Verfassung des Landes Baden

vom 18. Mai 1947

geändert durch
Gesetz vom 28. Februar 1951 (GVBl. S. 183)

durch Artikel 94 Absatz 2 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 aufgehoben.

Im Vertrauen auf Gott hat sich das badische Volk, als Treuhänder der alten badischen Überlieferung, beseelt von dem Willen, seinen Staat im demokratischen Geist nach den Grundsätzen des christlichen Sittengesetzes und der sozialen Gerechtigkeit neu zu gestalten, folgende Verfassung gegeben:

Erster Hauptabschnitt
Grundrechte

Art. 1. Das badische Volk bekennt sich zu dem Grundsatz, daß jeder Mensch, ohne Unterschied der Rasse, der Religion und des Glaubens unveräußerliche und geheiligte Rechte besitzt. Diese Menschenrechte werden ausdrücklich bestätigt und stehen unter dem Schutz der Verfassung.

Art. 2. Alle Bewohner Badens, ohne Unterschied der Herkunft, der Rasse, der Religion und der politischen Überzeugung sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Es bestehen keine Vorrechte der Geburt, des Standes und des Geschlechts. Niemand darf seiner Abstammung, seiner Rasse seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen wegen bevorzugt oder benachteiligt werden.

Art. 3. Kein badischer Staatsbürger darf zur Leistung militärischen Dienste gezwungen werden.

Art. 4. Die Glaubens- und die Gewissensfreiheit sowie die ungestörte Religionsausübung werden gewährleistet und stehen unter staatlichem Schutz.

Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder Weltanschauung zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen, oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.

Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.

Art. 5. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Sie darf durch die öffentliche Gewalt nur auf Grund eines Gesetzes angetastet werden.

Niemand darf anders als auf Grund gesetzlicher Bestimmung festgenommen werden. Niemand darf länger als 24 Stunden festgehalten werden, ohne dem zuständigen Richter vorgeführt und über den Grund seiner Festnahme vernommen zu werden. Falls der Richter nicht Haftbefehl auf Grund eines Gesetzes erläßt, hat er den Festgenommenen unverzüglich in Freiheit zu setzen.

Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Ausnahmen hiervon sind nur auf Grund eines Gesetzes zulässig. Hausdurchsuchungen sind nur in den gesetzlich geregelten Fällen gestattet.

Art. 7. Die Ehre des Menschen steht unter dem Schutz des Staates. Das Nähere bestimmt das Gesetz.

Beleidigungen, die sich gegen einzelne Personen oder Gruppen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse oder einer religiösen oder politischen Gemeinschaft richten, sind von Amts wegen zu verfolgen.

Wer Behauptungen tatsächlichen Art veröffentlicht, die nicht erweislich wahr, aber geeignet sind, die Inhaber eines öffentlichen Amtes verächtlich zu machen) oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, ist in besonders wirksamer Weise zu strafen.

Art. 8. Jedem badischen Staatsbürger steht es frei, sich in Baden aufzuhalten und niederzulassen, wo er will, Grundstücke zu erwerben und jeden Erwerbszweig zu betreiben, Arbeitsort, Arbeitsplatz und Arbeitgeber zu wählen. Einschränkungen bedürfen eines Gesetzes.

Art. 9. Alle badischen Staatsbürger sind nach Maßgabe der Gesetze, entsprechend ihrer Befähigung und ihrer Leistungen, zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen.

Art. 10. Jedermann hat das Recht, innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes seine Meinung durch Reden, Schriften, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern, solange er die durch die Verfassung gewährten Freiheiten nicht durch Mißbrauch dieses Rechtes bedroht oder verletzt. In der Ausübung dieses Rechtes darf ihn kein Arbeits- oder Angestelltenverhältnis hindern und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.

Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung von Schund und Schmutz sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Darbietungen und Schaustellungen gesetzliche Maßnahmen zulässig. Jedermann hat das Recht, sich über die Meinung anderer frei zu unterrichten. Die Kenntnisnahme von Mitteilungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, insbesondere Rundfunkempfang, darf nicht verwehrt werden.

Art. 11. Das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich. Ausnahmen können durch Gesetz bestimmt werden. Ausnahmebestimmungen aus politischen Gründen sind unzulässig.

Art. 12. Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind im Rahmen der allgemeinen Gesetze frei. Niemand darf in seinem wissenschaftlichen oder künstlerischen Schaffen und in der Verbreitung seiner Werke gehindert werden, es sei denn, daß sie gegen die Sittlichkeit oder gegen die guten Sitten verstoßen.

Die Ausübung dieser Freiheiten darf nicht zu beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen führen.

Art. 13. Jeder junge Mensch hat, seiner Begabung entsprechend, das Recht auf Bildung und die Pflicht zur Bildung. Es ist Aufgabe des Staates, die der Verwirklichung dieses Grundsatzes entgegenstehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hemmungen zu beseitigen.

Art. 14. Wer arbeitsunfähig ist, oder wem keine Arbeit vermittelt werden kann, hat ein Recht auf Hilfe.

Ebenso hat jeder durch Krankheit, Alter oder andere Ursachen unverschuldet in Not geratene Mensch Anspruch auf Schutz und Hilfe durch Staat und Gemeinde.

Art. 15. Das Eigentum wird nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

Das durch Arbeit und Sparsamkeit erworbene Eigentum genießt besonderen Schutz, insbesondere bei der Besteuerung.

Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.

Enteignung oder Überführung in genossenschaftliches Eigentum oder sonstiges Gemeineigentum kann zum Wohl der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage gegen angemessene Geld- oder Naturalentschädigung vorgenommen werden. Über die Entschädigung entscheiden im Streitfall die Gerichte. Das Nähere bestimmt ein Gesetz.

Art. 16. Das geistige Eigentum der Urheber, Erfinder und Künstler genießt den Schutz des Staates.

Art. 17. Das Erbrecht wird gewährleistet. Inhalt und Grenzen bestimmt das Gesetz. Bei der Besteuerung des Erbes ist auf die Verwandtschaftsnähe Rücksicht zu nehmen.

Art. 18. Allen Staatsbürgern steht das Recht zu, sich ohne Anmeldung und ohne besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Versammlungen unter freiem Himmel können durch Gesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden.

Art. 19. Alle Staatsbürger haben das Recht, sich zu Zwecken, die den Gesetzen nicht zuwiderlaufen, frei zusammenzuschließen, sofern nicht ihr Zusammenschluß die durch die Verfassung gewährten Freiheiten bedroht oder verletzt,

Niemand darf gezwungen werden, sich einer Vereinigung anzuschließen. Es können jedoch durch Gesetz Berufe, deren Ausübung behördlicher Anerkennung bedarf, zusammengeschlossen werden. Ebenso können, durch Gesetz Angehörige von Berufs- und Wirtschaftszweigen zusammengeschlossen werden, wenn das Gemeinwohl es dringend gebietet.

Art. 20. Jedermann hat das Recht, sich an die zuständige Behörde oder schriftlich an die Volksvertretung zu wenden, um eine Prüfung von Fragen zu veranlassen, die das Interesse des Einzelnen oder der Gesamtheit angehen.

Zweiter Hauptabschnitt
Grundpflichten und Gemeinschaftsleben

ABSCHNITT 1
Familie, Erziehung und Bildung

Art. 21. Ehe und Familie genießen als die wichtigsten Grundlagen der Volksordnung den besonderen Schutz und die Förderung des Staates. Das Leben der Familie soll sich frei von äußerem Zwang und störenden Eingriffen entfalten.

Die der Familie gewidmete häusliche Arbeit der Frau wird der Berufsarbeit gleichgeachtet. An dem während der Ehe erworbenen Vermögen soll der Frau ein angemessener güterrechtlicher Anteil zustehen.

