Gesetz über Volksabstimmung und Volksbegehren
(Volksabstimmungsgesetz - VAbstG)

in der Fassung vom 23. Februar 1984

 

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1. ABSCHNITT
Allgemeines

§ 1. Anwendungsbereich. Dieses Gesetz findet Anwendung in den Fällen des Artikels 43 Abs. 1, des Artikels 59 Abs. 2, des Artikels 60 Abs. 1 bis 3 und des Artikels 64 Abs. 3 der Landesverfassung.

2. ABSCHNITT
Volksabstimmungen

§ 2. Stimmrecht. (1) Stimmberechtigt bei Volksabstimmungen ist, wer am Abstimmungstag zum Landtag wahlberechtigt ist.

(2) Ein Stimmberechtigter kann sein Stimmrecht nur ausüben, wenn er in ein Stimmberechtigtenverzeichnis (§ 8) eingetragen ist oder einen Stimmschein (§ 9) hat.

(3) Wer in ein Stimmberechtigtenverzeichnis eingetragen ist, kann durch persönliche Stimmabgabe in dem Stimmbezirk abstimmen, in dessen Stimmberechtigtenverzeichnis er geführt wird. Wer einen Stimmschein hat, kann entweder
1. durch persönliche Stimmabgabe in einem beliebigen Stimmbezirk des Abstimmungsgebiets oder
2. durch Briefabstimmung abstimmen.

§ 3. Gliederung des Abstimmungsgebiets. (1) Abstimmungsgebiet ist das Land. Es gliedert sich in Stimmkreise und Stimmbezirke.

(2) Stimmkreise sind die Stadtkreise und Landkreise.

(3) Jede Gemeinde bildet mindestens einen Stimmbezirk; in größeren Gemeinden sind mehrere Stimmbezirke zu bilden. Das Nähere über die Bildung der Stimmbezirke und ihre öffentliche Bekanntmachung regelt die Stimmordnung. Sie kann auch Bestimmungen über die Einrichtung von Sonderstimmbezirken treffen, in denen nur mit Stimmschein (§ 9) abgestimmt werden kann.

§ 4. Abstimmungsorgane. (1) Abstimmungsorgane sind
    der Landesabstimmungsleiter und der Landesabstimmungsausschuß für das Abstimmungsgebiet,
    ein Kreisabstimmungsleiter und ein Kreisabstimmungsausschuß für jeden Stimmkreis,
    ein Stimmbezirksvorsteher und ein Stimmbezirksvorstand für jeden Stimmbezirk,
    mindestens ein Abstimmungsvorsteher und ein Abstimmungsvorstand für die Briefabstimmung (Briefabstimmungsvorstand) für jeden Stimmkreis.

(2) Der Kreisabstimmungsleiter kann anordnen, daß Briefabstimmungsvorstände statt für den Stimmkreis für einzelne oder mehrere Gemeinden einzusetzen sind.

(3) Wieviel Briefabstimmungsvorstände einzusetzen sind, bestimmt der Kreisabstimmungsleiter.

(4) Für die Zusammensetzung, die Berufung, den Sitz, die Bekanntmachung und die Beschlußfähigkeit der Abstimmungsorgane sowie für die Abstimmung und die Stellvertretung, für die Bereitstellung von Hilfskräften und Hilfsmitteln und für die ehrenamtliche Tätigkeit in Abstimmungsorganen gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts entsprechend.

(5) Die Abstimmungsorgane bestehen bis zur öffentlichen Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses (§ 19) fort. Im Falle der Wiederholung der Volksabstimmung werden sie neu berufen. Mitglieder der Abstimmungsausschüsse und der Abstimmungsvorstände können aus wichtigem Grund entpflichtet oder ersetzt werden.

§ 5. Abstimmungstag. (1) Sind die Voraussetzungen für eine Volksabstimmung eingetreten, so hat die Regierung unverzüglich den Abstimmungstag zu bestimmen. Der Abstimmungstag ist auf einen Sonntag festzusetzen.

(2) Die Regierung muß die Volksabstimmung auf einen Tag festsetzen, der
1. im Falle des Artikels 60 Abs. 1 der Landesverfassung spätestens drei Monate nach dem Tag, an dem der Landtag die Gesetzesvorlage abgelehnt oder ihr mit Änderungen zugestimmt hat,
2. in den Fällen des Artikels 60 Abs. 2 und 3 der Landesverfassung spätestens drei Monate nach dem Tag ihrer Anordnung (Artikel 60 Abs. 4 Satz 2 der Landesverfassung),
3. im Falle des Artikels 64 Abs. 3 der Landesverfassung spätestens drei Monate nach dem Eingang des Antrags bei der Regierung
liegt.

