Landesgesetz zur Volksbefragung über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern

vom 25. Mai 1950

Das Badische Volk hat durch den Landtag am 25. Mai 1950 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1. (1) Im Gebiet der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern findet eine Volksbefragung statt. Sie hat den Zweck, eine Vereinbarung über die Neugliederung dieser Länder vorzubereiten.

(2) Die Volksbefragung wird in allen drei Ländern am sechsten Sonntag nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgehalten. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes in demjenigen Lande, das es als letztes verkündet hat. Fällt der sechste Sonntag in die Zeit zwischen dem 31. Juli 1950 und dem 18. September 1950, so findet die Volksbefragung am 24. September 1950 statt.

siehe zu Abs. 2 den § 1 der Stimmordnung vom 31. Juli 1950 (GVBl. S. 211).

§ 2. Dem Volk werden folgende Fragen vorgelegt:
1. Wünschen Sie die Vereinigung der drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Südweststaat ?
2. Wünschen Sie die Wiederherstellung des alten Landes Baden und des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollern?

§ 3. (1) Der Stimmzettel hat folgenden Wortlaut und folgende Form:

(2) Der Abstimmende kann nur eine der beiden Fragen bejahen. Die Bejahung erfolgt durch Einsetzen eines Kreuzes (X) in einen der beiden Kreise oder durch eine sonstige deutliche Kennzeichnung. Wird lediglich die eine Frage verneint, so gilt die andere Frage als bejaht.

§ 4. (1) Stimmberechtigt ist, wer am Abstimmungstag
1. deutscher Staatsangehöriger ist oder einen von einer zuständigen Behörde des Landes ausgestellten oder anerkannten Flüchtlingsausweis besitzt;
2. das 21. Lebensjahr vollendet hat;
3. seit mindestens einem Jahr im Lande wohnt;
4. nach den im Lande geltenden Vorschriften weder vom Stimmrecht ausgeschlossen noch in der Ausübung des Stimmrechts behindert ist.

(2) Hat der Stimmberechtigte mehrere Wohnsitze, so kann er seine Stimme nur einmal abgeben.

§ 5. Stimmscheine der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern sind nur innerhalb des Landes gültig, Stimmscheine des Landes Württemberg-Baden nur in dem Landesbezirk, in dem sie ausgegeben worden sind.

§ 6. In die Abstimmungsausschüsse ist auf Antrag je ein Vertreter der Organisationen zu berufen, deren Zweck die Neugliederung in den drei Ländern ist. Antragsberechtigt ist die Landesorganisation oder die örtliche Organisation.

§ 7. Auf die Volksbefragung, insbesondere auf die Aufstellung und öffentliche Auflegung der Stimmlisten und den Einspruch gegen ihre Richtigkeit, die Anfechtung von Abstimmungen und die Durchführung von Nachabstimmungen finden die landesgesetzlichen Vorschriften über den Volksentscheid entsprechende Anwendung.

§ 8. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften erläßt die Landesregierung.

siehe hierzu die Stimmordnung vom 31. Juli 1950 (GVBl. S. 211).

§ 9. Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

    Dieses Landesgesetz wird hiermit im Namen des Badischen Volkes verkündet.

    Freiburg i. Br., den 5. Juli 1950

Die Landesregierung
Wohleb.

Vorstehendes Gesetz ist aufgrund der "Freudenstädter Beschlüsse" der Regierungschefs der drei beteiligten Länder vom 15. April 1950 zustande gekommen (siehe auch württemberg-badisches Gesetz Nr. 1087 vom  12. Juni 1950 (RegBl. S. 59) und württemberg-hohenzollerisches Gesetz vom 5. Juli 1950 (RegBl. S. 255).

Die Volksbefragung hatte dieselbe Folge wie die Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951, Württemberg (sowohl Nord als auch Süd) stimmte mit großer Mehrheit für die Vereinigung der drei Länder, Baden stimmte uneinheitlich (Nord mehrheitlich für die Vereinigung, Süd für die Wiederherstellung des alten Landes Baden, gemeinsam gesehen aber mehrheitlich für die Wiederherstellung des Landes Baden). Im Land Baden wurden 214945 Stimmen für die Vereinigung der drei Länder zu 316723 Stimmen für die Wiederherstellung des alten Landes Baden abgegeben (Bekanntmachung vom 27. September 1950 (GVBl. S. 272)).

Die unterschiedliche Auslegung des Ergebnisses der Volksbefragung führte zu erheblichen Verwicklungen zwischen den drei Landesregierungen. Da die drei Landesregierungen sich auch zuletzt auf einer Konferenz in Baden-Baden am 7. November 1950 auf eine Vereinbarung zur Neugliederung nicht einigen konnten (Kommuniqué vom 9. November 1950 in der Badischen Zeitung Nr. 140), haben die Regierungschefs beschlossen, die Angelegenheit dem Bund vorzulegen, der nach Artikel 118 des Grundgesetzes zuständig wird, wenn eine Vereinbarung zwischen den Ländern nicht zustande kommt. Der Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern, Dr. Gebhard Müller (1953-1958 baden-württembergischer Ministerpräsident, 1958-1971 Mitglied und Präsident des Bundesverfassungsgerichts) wurde beauftragt, den Regierungschefs einen gemeinsamen Vorschlag an den Bund auszuarbeiten, der vorsehen sollte, dass die Stimmenauszählung für die Volksabstimmung für die beiden alten Länder getrennt erfolgen sollte (nicht getrennt nach den zwei Ländern und zwei Landesbezirken des Landes Württemberg-Baden) und die Mehrheit der Abstimmenden, nicht die Mehrheit der Stimmberechtigten, ausreichen sollte.

Der Vorschlag des Staatspräsidenten von Württemberg-Hohenzollern wurde jedoch am 23. November 1950 von der Regierung von Württemberg-Baden formal abgelehnt und auch mit der badischen Landesregierung war keine einvernehmliche Lösung gefunden worden, so dass die Regierung von Württemberg-Hohenzollern am 28. November 1950 dem Bundeskanzler und dem Präsidenten des Bundestages formal mitteilte, dass eine Vereinbarung zwischen den Ländern nicht zustande gekommen sei. Damit war der Bund formal zuständig für die Neugliederung, die insbesondere durch das "Zweite" Neugliederungsgesetz vom 4. Mai 1951 (BGBl. I. S. 284) geregelt wurde.
 


Quelle: Badisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1950 S. 191
© 24. Juli 2004
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