Kinderreiche Familien haben Anspruch auf angemessenen Ausgleich.

Art. 22. Die Mutterschaft hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge des Staates.

Art. 23. Elternlose Kinder, die nicht in einer Familie aufwachsen können, sind in Heime aufzunehmen, die ihnen ein gesundes Familienleben ersetzen können. Im beruflichen und öffentlichen Leben stehen eheliche und uneheliche Kinder gleich.

Art. 24. Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen Gefährdung ihres sittlichen, geistigen und körperlichen Wohles zu schützen. Staat und Selbstverwaltungskörperschaften haben die erforderlichen Einrichtungen, zu schaffen,. Ihre Aufgaben können durch Einrichtungen der freien Wohlfahrt wahrgenommen werden.

Fürsorgemaßnahmen im Wege des Zwanges sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig.

Art. 25. In allen Erziehungsfragen ist der Elternwille entscheidend nach Maßgabe der Verfassung.

Art. 26. Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, in der Liebe zu Volk und Heimat, im Geiste der Friedens- und Nächstenliebe und der Völkerverständigung zu sittlicher und politischer Verantwortung zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Staatsgesinnung zu erziehen.

Art. 27. Es besteht allgemeine Schulpflicht.

Das gesamte Schulwesen untersteht den Gesetzen und der Aufsicht des Staates. Die Schulen aller Arten und Stufen sind grundsätzlich Anstalten des Staates oder der Selbstverwaltungskörperschaften. Privatschulen dürfen nur nach Maßgabe von Gesetzen mit staatlicher Genehmigung errichtet werden. Der Besuch der öffentlichen Volksschulen und Berufsschulen ist unentgeltlich. Begabten Kindern minderbemittelter Eltern ist der Besuch der höheren Lehranstalten und der Hochschulen aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern, insbesondere durch Schulgeldfreiheit und durch Erziehungsbeihilfen.

Für die Aufnahme in bestimmte Schulen, einschließlich der Hochschulen, sind nur Anlagen und Neigung, nicht aber die wirtschaftliche, berufliche oder gesellschaftliche Stellung der Eltern maßgebend.

siehe hierzu u. a. das Reichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 (RGBl. I. S. 799), geändert durch Landesgesetz vom 7. Februar 1950 (GVBl. S. 123).

Art. 28. Die öffentlichen Schulen sind Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinn,. An allen Schulen sind beim Unterricht die religiösen Empfindungen aller zu achten. Der Lehrer hat in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schüler Rücksicht zu nehmen und die religiösen und weltanschaulichen Auffassungen sachlich darzulegen.

Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt und von dieser beaufsichtigt. Kein Lehrer darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen; aus seiner Entscheidung dürfen ihm keine Nachteile erwachsen. Die Lehrer für den Religionsunterricht bedürfen der Bevollmächtigung durch ihre Religionsgemeinschaft. Soweit der Religionsunterricht von den Religionsgemeinschaften selbst erteilt wird, sind ihnen die erforderlichen Schulräume zur Verfügung zu stellen. Das Nähere bestimmt das Schulgesetz.

Die Teilnahme am Religionsunterricht und an kirchlichen Veranstaltungen bleibt der Willenserklärung der Erziehungsberechtigten überlassen. Für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist ein Sittenunterricht einzurichten.

Lehrpersonen darf aus ihrer Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem religiösen Bekenntnis kein Nachteil für ihren, beruflichen Aufstieg erwachsen.

siehe hierzu das Landesgesetz über das Privatschulwesen und den Privatunterricht (Privatschulgesetz) vom 14. November 1950 (GVBl. 1951 S. 15)

Art. 29. Staatsbürgerkunde auf der Grundlage der Verfassung ist ordentliches Lehrfach aller Schularten. Jedem Schüler ist beim Abgang aus der Schule ein Abdruck der Verfassung in feierlicher Weise zu überreichen.

Art. 30. Die Hochschule ist frei in Forschung und Lehre. Sie verwaltet ihre Angelegenheiten nach Maßgabe der Gesetze und unter Aufsicht des Staates. An den sie berührenden Angelegenheiten der staatlichen Unterrichtsverwaltung wird sie vom Staate mitbeteiligt; sie wird insbesondere bei der Ergänzung des Lehrkörpers mit ihren Vorschlägen gehört.

Die theologische Fakultät an der Hochschule bleibt mit den bisherigen Rechten erhalten. Die Besetzung der Lehrstühle erfolgt im Einvernehmen mit der Kirche.

Art. 31. Die Bildung der Erwachsenen durch Volkshochschulen, wissenschaftliche Büchereien und Volksbüchereien, öffentliche Theater, Konzerte, Museen und sonstige Bildungsstätten erfährt die staatliche Förderung.

Art. 32. Die Denkmäler der Kunst und der Geschichte genießen den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden.

Staat und Gemeinden wachen im Rahmen besonderer Gesetze über die künstlerische und landschaftliche Gestaltung beim Wiederaufbau der deutschen Städte, Dörfer und Siedlungen.

siehe hierzu u. a. das Badische Denkmalschutzgesetz vom 12. Juli 1949 (GVBl. S. 1949).

Art. 33. Die Heimat und ihre Naturschönheiten stehen unter dem Schutz des Staates. Das Nähere wird durch ein Naturschutzgesetz bestimmt.

siehe hierzu u. a. das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 (RGBl. I. S. 821) sowie das Landesgesetz zur Ergänzung und Änderung des Reichsnaturschutzgesetzes vom 3. Oktober 1951 (GVBl. S. 159).

ABSCHNITT II
Kirchen und Religionsgemeinschaften

Art. 34. Es besteht keine Staatskirche.

Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren; anderen Religionsgemeinschaften, deren Bestrebungen den Gesetzen nicht widersprechen, können auf Antrag die gleichen Rechte verliehen werden.

Kirchen und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Sie verleihen ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der Gemeinden. Sie dürfen auf Grund der öffentlichen Steuerlisten Steuern erheben.

Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Kirchen werden gewährleistet.

siehe hierzu u. a. das Landeskirchensteuergesetz vom 30. Juni 1922 (GVBl. S. 494), i. d. F. vom 16. Juni 1925 (GVBl. S. 172), das Ortskirchensteuergesetz vom 30. Juni 1922 (GVBl. S. 501), das Landesgesetz zur Ergänzung des Badischen Landeskirchensteuergesetzes und des Badischen Ortskirchensteuergesetzes vom 28. Februar 1951 (GVBl. S. 48), das Landesgesetz zur Änderung des Kirchensteuerrechts vom 28. Juni 1951 (GVBl. S. 119).

Art 35. Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgemeinschaften am Kirchengut und an ihren für Kult-, Erziehungs- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigem Vermögen werden gewährleistet. Die Güter und Einkünfte dieser Anstalten und Stiftungen dürfen ihren Zwecken und bisherigen Verfügungsberechtigten weder entfremdet, noch entzogen werden. Die von den Religionsgemeinschaften öder ihren Organisationen unterhaltenen Krankenhäuser, Schulen, Fürsorgeanstalten und ähnliche Häuser gelten als gemeinnützige Einrichtungen.

Die öffentliche Wohlfahrtspflege der Religionsgemeinschaften wird gewährleistet. Die freie Religionsausübung in den öffentlichen Krankenhäusern, Wohlfahrts- und Fürsorgeanstalten sowie in den Strafanstalten wird geschützt.

Art. 36. Der Schutz der Sonntage und der staatlich anerkannten Feiertage wird gewährleistet.

siehe hierzu das Landesgesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage vom 26. Februar 1948 (GVBl. S. 187).

ABSCHNITT III
Arbeit und Wirtschaft

Art. 37. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.

Die Arbeit ist sittliche Pflicht.