(3) Die Sechswochenfrist im Falle des Artikels 43 Abs. 1 der Landesverfassung beginnt am Tag nach der Bekanntgabe des Eintragungsergebnisses im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg (§ 37).

§ 6. Bekanntgabe des Tags und des Gegenstands der Volksabstimmung. (1) Die Regierung gibt unverzüglich nach der Festsetzung des Abstimmungstags den Abstimmungstag, den Gegenstand der Volksabstimmung und den Inhalt des Stimmzettels im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg bekannt.

(2) Sind Gesetzesvorlagen oder Gesetze Gegenstand der Volksabstimmung, ist auch ihr Wortlaut bekanntzugeben. Er ist den Stimmberechtigten von den Gemeinden vor dem Abstimmungstag zuzusenden.

§ 7. Mitwirkung der Landkreise und Gemeinden. Die Landkreise und Gemeinden sind zur Mitwirkung bei der Vorbereitung und Durchführung von Volksabstimmungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Das Innenministerium kann den Landkreisen und Gemeinden Weisungen erteilen.

§ 8. Stimmberechtigtenverzeichnisse. (1) Zur Durchführung einer Volksabstimmung sind Stimmberechtigtenverzeichnisse aufzustellen. Die Aufstellung obliegt den Gemeinden. Sie führen für jeden Stimmbezirk ein Stimmberechtigtenverzeichnis.

(2) In die Stimmberechtigtenverzeichnisse einer Gemeinde sind alle Personen einzutragen, die voraussichtlich am Abstimmungstag das Stimmrecht und in der Gemeinde ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung haben oder sich dort sonst gewöhnlich aufhalten.

(3) Das Stimmberechtigtenverzeichnis ist an den Werktagen vom 20. bis zum 16. Tag vor der Abstimmung öffentlich auszulegen.

(4) Für die Aufstellung, die Berichtigung und den Abschluß der Stimmberechtigtenverzeichnisse und deren öffentliche Auslegung sowie für das Einspruchs- und Beschwerdeverfahren gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts über Wählerverzeichnisse entsprechend.

§ 9. Stimmscheine. (1) Ein Stimmberechtigter, der verhindert ist, in dem Stimmbezirk abzustimmen, in dessen Stimmberechtigtenverzeichnis er eingetragen ist, oder der aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund in das Stimmberechtigtenverzeichnis nicht eingetragen worden ist, erhält auf Antrag einen Stimmschein,

(2) Für die Erteilung und Ausgabe von Stimmscheinen und Briefabstimmungsunterlagen sowie für das Einspruchs- und Beschwerdeverfahren gelten die Vorschriften des Landtagswahlrechts über Wahlscheine und Briefwahlunterlagen entsprechend.

§ 10. Abstimmungsräume und deren Ausstattung. (1) Die Gemeinden haben für die Bereitstellung und Ausstattung der Abstimmungsräume zu sorgen und das erforderliche Bedienungspersonal zu stellen, (2) Das Nähere über die Ausstattung der Abstimmungsräume und die Beschaffung der Stimmzettel und Abstimmungsumschläge regelt die Stimmordnung,

§ 11. Abstimmungszeit. Im Stimmbezirk kann am Abstimmungstag von 8 Uhr bis 18 Uhr abgestimmt werden. Die Stimmordnung kann für besondere Verhältnisse eine andere Festsetzung der Abstimmungszeit zulassen.

§ 12. Öffentlichkeit der Abstimmung. (1) Die Abstimmungshandlung ist öffentlich.

(2) Der Stimmbezirksvorstand hat für den geordneten Ablauf der Abstimmungshandlung zu sorgen. Er kann insbesondere Personen, welche die Ruhe oder Ordnung stören, nach vergeblicher Ermahnung aus dem Abstimmungsraum und den Zugängen zum Abstimmungsraum verweisen, Ist der Betroffene in das Stimmberechtigtenverzeichnis des Stimmbezirks eingetragen oder hat er einen Stimmschein, so ist ihm zuvor Gelegenheit zur Abstimmung zu geben.

