Gesetz Nr. 1032
über die Freiheit der Presse

vom 1. April 1949

aufgehoben durch
Gesetz über die Presse vom 14. Januar 1964 (GBl. S. 11)

Der Landtag hat am 24. März 1949 das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1. Pressefreiheit. (I) Die Pressefreiheit ist ein Teil des in der Verfassung gewährleisteten Grundrechts der freien Meinungsäußerung. Sie unterliegt keiner Beschränkung, die nicht durch die Verfassung oder dieses Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(2) Die Pressefreiheit umschließt das Recht, Angelegenheiten des öffentlichen Interesses zu vertreten, zu kritisieren und zu erörtern, sofern dieses Gesetz dadurch nicht verletzt wird. Der Presse steht der Schutz des § 193 RStGB zur Seite.

§ 2. Geltung der Gewerbegesetze. (I) Die allgemeinen Gewerbe- und Bewirtschaftungsgesetze gelten auch für Betriebe des Pressegewerbes, soweit nicht das Grundrecht der freien Meinungsäußerung entgegensteht.

(2) Vorschriften, welche die Ausübung eines Gewerbes von der Zulassung durch die Verwaltungsbehörden abhängig machen, sowie Vorschriften, welche Verwaltungsbehörden oder Gerichte zur Untersagung oder Schließung eines Gewerbebetriebs ermächtigen, finden auf Betriebe des Pressegewerbes keine Anwendung.

§ 3. Freiheit von staatlichem Eingriff. (I) Die Presse bleibt von jeder staatlichen Beeinflussung frei und unterliegt staatlichen Eingriffen nur in den ausdrücklich vom Gesetz vorgesehenen Fällen.

(2) Eine Pressezensur ist unzulässig.

(3) Die Polizei und andere Verwaltungsstellen dürfen das Verbreiten von Druckschriften nicht behindern.

(4) Eine Beschlagnahme oder Einziehung von Druckschriften findet nur auf richterliche Anordnung im Rahmen der Strafgesetze und der Strafprozeßordnung 1946 (RegBl. S.91) statt.

§ 4. Freie Beschaffung und Veröffentlichung von Nachrichten. (1) Die Presse und ihre Vertreter sind bei der Beschaffung und Veröffentlichung von Nachrichten von öffentlichem Interesse durch die staatlichen und kommunalen Organe, sowie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu unterstützen.

(2) Anordnungen,. die einer Behörde Auskünfte an die Tagespresse überhaupt, an diejenige einer bestimmten Richtung oder an ein bestimmtes periodisches Druckwerk allgemein verbieten, sind unzulässig.

§ 5. Recht der Presse zum Abdruck amtlicher Bekanntmachungen. Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von einer Behörde verlangen, daß ihm deren amtliche Bekanntmachungen gegen Vergütung der Übermittlungskosten nicht später als seinen Wettbewerbern zur Veröffentlichung zugeleitet werden.

§ 6. Verbot von Organen zur Überwachung der Presse. Die Errichtung von Pressekammern, Ehrengerichten und anderen Organen der Presseüberwachung -ist unzulässig.

§ 7. Impressum. (1) Jede einzelne Druckschrift muß Namen und Anschrift des Druckers, oder wenn für Verkauf oder Verteilung bestimmt, Namen und Anschrift des Verlegers tragen. Jede periodische Druckschrift muß außerdem den Namen eines verantwortlichen Redakteurs tragen. Die Benennung von mehreren verantwortlichen Redakteuren für getrennte Abschnitte der Druckschrift ist zulässig. An Stelle der Namen des Druckers und des Verlegers genügt der rechtmäßig eingetragene Titel der Firma.

(2) Davon ausgenommen sind Druckschriften, die ausschließlich den Zwecken von Handel, Gewerbe und Verkehr und dem häuslichen und gesellschaftlichen Leben dienen, wie Formulare, Preislisten, Besuchskarten u. dgl.; ferner Stimmzettel für öffentliche Wahlen, sofern sie nur Zweck, Zeit und Ort der Wahl und Einzelheiten über die Kandidaten enthalten.

§ 8. Aufnahme von Gegendarstellungen. (1) Der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift ist verpflichtet, eine Gegendarstellung der in letzterer mitgeteilten Tatsachen auf Verlangen einer beteiligten öffentlichen Behörde oder Privatperson ohne Einschaltungen oder Weglassungen aufzunehmen, sofern die Gegendarstellung von dem Einsender unterzeichnet ist, keinen strafbaren Inhalt hat und sich auf tatsächliche Angaben beschränkt.

(2) Der Abdruck muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht bereits abgeschlossenen Nummer, und zwar in demselben Teile der Druckschrift und mit derselben Schrift wie der Abdruck des Artikels geschehen, der zu der Gegendarstellung Anlaß gibt.

(3) Die Aufnahme erfolgt kostenfrei, soweit nicht die Entgegnung den Raum der Mitteilung, die zu der Gegendarstellung Veranlassung gibt, überschreitet; für die über dieses Maß hinausgehenden Zeilen sind die üblichen Einrückungsgebühren zu entrichten.

§ 9. Eigentumsverhältnisse. Jede periodische Druckschrift muß einen vierteljährlichen Rechenschaftsbericht über ihre Eigentumsverhältnisse veröffentlichen, in dem jede Einzelperson oder der jede Firma aufgeführt werden muß, die mit mehr als 10 % an dem Verlagsunternehmen beteiligt ist. Dieser Rechenschaftsbericht rnuß notariell beglaubigt sein. Periodische Druckschriften, die in größeren Abständen als zwei Monate erscheinen, müssen diesen Bericht einmal jährlich veröffentlichen.

§ 10. Monopolbildung. Betriebe des Pressegewerbes unterliegen den Gesetzen, die eine Monopolbildung verbieten.

§ 11. Inkrafttreten. Dieses Gesetz tritt einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft.

    Stuttgart, den 1. April 1949

Die Regierung des Landes Württemberg-Baden:
Dr. Reinhold Maier      J. Beyerle              Fritz Ulrich
Dr. Kaufmann              Dr. Veit         Otto Steinmayer


Quelle: Regierungsblatt für Württemberg-Baden 1949 S. 59
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