Volkswirtschaftliches und soziales Ziel ist, allen Schaffensfähigen und Schaffenswilligen eine für sie geeignete und auskömmliche Arbeit zu sichern.

Die Arbeit steht unter dem Schutze des Staates. Sie wird durch den Staat gegen Mißbräuche, Ausbeutung, Betriebsgefahren und gesundheitliche Schädigungen geschützt.

Männer und Frauen stehen bei Wahl und Ausübung des Berufes gleich. Verrichten sie gleiche Arbeit, so haben sie Anspruch auf gleiche Entlohnung.

Niemand darf in seiner Arbeit wegen seiner Herkunft, seiner politischen Überzeugung oder seines Glaubens benachteiligt werden.

Art. 38. Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann, für alle Berufe und für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährleistet. Abreden und Maßnahmen, die diese Freiheit einschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig.

Das Streikrecht der Gewerkschaften im Rahmen der Gesetze wird anerkannt. Dieses Recht einschränkende und hemmende Abreden und Maßnahmen sind nichtig. Die aus der Stellung der öffentlichen Beamten sich ergebenden besonderen Pflichten bleiben unberührt.

Gesamtvereinbarungen über das Arbeitsverhältnis sind für alle Verbandsangehörigen verpflichtend und können von der Landesregierung oder der von dieser beauftragten Behörde für allgemein verbindlich erklärt werden.

siehe hierzu u. a. das Landesgesetz über das Schlichtungswesen bei Arbeitsstreitigkeiten vom 19. Oktober 1949 (GVBl. S. 60).

Art. 39. Die Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Unternehmungen haben ein Mitbestimmungsrecht an der Gestaltung und Verwaltung der Betriebe und an allen sie berührenden Angelegenheiten. Sie bilden zu diesem Zweck Betriebsräte nach Maßgabe des Gesetzes. Auf die besonderen Verhältnisse der Klein- und Mittelbetriebe und die Erhaltung der Initiative ihrer Unternehmer ist dabei Rücksicht zu nehmen.

Art. 40. Der 1. Mai ist staatlich anerkannter Feiertag, der dem Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, zu Fortschritt, Frieden, Freiheit und Völkerversöhnung gewidmet ist.

Art. 41. Es ist ein Arbeitsrecht zu schaffen, das dem Arbeitnehmer einen gerechten Lohn ausreichende Freizeit und Urlaub gewährleistet.

Die Arbeitsbedingungen müssen so beschaffen sein, daß sie die Gesundheit, die Würde, das Familienleben und die kulturellen Ansprüche des Arbeitnehmers sichern, insbesondere dürfen sie die leibliche, geistige und sittliche Entwicklung der Jugendlichen nicht gefährden. Gewerbliche Kinderarbeit ist zu verbieten.

Das Arbeitsentgelt muß der Leistung entsprechen und zum Lebensbedarf für den Arbeitenden und seine Unterhaltsberechtigten ausreichen.

Das Gesetz schafft Einrichtungen zum Schutze der Mütter und Kinder und es schafft die Gewähr, daß die Frau ihre Aufgabe als Staatsbürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann.

siehe hierzu das Landesgesetz über Mindesturlaub für Arbeitnehmer vom 13. Juli 1949 (GVBl. S. 289).

Art. 42. Die Sozialversicherung ist zu erhalten, weiter auszubauen und in besonderen Fällen durch staatliche Mittel zu schützen. Vermögen, das für soziale Versicherungseinrichtungen angesammelt wird, darf nicht für andere Zwecke verwendet werden.

Die Sozialversicherung hat auch die Aufgabe, den Gesundheitszustand des Volkes durch vorbeugende Maßnahmen zu heben, Kranken, Schwangeren und Wöchnerinnen Hilfe zu leisten und ausreichende Versorgung für Erwerbsbeschränkte, Erwerbsunfähige und Hinterbliebene sowie im Alter und für den Fall der Arbeitslosigkeit zu sichern. Die Aufgaben des Staates zur Ordnung des Gesundheitswesens werden dadurch nicht beschränkt.

siehe hierzu u. a. das Landesgesetz zur Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung vom 7. Juli 1948 (GVBl. S. 126), das Landesgesetz über die Sozialversicherung bei Arbeitsunterbrechung ohne Entgeltfortzahlung vom 7. März 1949 (GVBl. S. 69), das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz vom 12. Juli 1949 (GVBl. S. 312).

Art. 43. Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprechen. Das Ziel ist die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen zu sichern. Die grundsätzliche Freiheit von Landwirtschaft, Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe wird gewährleistet.

Im Wirtschaftsverkehr gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze.

Art. 44. Zur Sicherung einer nach Menge, Güte und Preis möglichst gleichmäßigen Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse aller Schichten des Volkes können durch Gesetz Erzeugungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen angeordnet werden. Diese Maßnahmen sind als Übergangsregelung nach Behebung der zu überbrückenden Notstände wieder außer Kraft zu setzen.

Zur Ordnung der wirtschaftlichen Angelegenheiten können Körperschaften geschaffen werden, an denen Unternehmer und Arbeitnehmer, Erzeuger und Verbraucher gleichmäßig beteiligt sind. Die Schaffung solcher Körperschaften stellt keine Einengung der in Artikel 38, Absatz 1, festgestellten Grundsätze dar.

Der Genossenschaftsgedanke ist zu fördern. Gemeinnützige Genossenschaften sind steuerrechtlich zu begünstigen.

Art. 45. Kann der Wirtschaftszweck besser ohne Eigentum des Unternehmers an Produktionsmitteln erreicht werden, oder widerstreitet die Ausübung des Eigentumsrechtes dem Gemeinwohl, so sollen Betriebe des Bergbaues der Eisen- und Stahlerzeugung, der Energiewirtschaft und des an Schienen und Oberleitungen gebundenen Verkehrswesens durch Gesetz in Gemeineigentum überführt werden; andere geeignete Unternehmungen und Wirtschaftszweige können unter Staatsaufsicht gestellt oder in obiger Weise behandelt werden. Art und Höhe der Entschädigung ist in solchen Fällen durch die ordentlichen Gerichte in Abwägung der berechtigten Interessen der Allgemeinheit und des Betroffenen nach billigem Ermessen festzusetzen.

Art. 46. Der Zusammenschluß von Unternehmungen zum Zwecke der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht und der Monopolbildung ist unzulässig. Insbesondere sind Kartelle, Konzerne und Preisabreden verboten, welche die Ausbeutung der breiten Massen der Bevölkerung oder die Vernichtung selbständiger Betriebe des Mittelstandes bezwecken.

Art. 47. Die Landwirtschaft ist die Grundlage der Volksernährung; sie hat Anspruch auf besondere staatliche Förderung und Schutz.

Das bäuerliche Eigentum an Grund und Boden wird gewährleistet. Bauernland soll grundsätzlich seiner Zweckbestimmung nicht entfremdet werden. Der selbständige Bauernstand muß erhalten bleiben.

Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird vom Staat überwacht und durch ein Gesetz zur Agrarreform geordnet.

Grundbesitz, der durch seinen derzeitigen Besitzer einer zweckbestimmten Bewirtschaftung entzogen, vernachlässigt oder zu Spekulationszwecken mißbraucht wird, kann einer geordneten Bewirtschaftung zugewiesen werden.

siehe hierzu das Agrarreformgesetz vom 27. Februar 1948 (GVBl. S. 165), das Landesgesetz über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung der Landwirtschaft vom 12. Dezember 1950 (GVBl. 1951 S. 47).

Art. 48. Selbständige Klein- und Mittelbetriebe in Gewerbe, Handwerk und Handel sind durch Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und besonders vor Überlastung und Aufsaugung zu schützen. Zu diesem Zweck ist die genossenschaftliche Selbsthilfe auszubauen.