§ 13. Unzulässige Werbung, unzulässige Veröffentlichung von Befragungen der Stimmberechtigten. (1) In dem Gebäude, in dem sich der Abstimmungsraum befindet, ist jede Beeinflussung der Abstimmenden durch Wort, Ton, Schrift oder Bild verboten.

(2) Die Veröffentlichung der Ergebnisse von Befragungen der Abstimmenden nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Abstimmungsentscheidung ist vor Ablauf der Abstimmungszeit unzulässig, Wer hiergegen verstößt, handelt ordnungswidrig. Für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit gilt § 53 Abs. 2 und 3 des Landtagswahlgesetzes entsprechend.

§ 14. Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses. Die zur Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses erforderlichen Vorkehrungen regelt die Stimmordnung, Der Stimmbezirksvorsteher und der Vorsteher für die Briefabstimmung haben die Einhaltung dieser Bestimmungen zu überwachen,

§ 15. Stimmzettel und Abstimmungsumschläge. (1) Zur Abstimmung dürfen nur amtliche Stimmzettel in amtlich abgestempelten Abstimmungsumschlägen verwendet werden. Stimmzettel und Abstimmungsumschläge müssen innerhalb eines Stimmkreises in Form und Farbe einheitlich sein,

(2) Den Inhalt des Stimmzettels bestimmt die Regierung. Er ist so zu fassen, daß die Abstimmenden mit Ja oder Nein stimmen können. Stehen im Falle des Artikels 60 Abs. 1 der Landesverfassung mehr als eine Gesetzesvorlage zur Abstimmung, so muß der Stimmzettel für jede Vorlage eine eigene Fragestellung enthalten,

(3) Die Stimmordnung kann weitere Bestimmungen über Form oder Inhalt des Stimmzettels und über die Beschaffenheit der Abstimmungsumschläge treffen.

§ 16. Stimmabgabe. (1) Wer seine Stimme im Abstimmungsraum abgibt, erhält dort einen Stimmzettel mit einem Abstimmungsumschlag. Er kann erforderlichenfalls weitere Stimmzettel und Abstimmungsumschläge nachfordern.

(2) Der Stimmberechtigte kann seine Stimme nur persönlich abgeben, Ein Stimmberechtigter, der nicht lesen kann oder durch körperliche Gebrechen gehindert ist, seine Stimme allein abzugeben, kann sich der Hilfe einer Person seines Vertrauens bedienen.

(3) Der Stimmberechtigte übt sein Stimmrecht in der Weise aus, daß er auf dem Stimmzettel in einem der bei den Worten Ja und Nein befindlichen Kreise ein Kreuz einsetzt oder durch eine andere Art der Kennzeichnung des Stimmzettels eindeutig zu erkennen gibt, ob er die gestellte Frage bejahen oder verneinen will. Der so gekennzeichnete Stimmzettel ist in den Abstimmungsumschlag zu legen.

(4) Über Zweifelsfragen, die sich bei der Stimmabgabe im Stimmbezirk ergeben, entscheidet der Stimmbezirksvorstand.

(5) Bei der Briefabstimmung hat der Abstimmende dem auf dem Abstimmungsbriefumschlag als Empfänger vorgesehenen Kreisabstimmungsleiter oder Bürgermeister im Abstimmungsbrief den verschlossenen Abstimmungsumschlag, der den Stimmzettel enthält, sowie den Stimmschein so rechtzeitig zu übersenden, daß er dort spätestens am Abstimmungstag bis 18 Uhr eingeht. Auf dem Stimmschein ist durch Unterschrift an Eides Statt zu versichern, daß der Abstimmende den Stimmzettel persönlich oder nach Absatz 2 Satz  2 ausgefüllt hat.

(6) Im einzelnen wird der Vorgang der Stimmabgabe und die Ausübung der Briefabstimmung durch die Stimmordnung geregelt.

§ 17. Ungültige Stimmen, Zurückweisung von Abstimmungsbriefen. (1) Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel
1. nicht in einem amtlichen Abstimmungsumschlag abgegeben worden ist,
2. in einem Abstimmungsumschlag abgegeben worden ist, der offensichtlich in einer das Abstimmungsgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält,
3. nicht amtlich hergestellt ist,
4. keine Kennzeichnung enthält,
5. den Willen des Abstimmenden nicht zweifelsfrei erkennen läßt,
6. ganz durchgestrichen, durchgerissen oder durchgeschnitten ist,
7. eine Änderung, einen Vorbehalt oder einen beleidigenden oder auf die Person des Abstimmenden hinweisenden Zusatz enthält oder wenn sich in dem Abstimmungsumschlag sonst eine derartige Äußerung befindet.

