

    Tübingen, den 21. Dezember 1949.

  Dr. Müller.              Dr. Schmid
Renner                    Dr. Sauer
Dr. Weiß                Wirsching


Quellen: Regierungsblatt für das Land Württemberg-Hohenzollern 1950 S. 29
© 12. Juli 2004


Home                  Zurück                    Top