Art. 49. Der Landesregierung obliegt die Gesamtplanung und Leitung des Wiederaufbaues der zerstörten Gebiete des Landes.

Durch einen Wiederaufbauplan trägt sie dafür Sorge, daß jeder Bewohner Badens eine angemessene Wohnung erhält. Die Beschlagnahme einer belegten Wohnung oder von Teilen davon bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Der Bau gesunder Wohnungen ist insbesondere Aufgabe des Staates, der Selbstverwaltungskörperschaften und von gemeinnützigen Genossenschaften. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

siehe hierzu das Landeswohnungsgesetz vom 28. April 1949 (GVBl. S. 247), das Landesgesetz über eine staatliche Wohnungsbauförderung vom 27. Mai 1949 (GVBl. S. 354), das Badisches Aufbaugesetz vom 25. November 1949 (GVBl. 1950 S. 29), das Landesgesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich und zur Förderung des Wohnungsbaus (GVBl. S. 81), das Landesgesetz über die Einführung einer Wohnraumabgabe durch die Gemeinden vom 22. Juni 1950 (GVBl. S. 104).

Dritter Hauptabschnitt
Staatsaufbau

ABSCHNITT I
Die Staatsgewalt und ihre Ausübung

Art. 50. Baden ist ein demokratischer und sozialer Freistaat und ein Glied der Gemeinschaft der deutschen Länder.

Träger der Staatsgewalt ist das Volk.

Art. 51. Das Volk gibt seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kund. Die Staatsgewalt wird ausgeübt durch die stimmberechtigten Staatsbürger, durch die gewählte Volksvertretung und durch die verfassungsmäßig bestellten Staatsorgane.

Art. 52. Das Verhältnis des Landes Baden zu den übrigen deutschen Ländern wird durch Gesetz geregelt. Die Zustimmung zu einer Bundesverfassung der deutschen Länder bedarf eines verfassungsändernden Gesetzes.

Art. 53. Badischer Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Berufs, der Religion und der politischen Überzeugung jeder volljährige badische Staatsangehörige, der im Besitze der bürgerlichen, Ehrenrechte ist.

Die badische Staatsangehörigkeit wird durch Geburt, Legitimation, durch Heirat und Einbürgerung erworben.

Das Nähere über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit und des Staatsbürgerrechts wird durch Gesetz geregelt.

Art. 54. Eine Änderung der Landesgrenzen gegenüber anderen deutschen Ländern ist nur durch ein verfassungsänderndes Gesetz möglich.

Art. 55. Die Landesfarben sind gelb-rot.

Die badische Flagge besteht aus zwei gelben und einem roten Längsstreifen von gleicher Breite.

Das Staatswappen besteht aus einem goldenen, mit einem roten rechten Schrägbalken belegten Schild, der von zwei silbernen Greifen gehalten wird.

Art. 56. Die gesetzgebende Gewalt steht ausschließlich dem Volk und der gewählten Volksvertretung zu.

Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Landesregierung und der ihr unterstellten oder von ihr beaufsichtigten Behörden und Dienststellen. Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, ausschließlich dem Recht und dem Gesetz unterworfene und an Weisungen nicht gebundene Richter ausgeübt.

Art. 57. Jede Handlung, die geeignet ist, eine friedliche Zusammenarbeit der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Krieges vorzubereiten, ist verfassungswidrig und verboten. Es ist auch Aufgabe des Staates, Bestrebungen und Arbeiten für einen dauernden Frieden zu fördern.

Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts sind bindende Bestandteile des Landesrechts. Sie sind für den Staat und für den einzelnen Staatsbürger verbindlich.

ABSCHNITT II
Wahlen und Volksabstimmungen

Art. 58. Alle auf Grund der Verfassung durch das Volk vorzunehmenden Wahlen und Abstimmungen sind allgemein, gleich, geheim und unmittelbar. Das Nähere über die Ausübung des Wahl- und Stimmrechts, über Wahlberechtigung und Wählbarkeit sowie über das Wahlverfahren wird durch Gesetz geregelt. Im Gesetz ist auch vorzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen die Gewählten ihres Mandates für verlustig erklärt werden können oder die Wählbarkeit verlieren, ferner, in welcher Weise die Wahllisten unter Berücksichtigung der geltenden Wahlvorschriften jeweils zu überprüfen sind.

Die Ausübung des Wahl- und Stimmrechts ist eine allgemeine Staatsbürgerpflicht.

Der Wahltag muß ein Sonntag sein.

Art. 59. Volksabstimmungen finden in den durch die Verfassung vorgesehenen Fällen statt.

Das Nähere über die Volksabstimmung wird durch Gesetz geregelt.

ABSCHNITT III
Der badische Landtag

Art. 60. Der Landtag ist die vom ganzen Volk unmittelbar gewählte Volksvertretung. Er wird nach den Vorschriften des Landeswahlgesetzes auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der das 25. Lebensjahr vollendet hat.

Art. 61. Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden. Sie können ihre Rechte nur in eigener Person ausüben.

Art. 62. Der Landtag tritt spätestens am 15. Tage nach der Wahl erstmals zusammen. Die erste Sitzung wird vom Alterspräsidenten geleitet. In ihr wird das Präsidium des Landtags gewählt, bestehend aus dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Schriftführern.

Der Landtag tritt jedes Jahr am ersten Mittwoch des Oktobers zusammen. Der Präsident muß ihn früher berufen wenn es die Landesregierung oder mindestens ein Viertel der Mitglieder des Landtags verlangen.

Der Landtag bestimmt den Schluß der Tagung und den Zeitpunkt des Wiederzusammentritts durch Mehrheitsbeschluß.

Vier Jahre nach dem erstmaligen Zusammentritt des Landtags endet die Wahlperiode. Spätestens vier Wochen vor Ablauf der Wahlperiode muß die Neuwahl stattfinden.

Art. 63. Der Landtag kann vor Ablauf seiner Wahlperiode durch Volksentscheid abberufen werden.

Der Volksentscheid findet nur statt, wenn ein Viertel der stimmberechtigten Staatsbürger ihn beantragt.

Die Neuwahl des aufgelösten Landtags findet spätestens vier Wochen nach der Auflösung statt.

Art. 64. Die Mitgliedschaft im Landtag geht verloren durch Endigung der Wahlperiode, durch vorzeitige Auflösung des Landtags, durch Ungültigkeitserklärung der Wahl, durch Berichtigung der erstmals verkündeten Wahlergebnisse, durch Verlust der Wahlfähigkeit und durch Rücktritt. Der Rücktritt ist schriftlich gegenüber dem Präsidenten des Landtags zu erklären.

Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Landtags sowie freie Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel durch sie wird durch Gesetz geregelt.

Art. 65. Zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Landesregierung und zur Behandlung dringender Angelegenheiten für die Zeit außerhalb der Tagungen und nach Beendigung der Wahlperiode oder nach der Auflösung des Landtags bis zum Zusammentritt des neuen Landtags bestellt der Landtag einen Ausschuß der Volksvertretung. Er besteht aus dem Präsidenten sowie weiteren neun Mitgliedern des Landtags. Er wird vier Wochen nach jedem Zusammentritt eines neuen Landtags gebildet. Die weiteren neun Mitglieder werden nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.

Dem Ausschuß der Volksvertretung gegenüber besteht keine Ministerverantwortlichkeit. Der Ausschuß hat das Recht, wenn es ihm erforderlich erscheint, den Präsidenten des Landtags um dessen Einberufung zu ersuchen. Dem Ersuchen muß entsprochen werden.

Die Befugnisse des Ausschusses bestimmt im übrigen die Geschäftsordnung.

Art. 66. Das Präsidium des Landtags führt die laufenden inneren Geschäfte des Landtags von seiner Wahl bis zum Zusammentritt des neuen Landtags. Der Präsident des Landtags übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus. Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Landtags nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgenommen werden.