(2) Leer abgegebene Abstimmungsumschläge werden als ungültige Stimmen gewertet, Mehrere in einem Abstimmungsumschlag abgegebene Stimmzettel gelten als eine gültige Stimme, wenn sie gleich gekennzeichnet sind oder nur einer von ihnen gekennzeichnet ist; bei inhaltlich verschiedener Kennzeichnung gelten sie als eine ungültige Stimme.

(3) Bei der Briefabstimmung sind Abstimmungsbriefe zurückzuweisen, wenn
1. der Abstimmungsbrief nicht rechtzeitig eingegangen ist,
2. dem Abstimmungsbriefumschlag kein oder kein gültiger Stimmschein beiliegt,
3. dem Abstimmungsbriefumschlag kein Abstimmungsumschlag beiliegt,
4. weder der Abstimmungsbriefumschlag noch der Abstimmungsumschlag verschlossen ist,
5. der Abstimmungsbriefumschlag mehrere Abstimmungsumschläge, aber nicht die gleiche Anzahl gültiger und mit der vorgeschriebenen Versicherung an Eides Statt versehener Stimmscheine enthält,
6. der Abstimmende oder die Person seines Vertrauens die vorgeschriebene Versicherung an Eides Statt auf dem Stimmschein nicht unterschrieben hat,
7. kein amtlicher Abstimmungsumschlag benutzt worden ist,
8. ein Abstimmungsumschlag benutzt worden ist, der offensichtlich in einer das Abstimmungsgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält.

Die Einsender zurückgewiesener Abstimmungsbriefe werden nicht als Abstimmende gezählt; ihre Stimmen gelten als nicht abgegeben.

(4) Die Stimme eines Abstimmenden, der an der Briefabstimmung teilgenommen hat, wird nicht dadurch ungültig, daß er vor dem oder am Abstimmungstag stirbt, aus Baden-Württemberg verzieht oder sein Abstimmungsrecht nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 des Landtagswahlgesetzes verliert.

§ 18. Ermittlung und Feststellung des Abstimmungsergebnisses. (1) Nach Beendigung der Abstimmungshandlung ermitteln die Stimmbezirksvorstände das Ergebnis der Abstimmung im Stimmbezirk. Gleichzeitig ermitteln die Briefabstimmungsvorstände das Ergebnis der Briefabstimmung aus den ihnen zugewiesenen Abstimmungsbriefen, Die Kreisabstimmungsausschüsse prüfen die Ordnungsmäßigkeit der Abstimmung im Stimmkreis, fassen die Abstimmungsergebnisse der Stimmbezirksvorstände und der Briefabstimmungsvorstände zu einem Abstimmungsergebnis für den Stimmkreis zusammen und stellen dieses fest. Der Landesabstimmungsausschuß faßt die von den Kreisabstimmungsausschüssen festgestellten Abstimmungsergebnisse der Stimmkreise zu einem Abstimmungsergebnis des Landes zusammen und stellt dieses fest.

(2) Die Stimmbezirksvorstände und die Briefabstimmungsvorstände haben bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen und über sonstige bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses sich ergebende Fragen zu entscheiden. Die Kreisabstimmungsausschüsse haben die Feststellungen der Stimmbezirksvorstände und Briefabstimmungsvorstände nachzuprüfen. Sie können fehlerhafte Entscheidungen abändern; zurückgewiesene Abstimmungsbriefe können sie nicht zulassen. Der Landesabstimmungsausschuß kann Zählfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigen.

(3) Festzustellen sind die Zahl der Stimmberechtigten, die Zahl der Personen, die abgestimmt haben, die Zahlen der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen sowie die Zahlen der gültigen Ja-Stimmen und der gültigen Nein-Stimmen. Der Landesabstimmungsausschuß stellt weiterhin fest, ob das zur Volksabstimmung gebrachte Gesetz oder eine Gesetzesvorlage oder das Verlangen auf Auflösung des Landtags die nach der Landesverfassung und diesem Gesetz erforderliche Stimmenmehrheit erlangt hat.