Der Präsident verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Landtags nach Maßgabe des Landeshaushalts. Er stellt die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Landtags an. Er vertritt den Landtag in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten seiner Verwaltung.

Art. 67. Der Landtag prüft die Vollmacht seiner Mitglieder und entscheidet darüber.

Art. 68. Kein Mitglied des Landtags darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen seiner in Ausübung seines Mandates gemachten Äußerungen gerichtlichen oder polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

Kein Mitglied des Landtags kann ohne dessen Genehmigung während der Tagung wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, ausgenommen den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei begangenen Verbrechen. Er darf in seiner persönlichen Freiheit auch nicht in anderer Weise beschränkt werden. Diese Immunität kann auf Antrag des Justizministeriums durch einen Beschluß des Landtags aufgehoben werden.

Art. 69. Niemand, insbesondere kein Beamter, Angestellter oder Arbeiter, darf weder an der Übernahme oder Ausübung des Mandats im Landtag gehindert oder deshalb entlassen noch darf ihm hierwegen gekündigt werden.

Zur Vorbereitung der Wahl ist angemessener Urlaub zu erteilen, falls der Bewerber auf einem amtlich eingereichten Wahlvorschlag steht.

Art. 70. Die Mitglieder des Landtags sind berechtigt, über Personen die ihnen oder denen sie in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Auch bezüglich der Beschlagnahme stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben.

Art. 71. Der Landtag beschließt, soweit nicht Ausnahmen festgestellt sind, mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

Zur Beschlußfähigkeit des Landtags ist die Anwesenheit der Mehrheit seiner Mitglieder erforderlich.

Art. 72. Die Geschäftsordnung des Landtags kann vorsehen daß über alle oder über bestimmte Gesetzesvorlagen drei Lesungen stattfinden.

Art. 73. Die Mitglieder der Landesregierung und die als Regierungsvertreter beim Landtag angemeldeten Beamten haben jederzeit bei öffentlichen und geheimen Sitzungen des Landtags Zutritt und müssen auf ihr Verlangen bei den Beratungen gehört werden. Nach Beginn einer Abstimmung kann dieses Verlangen nicht mehr gestellt werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Präsidenten beziehungsweise des Vorsitzenden.

Auf Verlangen des Landtags und der Ausschüsse müssen die Mitglieder der Landesregierung zu den Sitzungen erscheinen, um Auskunft zu erteilen.

Art. 74. Die Sitzungen des Landtags sind öffentlich. Sie werden geheim auf das Begehren der Vertreter der Regierung bei Eröffnungen, für die sie die Geheimhaltung für nötig erachten, ebenso auf das Begehren von fünf Abgeordneten, wenn nach dem Abtreten der Zuhörer und nach Begründung des Begehrens die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten für die geheime Beratung stimmt. Über diesen Antrag wird in geheimer Sitzung verhandelt.

Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Landtags bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

Art. 75. Der Landtag hat das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Die Verhandlung der Untersuchungsausschüsse ist öffentlich. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen zur Beratung eines Antrages auf Ausschluß der Öffentlichkeit und kann für die Verhandlung über die Sache selbst durch Mehrheitsbeschluß ausgeschlossen werden.

Die Untersuchungsausschüsse und die von ihnen ersuchten Behörden können in entsprechender Anwendung der Strafprozeßordnung alle erforderlichen Beweise erheben, insbesondere auch Zeugen und Sachverständige vorladen, vernehmen, vereidigen und das Zeugniszwangsverfahren gegen sie durchführen. Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen der Ausschüsse um Beweiserhebung Folge zu leisten. Die Akten dieser Behörden sind ihnen auf Verlangen vorzulegen.

ABSCHNITT IV
Die Landesregierung

Art. 76. Die Landesregierung besteht aus dem Staatspräsidenten, der gleichzeitig Ministerpräsident ist, und den Ministern, deren Zahl und Geschäftsbereich durch Gesetz geregelt wird. Nach Bedarf können der Landesregierung Mitglieder ohne eigenen Geschäftskreis (Staatsräte) mit Sitz und Stimme beigeordnet werden. Ihre Zahl darf die Zahl der Minister nicht übersteigen.

Art. 77. Der Landesregierung obliegt die Leitung der gesamten Staatsverwaltung, der Vollzug der Gesetze und der Landtagsbeschlüsse sowie die Vertretung des Staates. Alle Staatsbeamten sind ihr untergeordnet. Die Unabhängigkeit der Gerichte, insbesondere der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte, sowie der Rechnungskammer wird dadurch nicht berührt.

Art. 78. Der Staatspräsident wird vom Landtag spätestens vier Wochen nach seinem erstmaligen Zusammentritt durch die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags gewählt.

Wählbar ist jeder Staatsbürger, der den allgemeinen Vorschriften über die Wählbarkeit zum Landtag genügt und außerdem das 35. Lebensjahr vollendet hat.

Art. 79. Der Staatspräsident beruft die übrigen Mitglieder der Landesregierung.

Alle Mitglieder der Landesregierung bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.

Art. 80. Das Amt der Mitglieder der Landesregierung endet durch Rücktritt oder durch Entlassung auf Grund des Urteils des Hohen Staatsgerichtshofes. Die Landesregierung sowie jedes ihrer Mitglieder müssen zurücktreten, wenn der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl den Entzug des Vertrauens beschließt. Über einen Mißtrauensantrag darf frühestens 24 Stunden nach seiner Einbringung beschlossen werden. Der Rücktritt der Landesregierung wird erst wirksam, sobald der Landtag einer neuen Landesregierung das Vertrauen ausgesprochen hat.

Art. 81. Der Staatspräsident führt den Vorsitz in der Landesregierung und leitet, ihre Geschäfte nach einer Geschäftsordnung, die von ihr beschlossen wird. Er bestimmt in Übereinstimmung mit den übrigen Mitgliedern der Landesregierung die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung gegenüber dem Landtag. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jedes Mitglied der Landesregierung den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.

Der Staatspräsident kann gleichzeitig ein Ministerium leiten. Er bestellt ein Mitglied der Landesregierung zu seinem Vertreter für den Fall der Verhinderung; die Bestellung bedarf der Bestätigung des Landtags.

Zur Unterstützung des Staatspräsidenten besteht eine Staatskanzlei.

Art. 82. Das Amt der Mitglieder der Landesregierung ist unvereinbar mit der Ausübung anderer öffentlicher Tätigkeiten oder mit der persön1ichen Ausübung eines anderen Berufes oder Gewerbes. Das Ministeramt ist unvereinbar mit der Betätigung im Vorstand, Verwaltungs- oder Aufsichtsrat einer auf Erwerb gerichteten Vereinigung. Ausnahmen können der Landtag oder ein von ihm zu bestimmender Ausschuß bewilligen.

Die Mitglieder der Landesregierung erhalten Gehalt nach Maßgabe der Besoldungsordnung. Sie haben weder Anspruch auf Ruhegeld, noch auf Hinterbliebenenversorgung. Ausnahmen bedürfen eines Gesetzes. Soweit sie jedoch vor ihrer Berufung einen Anspruch aus öffentlichem Dienst hatten, bleibt er ihnen gewahrt. In diesem Falle wird ihre Amtszeit in der Landesregierung ihrer früheren Dienstzeit hinzugerechnet. Nach Endigung ihrer Amtszeit in der Landesregierung haben sie Anspruch auf Wiederverwendung in einer ihrer Laufbahn entsprechenden Stellung im öffentlichen Dienst.

Auf die Staatsräte finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Sie erhalten für ihre Tätigkeit die Tagegelder eines Abgeordneten und Ersatz für Reisekosten.

Art. 83. Die Landesregierung beschließt über alle Regierungsvorlagen an den Landtag.

Die Mitglieder der Landesregierung haben der Landesregierung alle Gesetzentwürfe, die die Landesregierung im Landtag einbringen soll, ferner Angelegenheiten, wie die Verfassung und Gesetze es vorschreiben, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Ministerien berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

Art. 84. Die Landesregierung ernennt und entläßt nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Vorschriften die staatlichen Beamten. Dieses Recht kann durch Gesetz auf andere Behörden übertragen werden.

Art. 85. Die Landesregierung übt das Begnadigungsrecht aus. Durch Gesetz kann seine Ausübung auf andere Stellen übertragen werden. Der Vollzug der Todesstrafe bedarf der Bestätigung der Landesregierung. Amnestien bedürfen eines Gesetzes.

siehe hierzu das Landesgesetz über die Ausübung des Gnadenrechts (Gnadengesetz) vom 7. Juli 1949 (GVBl. S. 45).

Art. 86. Die Mitglieder der Landesregierung sind, ebenso wie die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, auf die Verfassung zu vereidigen. Die Eidesleistung der Mitglieder der Landesregierung erfolgt in öffentlicher Landtagssitzung. Die Eidesformel hat die Verpflichtung zu umfassen, das übertragene Amt gerecht und unparteiisch zu verwalten, die demokratische Verfassung und die Gesetze des Staates zu beachten und zu verteidigen. Die Vereidigten sind für die Erfüllung dieser Pflichten verantwortlich und haftbar.

ABSCHNITT V
Von der Anklage gegen die Mitglieder der Landesregierung

Art. 87. Der Landtag hat, unbeschadet einer etwa möglichen strafgerichtlichen Verfolgung, das Recht, den Staatspräsidenten und die übrigen Mitglieder der Landesregierung vor dem Hohen Staatsgerichtshof anzuklagen, daß sie die Verfassung oder ein Gesetz verletzt haben.

Art. 88. Die Anklage wird vom Präsidenten des Landtags erhoben.

Der Antrag auf Erhebung der Anklage bedarf der für Verfassungsänderungen notwendigen Mehrheit. Die Zurücknahme kann mit einfacher Mehrheit erfolgen. Mit Ablauf der Wahldauer des Landtags und mit seiner vorzeitigen Auflösung endet das Verfahren.

Wird der Angeklagte für schuldig befunden, so kann auf Enthebung von seinem Amt oder auf Überweisung des Falles an das zuständige Strafgericht erkannt werden.

ABSCHNITT VI
Gesetzgebung

Art. 89. Der Landtag kann sich mit allen von ihm selbst zu einer Beratung für geeignet erachteten Gegenständen befassen.

Art. 90. Die für alle Staatsbürger verbindlichen Gebote und Verbote bedürfen der Gesetzesform. Das gleiche gilt für allgemeine Anordnungen, welche bestehende Gesetze ändern, erläutern oder aufheben. Auch der Staatshaushalt muß vom Landtag in Gesetzesform festgestellt werden.

Das Recht der Gesetzgebung kann vom Landtag nicht auf seine Ausschüsse und nicht auf den Staatspräsidenten oder auf die Landesregierung übertragen werden.

Art. 91. Die Landesregierung kann das Verordnungsrecht nur aus der Verfassung oder aus Gesetzen ableiten, die vom Volk oder von der Volksvertretung beschlossen worden sind.

Art. 92. Die Verfassung kann nur im Wege der Gesetzgebung durch das in diesem Artikel geregelte Verfahren geändert werden. Der Antrag kann von der Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags gestellt werden.

Zur gültigen Beschlußfassung über Gesetze, durch die die Verfassung oder ihre Teile ergänzt, erläutert, abgeändert oder aufgehoben werden, ist die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags erforderlich; ist das Gesetz angenommen, so muß es der Volksabstimmung unterbreitet werden.

Die unerläßlichen Grundbestandteile einer demokratischen Verfassung können auch durch ein verfassungsänderndes Gesetz nicht verletzt und nicht beseitigt werden.

Einer Person oder einem Ausschuß kann die Ermächtigung zu Verfassungsänderungen in keiner Weise übertragen werden.

Art. 93. Gesetzesvorlagen, die keine Änderung der Verfassung enthalten, werden vom Staatspräsidenten namens der Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags eingebracht.

Zur Vorlage eines Gesetzentwurfs ist jede Fraktion sowie jede Gruppe von mindestens zehn Abgeordneten berechtigt.

Über jeden eingebrachten Gesetzentwurf muß vom Landtag abgestimmt werden.

Ein Zehntel der stimmberechtigten Staatsbürger kann das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfs stellen. Dem Volksbegehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde liegen. Er ist von der Landesregierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Landtag zu unterbreiten. Wird der begehrte Gesetzentwurf vom Landtag nicht oder nicht unverändert angenommen, so findet ein Volksentscheid statt. Über den Staatshaushalt und die Besoldungs- und Abgabegesetze kann kein Volksentscheid stattfinden.

Art. 94. Ein vom Landtag beschlossenes Gesetz kann die Landesregierung zur nochmaligen Beratung an den Landtag zurückverweisen. Beschließt der Landtag abermals das im wesentlichen gleiche Gesetz, so kann die Landesregierung einen Volksentscheid über das Gesetz herbeiführen.

Art. 95. Erachtet die Landesregierung ein vom Landtag beschlossenes Gesetz für verfassungswidrig oder eine Verordnung für gesetzwidrig, so kann sie den Staatsgerichtshof zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bzw. die Gesetzmäßigkeit der Verordnung anrufen. Die Entscheidung muß innerhalb von vier Wochen ergehen und hat Gesetzeskraft.

Art. 96. Bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein Gesetz die unerläßlichen Grundbestandteile einer demokratischen Verfassung verletzt oder beseitigt oder den Vorschriften über Verfassungsänderungen unterliegt, trifft der Staatsgerichtshof die für die Landesregierung und den Landtag verbindliche Entscheidung. Antragsberechtigt sind die Landesregierung oder eine Gruppe von mindestens zehn Abgeordneten des Landtags.

Art. 97. Die Landesregierung verkündet die Gesetze. Die Verkündung der Gesetze und Verordnungen erfolgt im Badischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Sofern nichts anderes bestimmt ist, treten Gesetze und Verordnungen am 15. Tage nach Ausgabe des betreffenden Stückes des Gesetz- und Verordnungsblattes in Kraft. Ein durch Volksentscheid angenommenes Gesetz tritt an dem auf die Abstimmung folgenden Tage in Kraft.

ABSCHNITT VII
Verwaltung

Art. 98. Die unmittelbare Staatsverwaltung erfolgt durch die Landesbehörden, die mittelbare Staatsverwaltung durch die Behörden der Selbstverwaltung.

Die Gemeinden, Gemeindeverbände, Kreise und Zweckverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze. Vor der gesetzlichen Regelung der sie berührenden allgemeinen Fragen sind sie zu hören.

Das Land kann den Gemeinden und Kreisen staatliche Aufgaben zur auftragsweisen Erledigung übertragen. Eine finanzielle Mehrbelastung darf nicht eintreten.

siehe hierzu u. a. die Badischen Gemeindeordnungen vom 25. März 1947 (ABl. Baden S. 53) und vom 23. September 1948 (GVBl. S. 177) sowie die Landesgesetz über die Landkreisselbstverwaltung vom 24. Juni 1939 (GVBl. S. 93) mit der Verordnung Nr. 61 über die Wahlen zu den Kreisversammlungen in Baden vom 2. September 1946 (ABl. franz. Oberkommando S. 299).

Art. 99. In Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetzgebung zusteht, kann die Landesregierung mit anderen deutschen Ländern und mit auswärtigen Staaten Verträge schließen. Die Verträge bedürfen der Zustimmung des Landtags.