(4) Das Abstimmungsergebnis ist in öffentlicher Sitzung zu ermitteln und festzustellen.

§ 19. Mitteilung und öffentliche Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses. Der Landesabstimmungsleiter teilt das vom Landesabstimmungsausschuß festgestellte Ergebnis der Abstimmung im Land dem Landtag und der Regierung mit und macht es im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg bekannt.

§ 20. Ergebnis der Volksabstimmung über mehrere Gesetzesvorlagen. Haben bei einer Abstimmung über mehrere Gesetzesvorlagen, die den gleichen Gegenstand betreffen, mehrere Vorlagen die nach Artikel 60 Abs. 5 der Landesverfassung erforderliche Mehrheit erlangt, so ist das Gesetz beschlossen, für das die meisten Ja-Stimmen abgegeben wurden. Ist die Zahl der Ja-Stimmen für mehrere Gesetzesvorlagen gleich, so ist das Gesetz beschlossen, das nach Abzug der auf es entfallenden Nein-Stimmen die größte Zahl der Ja-Stimmen auf sich vereinigt.

§ 21. Anfechtung einer Volksabstimmung. (1) Volksabstimmungen können beim Staatsgerichtshof mittels Einspruchs angefochten werden. Der Einspruch kann auf die Anfechtung der Volksabstimmung in einzelnen Stimmkreisen oder Stimmbezirken beschränkt werden.

(2) Einspruchsberechtigt ist jeder Stimmberechtigte, in amtlicher Eigenschaft auch der Landesabstimmungsleiter. Der Einspruch muß binnen eines Monats nach der öffentlichen Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses (§ 19) schriftlich beim Staatsgerichtshof eingereicht werden; er ist zu begründen. (3) Wer Einspruch eingelegt hat, ist Antragsteller im Sinne von § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954 (GBl. S. 171). Prozeßbeteiligte im Sinne dieser Vorschrift sind außerdem das Innenministerium, der Landesabstimmungsleiter, auch wenn er nicht Antragsteller ist, und der oder die zuständigen Kreisabstimmungsleiter, wenn Maßnahmen oder Entscheidungen auf der Kreis- oder Gemeindestufe zu der Anfechtung der Volksabstimmung Veranlassung gegeben haben.

(4) Der Staatsgerichtshof hat Volksabstimmungen auf Einspruch insoweit für ungültig zu erklären, als der Erfolg der Abstimmung (§ 18 Abs. 3 Satz 2) dadurch beeinflußt worden sein kann, daß
1. bei der Vorbereitung oder Durchführung der Volksabstimmung zwingende Vorschriften dieses Gesetzes oder der Stimmordnung unbeachtet geblieben oder unrichtig angewendet worden sind
oder
2. in bezug auf die Volksabstimmung vollendete Vergehen im Sinne der § § 107, 107 a, 107 b, 107 c, 108, 108a oder 108b in Verbindung mit § 108d oder im Sinne des § 240 des Strafgesetzbuchs begangen worden sind.

(5) Die Kosten des Anfechtungsverfahrens trägt das Land. Die Prozeßbeteiligten haben keinen Anspruch auf Erstattung von Auslagen.

(6) Im übrigen gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften des Gesetzes über den Staatsgerichtshof.

§ 22. Nachabstimmung. (1) Steht fest, daß die Abstimmung infolge höherer Gewalt oder aus einem sonstigen Grund in einem Stimmkreis oder einem Stimmbezirk nicht durchgeführt werden kann, oder wird ein offenkundiger, vor der Abstimmung nicht mehr behebbarer Mangel festgestellt, wegen dem die Abstimmung im Fall ihrer Durchführung ganz oder teilweise für ungültig erklärt werden müßte, sagt der Kreisabstimmungsleiter die Abstimmung ganz oder teilweise ab und macht dies öffentlich mit dem Hinweis bekannt, daß eine Nachabstimmung stattfinden wird.

(2) Ist in einem Stimmkreis oder einem Stimmbezirk die Abstimmung nicht durchgeführt worden, findet eine Nachabstimmung statt. Die Nachabstimmung soll spätestens drei Wochen nach dem Tag der Hauptabstimmung stattfinden. Den Tag der Nachabstimmung bestimmt der Landesabstimmungsleiter.

(3) Die Nachabstimmung findet nach denselben Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Hauptabstimmung statt.

(4) Das Nähere über die Vorbereitung und Durchführung der Nachabstimmung bestimmt die Stimmordnung.

§ 23. Wiederholung der Volksabstimmung. (1) Wird im Anfechtungsverfahren die Volksabstimmung ganz oder teilweise für ungültig erklärt, so ist sie in dem in der Entscheidung bestimmten Umfang zu wiederholen.

(2) Bei der Wiederholung der Volksabstimmung wird, vorbehaltlich einer anderen Entscheidung im Anfechtungsverfahren und sofern seit der Hauptabstimmung noch nicht sechs Monate verstrichen sind, auf Grund derselben Stimmberechtigtenverzeichnisse wie bei der für ungültig erklärten Abstimmung abgestimmt.

(3) Die Wiederholung der Volksabstimmung muß spätestens 60 Tage nach der Verkündung oder der Zustellung (§ 22 Abs. S des Gesetzes über den Staatsgerichtshof) der Entscheidung, durch welche die Volksabstimmung ganz oder teilweise für ungültig erklärt worden ist, stattfinden; maßgebend ist die Zustellung an den Landesabstimmungsleiter. Den Tag, an dem die Volksabstimmung wiederholt wird, bestimmt der Landesabstimmungsleiter. Auf Grund der wiederholten Abstimmung wird das Abstimmungsergebnis neu festgestellt.

§ 24. Kosten der Volksabstimmung. (1) Die Kosten einer Volksabstimmung trägt das Land. Es erstattet den Landkreisen und Gemeinden die durch die Vorbereitung und Durchführung der Volksabstimmung einschließlich der Übermittlung des Abstimmungsergebnisses entstandenen notwendigen Kosten unter Ausschluß der laufenden Ausgaben persönlicher und sachlicher Art. Für die Inanspruchnahme von Räumen und Gebäuden der Landkreise und Gemeinden wird keine Vergütung gewährt.

(2) Art und Höhe des Kostenersatzes bestimmt das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium.

3. ABSCHNITT
Volksbegehren

§ 25. Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens. (1) Volksbegehren bedürfen der Zulassung durch das Innenministerium. Sie werden durch Auflegung von Eintragungslisten in den Gemeinden durchgeführt.

(2) Die Zulassung ist schriftlich zu beantragen. Dabei ist mitzuteilen, in welchen Gemeinden Eintragungslisten aufgelegt werden sollen. Der Antrag kann bis zur Entscheidung über die Zulassung auf weitere Gemeinden ausgedehnt werden.

(3) Ist Gegenstand des Volksbegehrens die Einbringung einer Gesetzesvorlage, so ist dem Antrag ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Gesetzentwurf beizufügen.

(4) Der Antrag bedarf der Unterschriften von mindestens 10 000 Unterzeichnern, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung zum Landtag wählberechtigt sein müssen.

(5) In dem Antrag sollen zwei Vertrauensleute benannt werden. Sind keine Vertrauensleute benannt, gelten die beiden ersten Unterzeichner des Antrags als Vertrauensleute. Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind nur die Vertrauensleute, jeder für sich, berechtigt, verbindliche Erklärungen zu dem Antrag abzugeben und Erklärungen von Abstimmungsorganen entgegenzunehmen. Die Vertrauensleute können durch schriftliche Erklärung der Mehrheit der Unterzeichner des Antrags an das Innenministerium abberufen und durch andere ersetzt werden.

(6) Das Nähere regelt die Stimmordnung.

§ 26. Unterrichtung des Landtags und der Regierung. Das Innenministerium setzt den Landtag und die Regierung vom Eingang des Antrags in Kenntnis.

§ 27. Zulassung des Volksbegehrens. (1) Das Innenministerium hat das Volksbegehren zuzulassen, wenn
1. der Antrag vorschriftsmäßig gestellt ist und
2. im Falle des § 25 Abs. 3 die Gesetzesvorlage dem Grundgesetz und der Landesverfassung nicht widerspricht.

Es hat über den Antrag binnen drei Wochen nach seinem Eingang zu entscheiden.

(2) Von der Entscheidung sind der Landtag, die Regierung und die Vertrauensleute der Antragsteller zu benachrichtigen.

(3) Wird der Antrag abgelehnt, so können die Vertrauensleute der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zugang der Entscheidung hiergegen den Staatsgerichtshof anrufen. Das Innenministerium ist Prozeßbeteiligter im Sinne von § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof.