Art. 100. Alle Einnahmen und Ausgaben des Landes müssen für jedes Jahr. veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden. Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt. Die Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr, in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt.

Ist das Haushaltsgesetz bei Beginn des Rechnungsjahres noch nicht beschlossen, so ist die Landesregierung ermächtigt, bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes durch den Landtag jeweils für einen Monat Ausgaben in Höhe von einem Zwölftel der Ausgaben des vorangegangenen Rechnungsjahres zu machen und für die erforderlichen Einnahmen zu sorgen.

Über die Verwendung aller Staatseinnahmen und Staatsausgaben legt der Leiter des Finanzministeriums im folgenden Jahre zur Entlastung der Landesregierung im Landtag Rechnung. Die Rechnungsprüfung erfolgt durch eine mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattete Rechnungskammer.

Art. 101. Eine Überschreitung des Voranschlags bedarf der nachträglichen Genehmigung des Landtags.

Art. 102. Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für werbende Zwecke beschafft werden. Alle Kreditaufnahmen, Kreditgewährungen sowie Sicherheitsleistungen zu Lasten des Landes, deren Wirkung über ein Jahr hinausgeht, erfordern ein Gesetz.

Art. 103. Beschlüsse des Landtags welche Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, müssen bestimmen, wie diese Ausgaben gedeckt werden.

Art. 104. Das Grundstocksvermögen des Staates darf in seinem Wertbestand nur auf Grund eines Gesetzes verringert werden. Der Erlös aus der Veränderung des Grundstocksvermögens ist zu Neuerwerbungen für dieses Vermögen zu verwenden.

Art. 105. Das Finanzwesen der ertragswirtschaftlichen Unternehmungen des Staates kann durch Gesetz abweichend von den Bestimmungen der Artikel 100 bis 104 geregelt werden.

Art. 106. Jedem Staatsbürger und seinen versorgungsberechtigten Angehörigen ist ein Mindesteinkommen steuerfrei zu belassen.

Art. 107. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses werden durch Gesetz geregelt. Das Berufsbeamtentum bleibt erhalten.

Für die Anstellung und Beförderung entscheiden ausschließlich Befähigung und Leistung.

Es besteht für jeden Beamten im öffentlichen Dienst die Möglichkeit, bei besonderer Leistung zu den obersten Verwaltungsstellen aufzurücken.

Den Beamten steht für die Verfolgung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche der ordentliche Rechtsweg offen.

siehe hierzu das Landesgesetzu über die vorläufige Regelung des Dienststrafrechts vom 13. August 1948 (GVBl. S. 153), das Landesgesetz über die Rechtsverhältnisse badischer Beamter vom 8. Mai 1951 (GVBl. S. 79) und das Deutsche Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. S. 39), das Landesgesetz über die Ernennung der unmittelbaren Landesbeamten und die Beendigung des Beamtenverhältnisses vom 12. Juli 1949 (GVBl. S. 312), das Landesgesetz über die Besoldung der Beamten und die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge vom 21. September 1949 (GVBl. S. 372), das Landesgesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 3. Oktober 1951 (GVBl. S. 167).

Art. 108. Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt schuldhaft die ihm einem andern gegenüber obliegende Amtspflicht, so haftet die Körperschaft, in deren Diensten der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der Verwaltungsweg steht offen.

ABSCHNITT VIII
Rechtspflege

Art. 109. Die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit wird durch die ordentlichen Gerichte, die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch die Verwaltungsgerichte ausgeübt. Verfassungsstreitigkeiten entscheidet nach Maßgabe der Verfassung und von Gesetzen der Staatsgerichtshof.

Bei der Strafgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird die Mitwirkung von Laien sichergestellt.

Art. 110. In ein Richteramt darf nur berufen werden, wer die Befähigung für ein solches nach Maßgabe der bestehenden Gesetze erworben hat.

Art. 111. Richter, die vorsätzlich ihre Pflicht, das Recht zu finden, verletzt haben, können vor den Dienststrafhof für Richter gezogen werden wenn dies zum Schutze der Verfassung oder ihres Geistes gegen mißbräuchliche Verwendung der richterlichen Gewalt erforderlich erscheint. Ebenso können Richter, die außerdienstlich gegen den Geist der Verfassung verstoßen haben, vor den Dienststrafhof gezogen werden. Die Anklage wird auf Anordnung des Staatspräsidenten vom Generalstaatsanwalt erhoben. Der Dienststrafhof besteht aus dem Präsidenten des Oberlandesgerichts als Vorsitzendem, drei Mitgliedern des Landtags, die von diesem gewählt werden, und einem vom Justizminister zu bestellenden richterlichen Mitglied. Die Bestellung der Mitglieder des Dienststrafhofes erfolgt zu Beginn der Wahlperiode des Landtags für die Dauer der Wahlperiode. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.

Auf Handelsrichter, Schöffen und Geschworene findet diese Bestimmung keine Anwendung.

Art. 112. Der Staatsgerichtshof besteht aus dem Vorsitzenden und vier weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Mitglieder werden vom Landtag für die Dauer ihres Hauptamtes aus den im Dienst befindlichen Richtern und Verwaltungsrichtern gewählt.

Für den Vorsitzenden und jedes Mitglied wird gleichzeitig für den Fall seiner Verhinderung ein richterlicher Stellvertreter bestimmt.

Der Hohe Staatsgerichtshof urteilt über Anklagen gegen Mitglieder der Landesregierung. Er besteht aus sieben vom Landtag aus seiner Mitte innerhalb von vier Wochen nach seinem ersten Zusammentritt für die Wahlperiode des Landtags gewählten Mitgliedern. Kein Mitglied des Hohen Staatsgerichtshofes darf gleichzeitig Mitglied der Landesregierung sein.

Art 113. Aufbau und Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte werden durch Gesetz geregelt.

Art. 114. Die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen sowie die Gesetzmäßigkeit von Rechtsverordnungen, behördlichen Verfügungen und Verwaltungsakten zu prüfen.

Hält ein Gericht einschließlich des Hohen Staatsgerichtshofes, ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei einer Urteilsfindung ankommt, für verfassungswidrig oder eine Rechtsverordnung für gesetzwidrig, so führt es die Entscheidung des Staatsgerichtshofes herbei. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofes ist für alle Gerichte und Behörden verbindlich.

Über die Gesetzmäßigkeit, von behördlichen Verfügungen und Verwaltungsakten entscheidet das Gericht mit Wirkung zwischen den Parteien.

Bestehen Zweifel über die Geltung eines Gesetzes, so kann die Landesregierung beim Staatsgerichtshof eine Entscheidung über die Geltung dieses Gesetzes beantragen. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofes hat Gesetzeskraft.

Art. 115. Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden. Ausnahme- und Sondergerichte sind unzulässig.

Art. 116. Strafen können nur verhängt werden auf Grund von Gesetzen, die zur Zeit der Begehung der Tat in Geltung waren und diese Strafen androhten, es sei denn, daß das spätere Gesetz günstiger ist als das zur Zeit der Tat in Geltung gewesene Strafgesetz.

Niemand darf für Handlungen oder Unterlassungen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, die ihm nicht persönlich zur Last fallen.

Art. 117. Die Verhandlungen vor allen Gerichten sind öffentlich. Bei Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Sittlichkeit kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen werden.

ABSCHNITT IX
Die Parteien

Art. 118. Politische Parteien dürfen sich frei bilden, sofern sie sich in ihrem Programm und durch ihr Verhalten zu den Grundsätzen des demokratischen Staates bekennen. Das Verbot einer politischen Partei ist nicht zulässig, solange die Partei nicht gegen diese Pflicht verstößt. Zweifelsfälle entscheidet auf Antrag der Landesregierung oder der Partei der Staatsgerichtshof.