§ 28. Öffentliche Bekanntmachung der Zulassung. (1) Wird dem Antrag entsprochen, so macht das Innenministerium die Zulassung, des Volksbegehrens im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg öffentlich bekannt. Es macht. gleichzeitig die Gemeinden, in denen Eintragungslisten aufgelegt werden, sowie die Frist bekannt, innerhalb der das Volksbegehren durch Eintragung in die Listen unterstützt werden kann. Die Eintragungsfrist darf frühestens vier, höchstens sechs Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung beginnen und soll in der Regel 14 Tage dauern.

(2) Das Innenministerium unterrichtet die Gemeinden, in denen Eintragungslisten aufzulegen sind. Die Gemeinden haben ihrerseits den Gegenstand des beantragten Volksbegehrens, die Eintragungsfrist, den Ort, wo die Eintragungslisten aufgelegt werden, und die Tageszeit, innerhalb der die Eintragung vorgenommen werden kann, in ortsüblicher Weise bekanntzumachen und dabei auf die Voraussetzungen der Eintragungsberechtigung (§ 31) und der Ausübung des Eintragungsrechts (§ 32) hinzuweisen.

(3) Ist Gegenstand des Volksbegehrens die Einbringung einer Gesetzesvorlage, so ist der Wortlaut des Gesetzentwurfs und seine Begründung in die Bekanntmachung nach den Absätzen 1 und 2 aufzunehmen.

§ 29. Zurücknahme des Zulassungsantrags. (1) Der Zulassungsantrag kann bis zum achten Tag vor dem Beginn der Eintragungsfrist zurückgenommen werden. Die Zurücknahme muß dem Innenministerium durch gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrauensleute mitgeteilt werden. Als Zurücknahme gilt auch die schriftliche Zurückziehung so vieler Unterschriften, daß dadurch die Zahl der Unterzeichner unter 10 000 sinkt.

(2) Die Zurücknahme ist vom Innenministerium dem Landtag und der Regierung mitzuteilen und, falls bereits die Zulassung des Volksbegehrens öffentlich bekanntgemacht worden ist, in gleicher Weise bekanntzumachen.

§ 30. Eintragungslisten. (1) Die Unterstützung des Volksbegehrens geschieht durch Eintragung in die Eintragungslisten. Die Form der Eintragungslisten wird durch die Stimmordnung geregelt.

(2) Die Eintragungslisten sind den Gemeinden von den Antragstellern zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinden sind verpflichtet, die ihnen rechtzeitig zugegangenen ordnungsmäßigen Eintragungslisten innerhalb der Eintragungsfrist nach den näheren Bestimmungen der Stimmordnung zur Eintragung durch Eintragungsberechtigte öffentlich aufzulegen und dabei die Eintragungsberechtigung der sich eintragenden Personen zu prüfen.

§ 31. Eintragungsberechtigte. Eintragungsberechtigt ist, wer am Tag der Eintragung zum Landtag wahlberechtigt ist.

§ 32. Ausübung des Eintragungsrechts. (1) Das Eintragungsrecht kann nur in Gemeinden ausgeübt werden, in denen Eintragungslisten aufgelegt sind (§ 28 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2 Satz 2).

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 kann jeder Eintragungsberechtigte das Eintragungsrecht in der Gemeinde ausüben, in der er seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung hat oder in der er sich sonst gewöhnlich aufhält.

(3) In einer anderen Gemeinde kann sein Eintragungsrecht nur ausüben, wer einen Eintragungsschein (§ 33) hat.

§ 33. Eintragungsscheine. (1) Einen Eintragungsschein erhalten auf Antrag Eintragungsberechtigte, die sich während der gesamten Dauer der Eintragungsfrist aus wichtigem Grund außerhalb der nach § 32 Abs. 2 maßgebenden Gemeinde aufhalten, wenn in dieser Gemeinde Eintragungslisten aufzulegen sind (§ 28 Abs. 2 Satz 1). (2) Das Nähere über die Ausgabe von Eintragungsscheinen regelt die Stimmordnung.

§ 34. Rechtsmittel. Eintragungsberechtigte, die nicht zur Eintragung zugelassen werden oder denen ein beantragter Eintragungsschein versagt wird, können nach Maßgabe des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erheben. Über den Widerspruch im Vorverfahren entscheidet die Rechtsaufsichtsbehörde.

§ 35. Eintragung. (1) Die Eintragung muß persönlich und handschriftlich vollzogen werden. § 16 Abs. 2 Satz 2 gilt mit der Maßgabe entsprechend, daß die Unterschrift von Personen, die erklären, daß sie des Schreibens unkundig sind, durch eine Erklärung zur Niederschrift der Behörde ersetzt wird.

(2) Die Eintragung muß enthalten
1, den Vor- und Familiennamen des: Eintragungsberechtigten, bei Frauen auch deren Geburtsnamen,
2. den Geburtstag des Eintragungsberechtigten, 3. den Wohnort und die Wohnung des Eintragungsberechtigten.

§ 36. Ungültige Eintragungen. (1) Ungültig sind Eintragungen,
1. die die Person des Eintragenden nicht zweifelsfrei erkennen lassen,
2. die von nichteintragungsberechtigten Personen herrühren,
3. die nicht in vorschriftsmäßige Eintragungslisten oder verspätet gemacht sind.

(2) Die Entscheidung über die Gültigkeit der Eintragung trifft der Landesabstimmungsausschuß.

(3) Das Nähere regelt die Stimmordnung.

§ 37. Feststellung, Mitteilung und öffentliche Bekanntmachung des Eintragungsergebnisses. (1) Die Gemeinden schließen die Eintragungslisten nach Ablauf der Eintragungsfrist ab und übersenden sie dem Kreisabstimmungsleiter. Dieser prüft die Ordnungsmäßigkeit des Eintragungsverfahrens und übersendet die gesamten Eintragungslisten des Stimmkreises dem Landesabstimmungsleiter.

(2) Der Landesabstimmungsausschuß ermittelt die Gesamtzahl der rechtsgültigen Eintragungen und stellt fest, ob das Volksbegehren zustande gekommen ist. Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn die Zahl der rechtsgültigen Eintragungen mindestens ein Sechstel der Zahl der bei der letzten Landtagswahl oder Volksabstimmung Wahlberechtigten erreicht.

(3) Der Landesabstimmungsleiter teilt das vom Landesabstimmungsausschuß festgestellte Ergebnis dem Landtag und der Regierung mit und macht es im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg bekannt.

§ 38. Anfechtung des Eintragungsverfahrens. Die Feststellung, ob das Volksbegehren zustande gekommen ist (§ 37 Abs. 2), kann durch Einspruch beim Staatsgerichtshof angefochten werden. § 21 gilt entsprechend.

§ 39. Kosten des Volksbegehrens. (1) Die Kosten des Zulassungsantrags sowie die Kosten der Eintragungslisten und ihrer Versendung an die Gemeinden fallen den Antragstellern zur Last. Die Kosten der Entscheidung über den Zulassungsantrag und die Kosten der Feststellung des Eintragungsergebnisses trägt das Land. Den Gemeinden werden die ihnen entstehenden Kosten vom Land erstattet. § 24 gilt entsprechend.

(2) Führt die Volksabstimmung zur Auflösung des Landtags, so sind den Antragstellern die Kosten des Zulassungsantrags sowie die Kosten der Eintragungslisten und ihrer Versendung vom Land zu erstatten.

4. ABSCHNITT
Schlußbestimmungen

§ 40. Stimmordnung. Das Innenministerium erläßt durch Rechtsverordnung (Stimmordnung) die in diesem Gesetz vorgesehenen und die zu seiner Durchführung sonst erforderlichen Vorschriften. In der Stimmordnung können auch Sonderbestimmungen über das Abstimmungsverfahren in Krankenhäusern, Heimen, Klöstern, sozialtherapeutischen Anstalten und Justizvollzugsanstalten sowie für solche Stimmberechtigte getroffen werden, deren Wohnstätten aus gesundheits- oder viehseuchenpolizeilichen Gründen gesperrt sind.

siehe hierzu die Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Volksabstimmungsgesetzes (Landesstimmordnung) vom 27. Februar 1984 (GBl. S. 199), geändert durch Verordnungen vom 15. Mai 1991 (GBl. S. 309), vom 23. Januar 1995 und vom 21. Februar 2000.

§ 41. Inkrafttreten. Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

Diese Vorschrift bezieht sich auf das Gesetz in der ursprünglichen Fassung vom 15. Februar 1966 (GBl. S.14 ).


Quelle: Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1984 S. 178
© 18. September 2004

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