Ein Wahlvorschlag für den Landtag kann nur von einer politischen Partei eingereicht werden, die mindestens 30.000 wahlberechtigte Befürworter nachweisen kann oder die bei den letzten Wahlen zu öffentlichen Körperschaften insgesamt 4 v.H. der Abgegebenen Stimmen auf ihre Listen vereinigen konnte.

Die Bildung von politischen Parteien, Wahlgruppen oder sonstigen Vereinigungen jeder Art, die das Ziel verfolgen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu vernichten oder gegen Volk, Staat oder Verfassungsgewalt anzuwenden, ist verboten. An derartigen Bildungen beteiligte Personen werden zu Wahlen oder Abstimmungen nicht zugelassen. Die Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, trifft auf Antrag der Landesregierung der Staatsgerichtshof.

Art. 119. Jedem Staatsbürger steht es frei, sich zu einer Partei zu bekennen und ihr Mitglied zu werden.

Der Beitritt zu einer Partei oder einer sonstigen, politische, sozialpolitischen oder religiöse Zwecke verfolgenden Vereinigung darf nicht durch Gewalt, Drohung oder sonstige Einschüchterung erzwungen werden.

Art. 120. Parteien müssen sich als mitverantwortlich für die Gestaltung des politischen Lebens und für die Lenkung des Staates fühlen, gleichgültig, ob sie an der Bildung der Landesregierung mitbeteiligt sind oder zu ihr in Opposition stehen.

Haben sie sich an der Bildung der Regierung beteiligt, so ist es ihre Pflicht, das Interesse des Landes über das Interesse der Partei zu stellen. und dem Wohl aller Einwohner. Sie müssen bereit sein, die Verantwortung abzugeben, sobald sich eine neue Mehrheit bildet.

Stehen sie in Opposition zur Regierung, so obliegt es ihnen, die Tätigkeit der Regierung und der an der Regierung beteiligten Parteien, zu verfolgen und nötigenfalls Kritik zu üben. Ihre Kritik muß sachlich, fördernd und aufbauend sein. Sie müssen bereit sein, gegebenenfalls die Mitverantwortung in der Regierung zu übernehmen.

Art. 121. Es ist verboten, einer Partei oder ihren Leitern unbedingten Gehorsam zu versprechen oder dieses Versprechen abzuverlangen. Der Austritt aus einer Partei muß nach der Parteisatzung jederzeit möglich sein. Jeder Abgeordnete folgt bei Reden, Handlungen, Abstimmungen und Wahlen seiner Überzeugung und seinem Gewissen.

Vierter Hauptabschnitt
Der Schutz der Verfassung

Art. 122. Die Verfassung dient der Sicherheit und dem Wohl aller Einwohner. Ihr Schutz gegen Angriffe von außen ist gewährleistet durch das Völkerrecht, nach innen durch die Gesetze, durch die Rechtspflege und die vollziehende Gewalt.

Art. 123. Soweit diese Verfassung die Beschränkung eines Grundrechtes durch Gesetz zuläßt oder die nähere Ausgestaltung einem Gesetz vorbehält, muß das Grundrecht als solches unangetastet bleiben. Die Beschränkung oder Ausgestaltung kann nur durch ein vorn Volk oder von der Volksvertretung beschlossenes Gesetz erfolgen.

Ein solches Gesetz muß selbst Beschränkung oder Ausgestaltung des Grundrechts erschöpfend regeln. Hinweise auf frühere Regelungen genügen nicht. Im Zweifelsfalle entscheidet der Staatsgerichtshof.

Art. 124. Wer es unternimmt, die durch die Verfassung den Staatsbürgern gewährleisteten Grundrechte und Freiheiten zum Kampfe gegen diese Grundrechte und Freiheiten zu mißbrauchen, stellt sich selbst außerhalb die Verfassung und verwirkt damit das Recht, sich gegenüber Notwehrhandlungen des Staates auf verfassungsmäßige Grundrechte und Freiheiten zu berufen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheidet auf Klage der Staatsgerichtshof.

Art. 125. Jedermann ist verpflichtet, die durch Verfassung oder Gesetz rechtsgültig auferlegten staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen; niemand darf ihre Erfüllung unter Berufung auf verfassungsmäßig gewährleistete Rechte und Freiheiten verweigern.

Verletzungen der Verfassung werden nach den Gesetzen bestraft.

Art. 126. Obrigkeitliche Anordnungen und Befehle eines Vorgesetzten entbinden nicht von der Verantwortung für Handlungen, die den Grundsätzen der Verfassung oder den Strafgesetzen klar erkennbar widerstreiten.

Fünfter Hauptabschnitt
Schlußbestimmungen

Durch Gesetz vom 28. Februar 1951 wurde an dieser Stelle folgender Artikel mit Wirkung vom 18. November 1951 eingefügt:
"Art. 126a. Die Wahlperiode des ersten Landtags wird verlängert bis zum Zusammentritt der Volksvertretung, die infolge der Bestimmungen eines Bundesgesetzes über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu wählen ist.
Ist dieses Bundesgesetz am 15. Januar 1952 von den zuständigen Bundesorganen noch nicht verabschiedet, so findet die Landtagswahl am 16. März 1952 statt. In diesem Falle endet die Wahlperiode des ersten Landtags am 31. März 1952."

siehe hierzu auch das Ersten Neugliederungsgesetz des Bundes vom 4. Mai 1951.

Art. 127. Der zur Zeit des Inkrafttretens dieser Verfassung bestehende, auf Gesetz beruhende Rechtszustand dauert, soweit er nicht mit der Verfassung in Widerspruch steht, fort, bis eine gesetzliche Neuregelung getroffen ist. Zweifel im einzelnen Fall entscheidet der Staatsgerichtshof.

Art. 128. Zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus und zur Beseitigung ihrer Folgen, können bis spätestens 31. Dezember 1948 durch Gesetz besondere Rechtsvorschriften erlassen werden. Diese Rechtsvorschriften können nicht als verfassungswidrig angefochten werden. Artikel 115 findet auf die Säuberungsinstanzen keine Anwendung.

siehe hierzu u. a. das Landesgesetz über die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus vom 10. Januar 1950 (GVBl. S. 139).

Art. 129. Die badische Verfassung vom 21. März 1919 ist aufgehoben.

Art. 130. Diese Verfassung wurde von der Beratenden Landesversammlung im Zusammenwirken mit der Provisorischen Landesregierung beschlossen.

Sie tritt am Tage nach ihrer Annahme durch Volksabstimmung in Kraft.

    In Anwendung des Artikels 27 der Verordnung Nr. 65 des französischen Oberkommandierenden in Deutschland, des Armeegenerals Koenig, über die Bildung einer Beratenden Versammlung von Baden vom 8. Oktober 1946 (Amtsblatt der Landesverwaltung Baden, S. 117ff.) wurde der Entwurf der Verfassung von der Beratenden Landesversammlung im Einvernehmen mit der Provisorischen Landesregierung aufgestellt und durch die Volksabstimmung vom 18. Mai 1947 angenommen. Sie wird hiermit als Staatsgrundgesetz des Landes Baden.

Die Verfassung ist am 19. Mai 1947 in Kraft getreten.

    Freiburg i. Br., den 22. Mai 1947

Der Präsident des Staatssekretariats Baden
Wohleb

Der Staatssekretär des Badischen Ministeriums des Innern
Dr. Nordmann


Quellen: Regierungsblatt der Landesregierung Baden, 2. Jahrgang, Nr. 21 vom 28. Mai 1947, S. 129ff.
Wilhelm Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen, West-Verlag, Essen 1947
www.s-lessmann.de/badver.htm
© 14. Juni 2001 - 23. Juli 2004
Home             Zurück             Top